Audi stellt neuen elektrischen Rallye-Boliden RS Q e-tron vor

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 7 min

Vor gut einem halben Jahr hat das Rallyefahrzeug Audi RS Q e-tron in Abu Dhabi seine erste Wüstenrallye gewonnen, nun ist die nächste Evolutionsstufe bereit. Der innovative Prototyp präsentiert sich für die Rallye Marokko 2022 und die Dakar 2023 deutlich verbessert, wie Audi in einer aktuellen Mitteilung erklärt. Die Karosserie ist vollkommen neu und verfügt über eine deutlich bessere Aerodynamik, so der Hersteller. Sie helfe, das Gewicht und den Schwerpunkt des Prototyps abzusenken.

Neue Betriebsstrategien indes sollen die Effizienz des elektrischen Antriebs verbessern. Im Innenraum und beim Radwechsel profitieren Fahrer und Beifahrer von einer erleichterten Bedienung. Nach diesen Weiterentwicklungen trägt der RS Q e-tron nun das Kürzel E2. Es erinnert an den legendären Audi Sport quattro in seiner endgültigen Ausbaustufe für die Rallye-Gruppe B in den Achtzigerjahren.

Uns sind mit dem Audi RS Q e-tron ein gutes Debüt bei der Dakar und sogar erste Etappensiege in einer für uns neuen Motorsport-Disziplin geglückt“, sagt Rolf Michl, Geschäftsführer der Audi Sport GmbH und verantwortlich für den Motorsport bei Audi. „Das gesamte Team arbeitet exzellent zusammen und zieht gemeinsam in eine Richtung. Wie es in einem so frühen Stadium üblich ist, haben sich Fahrer, Beifahrer und Techniker rasch auf die nächsten Entwicklungsziele verständigt. Das Ergebnis haben wir in einem neuen Evolutionspaket zusammengefasst – dem RS Q e-tron E2.“ Damit beginnt die zweite Phase des Entwicklungsprogramms. Im Oktober bereitet sich das Team Audi Sport mit dem neuen Prototyp in Marokko auf die Rallye Dakar 2023 vor.

Sanft am Wind, leicht im Sand: die neue Karosserie

Der Audi RS Q e-tron E2 übernimmt kein einziges Karosserieteil von seinem Vorgänger“, sagt Axel Löffler, Chief Designer des RS Q e-tron. Um die vorgeschriebenen Innenraummaße einzuhalten, fällt das bislang zum Dach hin eng eingezogene Cockpit nun deutlich breiter aus. Auch Front- und Heckhaube sind neu gestaltet. „Wir verzichten nun auf die Unterströmung der hinteren Haube links und rechts der B-Säulen. In Verbindung mit geänderten Lay-ups, also optimierten Gewebelagen der Verbundwerkstoffe, reduziert diese Lösung das Gewicht“, so Löffler. Zwar müssen T1U-Prototypen künftig 2100 statt 2000 Kilogramm wiegen. Da die erste Generation des RS Q e-tron noch übergewichtig war, galt es trotzdem, mehrere Dutzend Kilogramm einzusparen. Damit einher geht eine Absenkung des Fahrzeug-Schwerpunktes.

Vollkommen neu präsentiert sich das aerodynamische Konzept im Karosseriebereich unterhalb der Hauben. Fast erinnert diese Sektion ein wenig an die Gestalt eines Bootskörpers: Ihre breiteste Stelle befindet sich in Höhe des Cockpits, nach vorn und hinten verjüngt sich der Karosseriekörper deutlich. Audi verzichtet nun auf den Teil der Kotflügel, der hinter den Vorderrädern lag und den Übergang zur Tür darstellte. Intern hieß diese Struktur „Elefantenfuß“. Dadurch sparen die Konstrukteure weiteres Gewicht ein und optimieren den Luftfluss.

Der aerodynamische Aspekt ist auch im Wüsten-Rallyesport nicht zu unterschätzen“, sagt Löffler. Zwar besitzt die Karosserie durch die neuen Cockpitmaße einen größeren und damit ungünstigeren Querschnitt. Dennoch gelang es, den aerodynamischen Gesamtwiderstand um rund 15 Prozent zu verringern, also das Produkt aus dem cw-Wert und der Stirnfläche (A). Dadurch ändert sich nichts an der Höchstgeschwindigkeit. Sie bleibt im Reglement weiterhin auf 170 km/h begrenzt. Einen großen Vorteil bietet der verbesserte Luftfluss dennoch. „Er verringert den Energiebedarf des elektrisch angetriebenen Autos weiter“, so Löffler. „Die aerodynamische Berechnung haben wir vollständig durch Computational Fluid Dynamics (CFD) umgesetzt.“ Diese Simulation am Computer ersetzt die aufwendige Arbeit im Windkanal und liefert trotzdem höchst präzise Ergebnisse.

Audi RS Q e-tron E2
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Der elektrische Allradantrieb des Audi RS Q e-tron E2, der bis zu 288 kW mobilisiert und eine Beschleunigung von Null auf Hundert in weniger als 4,5 Sekunden ermöglicht, umfasst einen Energiewandler, bestehend aus einem Verbrennungsmotor und einem Generator, sowie eine 800-Volt-Hochvoltbatterie mit gut 52 kWh und die beiden E-Maschinen an Vorder- und Hinterachse. Zum Einsatz kommen die aus der Formel E bekannten MGU05-Aggregate, jeweils eines pro Achse. Eine entscheidende Rolle für den Antrieb spielt das Energiemanagement. Die elektronische Steuerung des aufwendigen elektrischen Antriebs, dessen Batterie während der Fahrt über einen 2-Liter-Vierzylinder aus der Rennserie DTM mit bis zu 220 kW Leistung geladen wird, hat sich bei den ersten Rallyeeinsätzen bestens bewährt.

Nur in Extremfällen ergaben sich Herausforderungen, so der Hersteller. So notierte Audi bei der Rallye Dakar in Situationen, in denen die Räder beim Sprung oder auf unebenem Gelände wenig Bodenkontakt hatten, kurzfristige Leistungsüberschüsse. Die Verantwortlichen des Automobil-Weltverbandes FIA greifen bereits ab einer Schwelle von 2 Kilojoule Energieüberschuss ein und verteilen Sportstrafen. „Zum Vergleich: Pro Sekunde fließt innerhalb der zulässigen Grenzen mehr als die einhundertfache Energiemenge an die Motoren“, sagt Florian Semlinger, Entwicklung Embedded Software, Applikation und Prüfstand. „Wir hätten es uns einfach machen können und unsere Schwelle um mehrere Kilowatt niedriger ansetzen können, aber das hätte Performance-Nachteile bedeutet. Stattdessen haben wir viel Feinarbeit in die Leistungsregler gesteckt.“ Zwei einzelne Limits – eines für jede Maschine – berechnet die Software nun im Millisekundenbereich neu. Damit arbeite sie exakt entlang der zulässigen Grenze, so Audi.

Audi-Rallye-Elektroauto-RS-Q-e-tron
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Von einer optimierten Steuerung profitieren auch die sogenannten Nebenverbraucher. Die Servopumpe, die Kühlpumpe der Klimaanlage und die Lüfter haben einen messbaren Einfluss auf den Energiehaushalt. Im Lauf der Debütsaison 2022 hat das Rallye-Team von Audi und Q Motorsport wertvolle Erfahrungen gesammelt, die eine bessere Bewertung ermöglichen sollen.

Beispiel Klimaanlage: Sie arbeitet so extrem, dass bei konstanter Höchstleistung das Kühlmittel einzufrieren drohte. Künftig läuft die Anlage in einem intermittierenden Betrieb. Dabei spart sie Energie, dennoch schwanken die Innenraumtemperaturen auch über längere Zeiträume nur geringfügig. Auch bei den Lüftern und der Servopumpe ist die Betriebsstrategie optimiert. So lassen sich die Systeme nun bei den geringeren Belastungen auf den Verbindungsetappen anders regulieren als auf den Wertungsprüfungen.

Vereinfachte Bedienung: Erleichterungen im Cockpit und beim Radwechsel

Die Audi-Piloten Mattias Ekström/Emil Bergkvist, Stéphane Peterhansel/Edouard Boulanger und Carlos Sainz/Lucas Cruz dürfen sich auf ihre neuen Arbeitsplätze freuen. Weiterhin liegen die Displays im gewohnten Stil im Sichtfeld des Fahrers und in der Mittelkonsole, ebenso bleibt das zentrale Switchpanel mit seinen 24 Feldern erhalten. Die Ingenieure haben die Anzeigen und Bedienelemente jedoch neu strukturiert.

Die Gesamtheit aller Funktionen erzeugt rasch Unübersichtlichkeit“, sagt Florian Semlinger. „Deshalb können Fahrer und Beifahrer nun erstmals mit einem Drehschalter aus vier Bereichen wählen.“ Im Thema „Stage“ sind alle Funktionen hinterlegt, die im Wettbewerbsbetrieb wichtig sind – etwa der Speedlimiter in den Sektionen mit Geschwindigkeitsbegrenzungen oder der Wagenheber. Der Bereich „Road“ enthält beispielsweise mit Blinker und Rückfahrkamera Funktionen, die auf den Verbindungsetappen häufig gefragt sind. Die Auswahl „Error“ dient dazu, Fehler zu erkennen, zu kategorisieren und zu katalogisieren. Unter „Settings“ sind Einstellungen gruppiert, die bei Tests oder nach der Ankunft im Biwak für das Ingenieursteam nützlich sind, zum Beispiel Detailtemperaturen einzelner Systeme.

Deutlich erleichtert können die Besatzungen nun nach einem Reifenschaden arbeiten. Einfache, flache und leicht entfernbare Karosseriebauteile ersetzen die bisherigen voluminösen Abdeckungen der Ersatzräder in den Flanken. Die neuen Zehn-Speichen-Felgen von Partner Rotiform sind deutlich griffgünstiger. Fahrer und Beifahrer können sie leichter greifen und den Wechsel sicherer vollziehen.

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Wir haben in kürzester Zeit alle Lerneffekte zusammengefasst. Das Ergebnis unserer Ideen ist die Evolutionsstufe E2“, sagt Uwe Breuling, Leiter Fahrzeugeinsatz Audi Sport. „Unsere Entwicklungsmannschaft hat sich mit der zielstrebigen und kosteneffizienten Arbeit bestens vorbereitet auf unsere zweite Rallye Dakar.“

Nach ersten Erprobungen unter Führung von Arnau Niubó Bosch, Leiter Test Engineering, hat Audi Sport den RS Q e-tron E2 Anfang September in Neuburg an der Donau vorgestellt. Vom 1. bis zum 6. Oktober muss sich die neue Technik zum ersten Mal im Wettbewerb bei der Rallye du Maroc beweisen. Dann bestreiten alle drei Fahrerpaarungen von Audi die Wüstenrallye mit Start und Ziel in Agadir im Südwesten des nordafrikanischen Landes.

Quelle: Audi – Pressemitteilung vom 01.09.2022

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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ManfredO:

Wieso keine BRENNSTOFFZELLE??????

ManfredO:

der FLIEGT wohl über „DÜNEN“

brainDotExe:

Da in der Wüste die Ladeinfrastruktur relativ bescheiden ausgebaut ist, müssen die Akkus ja irgendwie geladen werden.

Wie würdest du denn die Autos dort laden?

Dark Erebos:

Dakar ist mit der jetzigen Batterietechnologie noch nicht komplett fahrbar. Sobald es möglich ist wird er rein elektrisch fahren.

rotzlöffel:

„aufwendigen elektrischen Antriebs, dessen Batterie während der Fahrt über einen 2-Liter-Vierzylinder aus der Rennserie DTM mit bis zu 220 kW Leistung geladen wird“…
Habe ich mich da verlesen oder spinnen die „Schanzer“ aus Ingolstadt? Wie mir scheint, ein eXtrem nachhaltiges Antriebskonzept.E-Auto mit Benzin-Akkulader…

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