Lieferengpässe durch Angriffe im roten Meer

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Maria Glaser
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Der aktuelle Konflikt im roten Meer, bei dem Rebellen der Huthi-Gruppierung Frachtschiffe am Suezkanal angreifen und am Passieren hindern, beeinflusst auch die Industrie für Elektroautos. Durch Lieferengpässe, Verzögerungen und erhöhte Transportkosten sind Unternehmen mit europäischen Produktionsstätten und Verbindungen nach Asien maßgeblich beeinflusst. Wie ist dieser Konflikt entstanden und wie reagieren die einzelnen Hersteller auf die veränderte Situation?

Seit dem bewaffneten Angriff und der massenhaften Geiselnahme in Israel von Terroristen der islamischen Hamas im Oktober 2023 ist wieder Krieg im Nahen Osten. Dies ist auch der Grund dafür, dass Huthi-Rebellen Frachtschiffe im roten Meer angreifen. Die islamische Gruppierung, die vom Iran unterstützt wird, sieht in den Angriffen von Israel auf Gaza ein Unrecht gegen das palästinensische Volk und reagiert daher mit Gegenangriffen. Diese richten sich gegen Staaten, die mit Israel zusammenarbeiten.

Daher leiten immer mehr Reedereien wie Maersk und Hapag-Lloyd ihre Transporte um. Frachter, die beispielsweise Container von Asien nach Europa transportieren, fahren nun oft nicht mehr durch das rote Meer, sondern um das südafrikanische Kap der guten Hoffnung, was ein bedeutender Umweg ist, schließlich muss ganz Afrika umschifft werden. Entsprechend sind die Transporte im roten Meer um über die Hälfte eingebrochen, von ca. 500.000 Containern pro Tag im November 2023 auf 200.000 Container pro Tag in diesem Monat.

Die Umleitungen haben die komplexen Fahrpläne der Frachter und Planungen in den Häfen durcheinander gebracht, die Ladung verzögert und die Transportkosten drastisch in die Höhe getrieben. Die Umleitung eines Schiffes um Afrika herum dauert im Schnitt ungefähr zehn Tage länger und verursacht zusätzliche Kosten für Treibstoff in Höhe von etwa 1,8 Millionen Euro pro Fahrt von Asien nach Nordeuropa. Die Reedereien wiederum versuchen, diese Kosten beispielsweise durch Zuschläge auszugleichen.

Auswirkungen auf die Elektroautobranche

Nun müssen die ersten Autohersteller in Europa Konsequenzen ziehen und kündigten Maßnahmen an, jedoch scheint es die Branche unterschiedlich hart zu treffen. Während Tesla sowie Volvo eine vorläufige Unterbrechung der Produktion ankündigten, erwartet VW einem Sprecher des Unternehmens zufolge keine signifikanten Einschränkungen. Auch andere Hersteller sind nach eigenen Angaben kaum betroffen.

Produktionsstopp bei Tesla und Volvo

Da bei Tesla und Volvo aufgrund der Angriffe die Lieferung von Bauteilen aus Asien unterbrochen wurde, haben beide Unternehmen eine Unterbrechung der Produktion angekündigt.

Beim schwedischen Autobauer Volvo ist das belgische Werk in Gent für drei Tage außer Betrieb, da die Getriebe fehlen. In dem Werk werden der XC40 sowie der C40 produziert. Während Ersterer sowohl mit Diesel- und Benzinmotor als auch als Plug-in-Hybrid und als vollelektrische Version verfügbar ist, gibt es den C40 ausschließlich elektrisch. Nicht betroffen von den Lieferschwierigkeiten ist nach eigenen Angaben des Unternehmens das andere europäische Werk im schwedischen Göteborg hinsichtlich der Autolieferungen und Produktionsziele.

Der US-amerikanische Elektroautohersteller Tesla wiederum kündigte an, den Großteil seiner Autoproduktion in dem Werk in Grünheide in der Nähe von Berlin auszusetzen. Vorgesehen ist der Zeitraum vom 29. Januar bis 11. Februar dieses Jahres. Dabei wurde kein Grund für die Produktionsunterbrechung genannt, jedoch könnten die Ausfälle an fehlenden Batterien liegen. Um in Grünheide das Model Y für den europäischen Markt zu produzieren, verlässt sich Tesla auf Batterien aus China:

„Tesla ist bei den Batteriekomponenten, die über das Rote Meer nach Europa transportiert werden müssen, stark auf China angewiesen, wodurch die Produktion ständig gefährdet ist. Man kann nicht glauben, dass sie allein sind; sie sind nur die ersten, die das Problem reflektieren.“ – Sam Fiorani, Vizepräsident bei AutoForecast Solutions

Andere Autohersteller ergreifen daher bereits Maßnahmen, um Produktionsstopps wie bei Tesla und Volvo zu vermeiden, denn auch viele andere hängen bei der Produktion von Lieferungen aus Asien ab. Nach Angaben von S&P Market Intelligence entfielen in der Vergangenheit etwas mehr als zwei Drittel der Lieferungen von Lithium-Ionen-Akkus auf Asien.

Luftfracht von Stellantis

Um Lieferschwierigkeiten zumindest temporär auszugleichen, greift der Großkonzern Stellantis, zu dem auch die Marken Fiat, Jeep, Opel und Peugeot gehören, auf Lieferung per Flugzeug zurück.

Nach Angaben eines Sprechers hat Stellantis geeignete Maßnahmen ergriffen, um die vorübergehende Verlängerung einiger umgeleiteter Schiffe durch den Einsatz einiger begrenzter Lösungen durch Luftfracht zu kompensieren.

Volkswagen sieht kaum Auswirkungen

Kaum betroffen von der Krise ist nach eigenen Angaben bisher die Kernmarke VW des Konzerns Volkswagen. In dem Unternehmen seien bisher fast keine Auswirkungen auf die Produktion gesehen worden, so ein Sprecher. Volkswagen stehe in enger Abstimmung mit den Reedereien und beobachte die Situation genau, um die Auswirkungen auf die Produktion zu bewerten und möglichst zu vermeiden.

Auch BMW und Renault erklärten am Anfang des Monats, dass ihre Produktion nicht betroffen sei.

Langfristige Auswirkungen auf Europa

In einem Artikel von Automotive News Europe berichtet Peter Sand, Chefanalyst bei der Frachtplattform Xeneta, dass er eher mit Monaten als mit Wochen oder Tagen rechne, bis die Krise in irgendeiner Form gelöst sei. Zugleich werde die Krise, je länger sie andauert, mehr Störungen im weltweiten Seefrachtverkehr verursachen, sodass die Kosten weiter steigen.

Dass die Autohersteller oft auf viele Schlüsselkomponenten aus Asien und insbesondere aus China angewiesen sind, sei ein Schwachpunkt in der Lieferkette, so Sam Fiorani, Vizepräsident bei AutoForecast Solutions. Das Unternehmen verfolgt die Lieferketten und die Produktion in der Automobilindustrie und prognostizierte, dass wahrscheinlich noch mehr Autohersteller von den Lieferunterbrechungen betroffen sein werden.

Quelle: Tagesschau – Weniger Schiffe fahren durchs Rote Meer // Automotive News Europe – Volvo, Tesla halt production amid Red Sea crisis; Stellantis uses air freight // Automotive News Europe – VW brand does not expect ’significant‘ production impact from Red Sea attacks

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Maria Glaser

Maria Glaser

Aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich kommend, verbindet Maria Glaser bei Elektroauto-News.net seit 2023 ihre Liebe zum Text mit fachlichen Inhalten. Seit ihrem Studium in Berlin und Wien arbeitet sie im Bereich Lektorat, Korrektorat und Content Writing, vor allem zu Mobilität.

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