Der ADAC hat 580 Automobile auf die Material- und die Verarbeitungsqualität untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd: Bei vielen Fahrzeugen lassen diese Attribute zu wünschen übrig, auch deutsche Premiummarken weisen Nachlässigkeiten auf.
Die Automobilindustrie befindet sich in einer Transformation hin zur Elektromobilität. Das beten die Manager der Autobauer seit einigen Jahren gebetsmühlenartig herunter und jonglieren gleichzeitig mit Milliardenbeträgen, die in die neue Art des automobilen Vorankommens investiert werden. Man muss kein Betriebswirtschaftsstudium absolviert haben, dass diese Summen irgendwo herkommen muss. Denn Mercedes, VW & Co. wollen zunächst einmal eines, das ist Geld verdienen. Und ein Elektroauto ist letztendlich wie andere Pkws seit mehr als hundert Jahren ebenfalls ein Geschäftsmodell, bei dem unterm Strich ein Gewinn stehen soll.
Bei einem Elektromobil ist nach wie vor die Batterie am teuersten. Die Vertriebsstrategen haben also die Wahl, die Mehrkosten voll auf den Käufer umzulegen oder die Belastung möglichst gut abzudämpfen. Schließlich schläft die Konkurrenz nicht. „Die weltweite Autoindustrie ist traditionell ein hochkompetitives Umfeld. Das bedeutet: Effiziente Entwicklung und Produktion sind Schlüsselelemente für den Erfolg. Schlussendlich geht es immer darum, ein Produkt zu entwickeln, das die Kauflust des Kunden weckt. Aktuell legen Kunden starken Wert auf Aspekte wie die elektrische Reichweite, digitale Services und die Größe des Bildschirms im Innenraum. Im Zuge dessen wurden andere Komponenten entfeinert“, sagt Peter Fintl, Leiter Technologie und Innovation bei Capgemini Engineering.
Um sich in diesem globalen Haifischbecken behaupten zu können, muss an allen Fronten gespart werden, auch bei Modellen, die keine große Batterie als Energiequelle haben. Auch die zunehmende Zahl der Assistenzsysteme und das immer aufwendigere Infotainmentsystem, die in den Fahrzeugen verbaut sind, kosten Geld. Viel Geld. Es geht um die Gesamtbilanz. „Ebit macht frei“, soll der noch amtierende VW-Konzernchef Herbert Diess gesagt haben. Wenig empathisch, aber im Grunde richtig. Der Profit steht über allem.
Um möglichst viel Geld zu verdienen, wird auch an der Qualität gespart. Dieses Phänomen legen die Tests des ADAC nahe, bei denen 580 Automobile auch auf die Material- und die Verarbeitungsqualität untersucht wurden. „Bei vielen Modellen wird die Qualität schlechter, bei manchen aber auch besser. Selbst teure Autos sind oft nicht sonderlich hochwertig“, lautet das Fazit des Automobilclubs.
Die ADAC-Tester gehen vor allem mit dem Wolfsburger-Konzern hart ins Gericht. „Der Volkswagen-Konzern befindet sich aktuell auf dem absteigenden Ast“, lautet das vernichtende Urteil. Als unrühmliches Beispiel führen die Experten den Audi A3 an, bei dem an allen Ecken und Enden gegenüber dem Vorgänger gespart wird. Die Mängelliste ist lang: Hebt man den Kofferraumboden an, blickt man auf blankes Blech, auch Türrahmenverkleidungen sucht man vergebens. Noch viel mehr fallen die Nachlässigkeiten im Innenraum ins Gewicht, was immer eine Domäne der Ingolstädter war. Mäßig entgrateten und nachgiebige Kunststoffe entsprechen nicht dem Qualitätsanspruch der Marke mit den vier Ringen.
Aber auch beim Golf 8 fanden die Tester Verschlechterungen in der Anmutung gegenüber dem Vorgänger, sei es der fehlende Filz im Handschuhfach oder die weggelassene Stoffverkleidung an der A-Säule. Das Qualitäts-Schlusslicht in dieser Klasse bildet übrigens der MG ZS EV. Wie man es besser macht, zeigt Volvo mit dem XC40, der sich bei den Kompakten (im ADAC-Duktus „Untere Mittelklasse) an die Spitze setzt
Aber nicht nur bei VWs Edeltochter Audi hat der Rotstift fatale Auswirkungen. „Besonders enttäuscht waren die ADAC-Tester von der aktuellen C-Klasse“, lässt der ADAC verlauten. Ganz im Gegensatz zum Vorgänger, der bei der Verarbeitung beeindruckte, ist bei Mercedes Brot-und-Butter-Modell ein beliebter Trick aus der Interieuranmutung auffällig, indem man im oberen Bereich, der besonders häufig angesehen und angefasst wird, mit hochwertigen, unterschäumten Kunststoff verseht. Darunter kommen dann gerne weniger wertige Materialien zum Einsatz. Anders als beim Vorgänger sind die Türfächer aus hartem Kunststoff.
Anders beim Mazda 3, dessen Interieur das Placet der Tester erhält. Die Anmutung des Kompaktwagens ist auch deswegen so beeindruckend, weil die Margen bei den kleineren Fahrzeugen immer geringer werden und deswegen mehr gespart werden muss. Bei den bei Klein- und Kleinstwagen ist der Kostendruck besonders hoch. Toyota spricht man generell eine solide Verarbeitung zu. Obwohl der Aygo X rund 6.000 Euro mehr kostet als der Vorgänger, weist der Japaner fast identische Schwächen auf und belegt mit einer Note von 4,4 den letzten Platz.
Aber auch der VW Up und der Hyundai i10 (beide 4,0) erzielen keine besonders gute Wertung. Gerade die kleineren Modelle (i10 und i20) des koreanischen Herstellers lassen in letzter Zeit bei der Verarbeitungsqualität zu wünschen übrig. Dagegen registrieren die Teste beim Renault Zoe eine Verbesserung gegenüber dem Vorgänger. Dass ein deutlich höherer Preis sich auch in der Qualität niederschlagen kann, zeigen der BMW i3 (2,1), der Mini Cooper S Fünftürer (2,2) und der Honda e (2,5).
Bei den Oberen Fahrzeugklassen sind die Margen groß und deswegen sollte der Sparzwang nicht ganz so ausgeprägt sein. Zu den „schwarzen Schafen“ gehören der Toyota Highlander und der VW T6.1 (beide 3,0). Gerade der VW Bus ist alles andere als günstig. Dass es anders geht, zeigt Porsche mit dem Taycan beziehungsweise Panamera, die beide mit der Note 1,0 die Oberen Fahrzeugklassen die Spitzenposition einnehmen. Ein interessanter Trend zeigt sich, wenn man sich die Qualitäts-Nachzügler genauer anschaut.
Mit dem Ford Mustang (3,0) und der Chevrolet Camaro (2,8) müssen neben dem eben erwähnten Toyota Highlander zwei weitere Modelle, die für den US-Markt vorgesehen sind, bei der Verarbeitungsqualität nachsitzen. Der Schluss ist für die ADAC-Tester klar: Jenseits des Atlantiks sind die Ansprüche an die Verarbeitungsqualität nicht so hoch wie in Zentraleuropa. Aber es gibt Hoffnung: Der ADAC hat bisher bei Qualität eine Wellenbewegung ausgemacht, bei der die Nachfolger von schlecht bewerteten Modellen aufgrund der negativen Resonanz bei deren Nachfolger wieder mehr Wert auf die Verarbeitungsqualität legen. Wird spannend zu sehen, ob das auch im Zeitalter der Transformation so bleibt.