Elektrisch angetriebene Modelle müssen alltagstauglich sein. Vor allem die Reichweite, aber auch die Ladeperformance der verbauten Hochvoltbatterie beeinflussen die Kaufentscheidung maßgeblich. Aus diesem Grund übernimmt Audi die Auslegung und Entwicklung der Batteriezellen in Eigenregie und überprüft darüber hinaus die Komponenten des Akkumulators im eigenen Batterietechnikum in Gaimersheim.
Schwarz, Rot, Gold – das sind die Farben, die den Ladezustand einer Batteriezelle anzeigen. Denn beim Laden lagern sich Lithium-Ionen in die Anode aus Graphit ein. Und Graphit ändert je nach Ladezustand seine Farbe. Im entladenen Zustand ist er schwarz, im halbgeladenen Zustand wird er rot und im vollgeladenen Zustand golden. „So können wir den Ladezustand sehen und beurteilen“, erklärt Dr. Bernhard Rieger, Zellexperte im Audi Batterietechnikum in Gaimersheim.
Wird eine Elektrode aufgeladen, geschieht das nicht gleichmäßig. Dort, wo die meisten Lithium-Ionen sind, lädt sich die Elektrode am schnellsten auf. So entsteht ein Ladezustandsgradient. Idealerweise hätte alles die gleiche Farbe, aber das wäre nur mit einer extrem dünnen Elektrode zu realisieren und eine solche hätte kaum Energie. „Die Kunst beim Schnellladen von Lithium-Ionen-Zellen besteht in einer präzisen Stromregelung, um die Anode an den goldenen Stellen nicht zu überladen, denn das würde zu einer schnellen Alterung führen“, sagt Rieger. „Deshalb liegt unsere Aufgabe im optimalen Betrieb der Lithium-Ionen-Zellen, um die bestmögliche Reichweite und Ladeperformance zu erreichen.“
Für die Kund:innen von Audi heißt das, sich in jedem Fall für ein batterieelektrisch angetriebenes Auto zu entscheiden, das in puncto Reichweite und Ladeperformance gleichermaßen überzeugen kann. „Wenn das Grundbedürfnis nach Reichweite erfüllt ist, wird die Ladefähigkeit relevanter“, sagt Rieger.
Balance zwischen hoher Energiedichte und kurzer Ladedauer
Die Zelltechniker:innen in Gaimersheim stehen also vor einem Zielkonflikt. „Uns steht ein bestimmtes Package zur Verfügung, in das wir so viel Energie wie möglich hineinpacken wollen“, sagt Rieger. „Aber das wollen wir auch so schnell wie möglich wieder aufladen können.“
Doch je größer die Energiedichte ist, desto länger dauert das Laden. Die Zelltechniker:innen stehen also vor dem Balanceakt, bei steigender Energiedichte die Ladedauer zumindest konstant zu halten. Um schnell viel Energie laden zu können, steht die Ladefähigkeit in der Projektentwicklung sehr früh auf der Tagesordnung. Audi setzt aktuell in dieser Disziplin gleich mit zwei Modellen durchaus sehenswerte Maßstäbe: Die Zellen der 93 kWh großen Hochvoltbatterie beim Audi e-tron GT quattro füllen sich unter Idealbedingungen mit bis zu 270 kW Leistung in nur 22,5 Minuten von 5 auf 80 Prozent. Und auch der seit 2019 bestellbare Audi e-tron gilt mit seiner plateauhaften Ladekurve, bei der die Ladeleistung von bis zu 150 kW über einen weiten Bereich des Ladevorgangs anliegt, bis heute als vorbildlich.
„Wir investieren sehr viel Zeit in die Entwicklung der optimalen Ansteuerung der Zellen und die Stromregelung, um eine möglichst kurze Ladedauer bei gleichzeitig hoher Effizienz und hoher Lebensdauer zu erreichen“, erklärt Rieger. Dafür steht in Gaimersheim nicht allein die Batteriezelle im Fokus. Ebenfalls relevant für das Schnellladekonzept von Audi sind die Gesamtbatterie mit der Batterieelektronik, das Thermomanagement und die Hochvoltperipherie. „Die Systeme sind von Beginn an auf schnelles Laden ausgelegt, denn es ist sehr schwer, im Nachhinein die Ladeleistung noch anzuheben. Die gewünschten Ladeeigenschaften erreicht nur ein perfekt aufeinander abgestimmtes Gesamtpaket, bei dem schon in der frühen Phase der Entwicklung jedes Detail zählt.“
Von Prüfständen bis Vorserienbau – alles unter einem Dach
Neben den Kriterien Energiedichte und Ladefähigkeit müssen die Batteriezellen aber auch in puncto Lebensdauer und Sicherheit höchste Standards erfüllen. Zu diesem Zweck müssen die Zellen im Einzelnen und auch das Batteriesystem als Ganzes auf dem rund 4400 Quadratmeter großen Gelände in Gaimersheim zahlreiche Prüfungen bestehen.
Für jedes Fahrzeugprojekt stehen unterschiedlichste Lebensdauer- und Schnellladetests mit mehreren hundert Zellen an. Dabei werden unterschiedliche Lade- und Lastprofile durchlaufen, welche die Techniker:innen in Klimakammern bei Temperaturen von minus 30 Grad Celsius bis plus 60 Grad Celsius durchführen. „Wir testen und prüfen ab einer frühen Musterphase rund vier Jahre vor Produktionsstart, um bei Bedarf nachjustieren zu können“, erklärt Zellexperte Rieger.
Um Alterungseffekte der Zellen einschätzen zu können, werden sie zudem rund ein Jahr lang hohen Temperaturen ausgesetzt. Damit reproduziert Audi eine Lebensdauer im Fahrzeug von bis zu 15 Jahren. Mit Lebensdauerprüfständen werden in Gaimersheim darüber hinaus Laufleistungen von rund 300.000 Kilometern beschleunigt nachgestellt.
Hinzu kommen Crash- und Überladetests sowie weitere verschiedene Sicherheitserprobungen. Verschiedenste Fahrszenarien lassen sich simulieren, um die Betriebsstrategien der Hochvoltkomponenten oder das Thermomanagement zu optimieren. „Auf diese Weise können wir unsere Batterien im Feintuning über Applikation bestmöglich einstellen“, sagt Rieger. „Wenn es neue Erkenntnisse aus den Zellvermessungen gibt, speisen wir die Ergebnisse gleich in virtuelle Batteriemodelle ein und schauen, wie sich das auf das Fahrzeug auswirkt.“ In Gaimersheim ist ebenso der Musterbau für die Prototypenbatterien untergebracht, wo die Mitarbeitenden komplett bis zur Vorserie die Hochvoltakkumulatoren bauen.
„Hier haben wir die Kompetenz, die Auslegung und Betriebsstrategie der Zelle so fein zu tunen, dass wir die für Audi perfekten Eigenschaften erzielen“, fasst Rieger zusammen. „Wie betreibe ich und wie baue ich die Batterie, um sie bestmöglich auszunutzen? Diese Frage beantworten wir jeden Tag.“
Quelle: Audi – Pressemitteilung vom 08.06.2022