Die Mobilitätslandschaft in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Die Elektromobilität umfasst nicht nur die Elektrifizierung der Pkw-Antriebe, sondern hat auch neue Mobilitätsformen entstehen lassen: E-Lastenräder übernehmen in Städten die Rolle nachhaltiger Transporter, E-Kickscooter ergänzen den ÖPNV und sind zugleich Ausdruck neuer Mobilitätsgewohnheiten der Menschen.
Diese und weitere Kleinstfahrzeuge werden unter dem Sammelbegriff Mikromobilität zusammengefasst. Die neugegründete Initiative „Dialog Mikromobilität“ versammelt Unternehmen und Verbände der Branche und fordert in einem aktuellen Aufruf, dass die städtische Infrastruktur elektrische Kleinstfahrzeuge künftig stärker berücksichtigen solle. Tobias Breyer, COO von Swobbee und Mit-Initiator des Branchenbündnisses „Dialog Mikromobilität“, hat uns dazu ein paar Fragen beantwortet.
Mikromobile wie E-Scooter werden in der öffentlichen Diskussion häufig als Spaßmobile dargestellt. Wieso braucht es aus Ihrer Sicht mehr Rechte für diese Fahrzeuge?
Das ist eine sehr verkürzte Wahrnehmung, die leider die großen Potenziale der Mikromobilität unberücksichtigt lässt. Unter Mikromobilität verstehen wir im Dialog Mikromobilität im Grunde alles, was kleiner ist als ein Auto: Fahrräder und E-Bikes, Cargobikes und E-Lastenräder, E-Roller und E-Kickscooter. Ein E-Kickscooter weist das gleiche verkehrliche Potenzial auf wie ein Fahrrad, beide sind für viele Wege eine nachhaltige, stadtfreundliche Alternative zum Pkw.
Mindestens 20 bis 30 Prozent der städtischen Warentransporte können mit Lastenrädern absolviert werden, was Lärm, Verkehrsdruck und Emissionen in den Städten enorm reduzieren würde. Wenn wir es Ernst meinen mit der Verkehrswende, dann brauchen wir eine Abkehr von der Pkw-zentrierten Verkehrswegeinfrastruktur in den Städten und mehr Wege und Rechte für die Mikromobilität. Alle Verkehrsteilnehmenden sollten die gleichen Rechte und Pflichten haben. Das hat auch etwas mit Flächengerechtigkeit zu tun. Wir müssen uns darüber klar sein, dass wir am Anfang einer gesellschaftlichen Entwicklung in der Mobilität stehen, die nicht mehr umkehrbar ist. Die Mikromobilität ist gekommen, um zu bleiben.
Was sind die zentralen Anliegen des Dialogs Mikromobilität?
Wir wünschen uns, dass die kommende Bundesregierung die Bedeutung der Mikromobilität erkennt und eine zukunftsweisende Mikromobilitätsstrategie entwickelt. Unter dem Titel „Mehr Miteinander wagen“ haben wir im Dialog Mikromobilität erste Vorschläge gemacht, wie die neuen Mobilitäts- und Transportmittel berücksichtigt werden können, vor dem Hintergrund eines fairen Miteinanders und einer gerechten urbanen Flächenentwicklung.
Wir müssen die alten Infrastrukturen an neue Realitäten anzupassen, dabei den Fokus auf die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden legen und das ökologische Potenzial mikromobiler Verkehrs- und Transportlösungen erkennen und nutzen. Für all diese Bereiche haben wir erste konkrete Vorschläge gemacht, die wir auf der Webseite www.dialog-mikromobilitaet.de veröffentlicht haben.
Können Sie uns ein, zwei Beispiele nennen?
Gerne. Eine zentrale Forderung, die wir mit vielen anderen Initiativen gemeinsam haben, ist der Ausbau der Radwegeinfrastruktur, die aus unserer Sicht zu einer Mikromobilitätswegeinfrastruktur weiterentwickelt werden muss. Wenn wir mehr Menschen zur Nutzung nachhaltiger Pkw-Alternativen bewegen wollen, brauchen wir mehr, breitere und sichere Mikromobilitätswege sowie mehr Abstellflächen und eine intelligente Ladeinfrastruktur für E-Kleinstfahrzeuge, bspw. in Form von Akku-Wechselstationen. Wenn solche Wege nicht eingerichtet werden können, plädieren wir dafür, beim Vorhandensein von zwei Pkw-Fahrspuren die rechte Fahrspur komplett für die Mikromobilität zu räumen.
Vor dem Hintergrund der wünschenswerten rechtlichen Gleichstellung von Fahrrädern und anderen E-Kleinstfahrzeugen müssten dann bspw. auch die Schilder „Fahrrad frei“ in „Mikromobilität frei“ umgewandelt werden, um Unsicherheiten bei Nutzenden, aber auch bei Ordnungsbehörden abzubauen. Zur Erhöhung der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden sollte begleitend Tempo 30 als Richtgeschwindigkeit in Städten etabliert werden. In Helsinki bspw. wird dies schon umgesetzt mit äußerst positiven Ergebnissen. Weitere Forderungen befassen sich bspw. mit Maßnahmen, die die Situation der Sharing- und Logistikbranchen verbessern würden.
Vielen Dank für das Gespräch!