Es ist das Jahr 2007. Steve Jobs stellt das iPhone vor, das die Geburtsstunde des Smartphones markiert und den Beginn einer völlig neuen Umgangsweise mit Technologie in unserer Hosentasche einläutet. Man spricht noch heute ehrfürchtig vom ‘iPhone-Moment’. Neun Jahre später präsentiert Elon Musk das Tesla Model 3. Ein Elektroauto für den Massenmarkt, das für unter 35.000 Dollar zu haben sein soll.
Mehr als 325.000 Reservierungen in nur einer Woche verdeutlichten damals die immense Dynamik und Begeisterung, die Tesla ganz ohne klassische Werbung und Marketing mit dem Model 3 entfacht hat. Dieser ‘Tesla-Moment’ war ein Meilenstein für die Elektromobilität. Doch was ist sieben Jahre später davon übriggeblieben? Benötigen wir vielleicht einen neuen Tesla-Moment?
Elektromobilität steht an einem Scheideweg
Das Momentum hat im Jahr 2024 merklich nachgelassen. In den ersten Monaten des Jahres sanken die Zulassungszahlen von Elektroautos in Deutschland um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Klar, das ist eine direkte Folge des Wegfalls des Umweltbonus im Dezember 2023. Böse Zungen behaupten, der Umweltbonus habe den Elektroauto-Markt erst künstlich aufgeblasen und das Elektroauto würde nun mit dem Wegfall “auf die Standspur” fahren. Die CDU fordert sogar eine Rückkehr zum Verbrenner. Einen Ausstieg vom Ausstieg also.
Nach dem Wegfall der Subventionen haben viele Hersteller, von Stellantis bis Mercedes-Benz im ersten Quartal 2024 mit massiven Rabatten die Kaufpreise für ihre E-Autos gestützt. Nur, genützt hat es wenig. Die Zulassungszahlen für März 2024 liegen sogar 28,9 Prozent unter denen aus dem Vorjahresmonat. Noch dazu: Viele dieser Rabatte laufen inzwischen aus. „Die Autobauer haben erkannt, dass die Kaufanreize der vergangenen Monate einen hohen Preis für die eigene Wirtschaftlichkeit hatten“, meint Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR Instituts im Handelsblatt. Laut deren Studie fallen die Rabatte von März auf April von 16,2 auf 12,6 Prozent.
Es ist noch immer ein guter Rabatt, wenn man 12 Prozent weniger für ein Auto zahlen muss. Wenn das Elektroauto allerdings um einiges teurer ist als ein identischer Verbrenner, warum soll der Kunde dann die elektrische Variante wählen? Zu denken, dass jeder Käufer das grüne Gewissen befriedigen will oder sich durch eine etwas aufgewertete Innenausstattung überzeugen lässt, ist töricht.
Der Preis bleibt das entscheidende Argument beim Kauf
Als Beispiel einer der aktuell beliebtesten Kleinwagen in Deutschland, der Opel Corsa. Den gibt es, im Gegensatz zu vielen anderen Kompaktwagen, auch als Elektroauto. Für einen Preis ab 34.650 Euro. Das fossil betriebene Basismodell mit 75 PS, Handschaltung und Hartplastik im Innenraum ist bereits ab 20.800 Euro erhältlich. Ich verstehe die Argumente, dass der Corsa-e mit 136 PS auch fast die doppelte Leistung und eine weitaus bessere Ausstattung hat. Aber es bleibt trotzdem bei knapp 35.000 Euro für einen Kompaktwagen.
Wenn also der Preis nicht ausschlaggebend ist, was dann? Die technikbegeisterten Käufer, die Early Adopter, sind inzwischen versorgt. Und es bleiben die vielen Zweifler. Besonders hier in Deutschland herrscht eine große Unsicherheit gegenüber einer elektrischen Zukunft der Mobilität. Das zeigen diverse Umfragen. Mehr als die Hälfte der Deutschen glauben demnach nicht, dass Elektroautos Verbrennungsmotoren vollständig ersetzen können. Zudem wird der Einfluss von Autos auf Umweltschäden vielen Deutschen als überbewertet angesehen.
Es braucht also einen neuen Tesla-Moment
Immer wieder haben wir in den vergangenen Jahren neue Modelle gesehen, von denen sich die Hersteller, genauso wie wir Automobil-Journalisten versprochen haben, sie würden den Markt erobern und die Elektromobilität entscheidend pushen. Mit viel Enthusiasmus haben wir über einen Hyundai Ioniq 5 oder einen Polestar 2 als neue Tesla-Jäger berichtet. Doch in den Top 10 der Verkaufszahlen des Jahres 2023 kommen diese nicht vor. Die dominiert weiterhin Tesla mit dem Model Y.
Immerhin auf Platz 5 liegt der VW ID.3. Der neue Volksstromer, wie er bei seiner Präsentation genannt wurde. Der Golf-Moment sozusagen, für die Elektromobilität. Nach den ersten Eindrücken befanden wir ihn immerhin als “nicht die verkehrteste Wahl” als Einstieg in die E-Mobilität. Von dem, was der VW Golf einmal war, ist der ID.3 aber wirklich noch weit entfernt. Mit 22.270 Neuzulassungen im vergangenen Jahr machte er 4 Prozent der neu zugelassenen Elektroautos aus. Und 0,7 Prozent aller Zulassungen. Der VW Golf selbst, im Vergleich, kommt allein im März 2024 auf 11.000 Zulassungen. Revolution sieht anders aus.
So richtig Revolutionäres ist ganz besonders bei den Herstellern aktuell einfach nicht in Sicht. Die größte Neuerung des frisch gemachten Flaggschiffs Mercedes EQS ist der neue Kühlergrill und der Mercedes Stern, der den Stromer mehr wie die benzinbetriebene S-Klasse aussehen lässt. Nach und nach steigen zwar die Reichweiten, Akkukapazitäten und die Ladeleistungen an. Doch die Batterie ist und bleibt wegen ihrer Nachteile, namentlich Preis, Gewicht und Ladedauer, das große Problem der Elektroautos. Und auch wenn immer neue Ankündigungen zu Feststoffbatterien kommen: Der Weg zum Massenmarkt ist lang und steinig.
Ist ein kleines Elektroauto die Lösung?
Revolutionsführer Tesla hat zwischendurch den Cybertruck vorgestellt. Revolutionär allemal, doch trägt der kantige Pickup nicht wirklich zur Verbreitung der Elektromobilität bei. Bereits vor einer Weile wurde von Elon Musk ein erschwingliches Modell unter 25.000 Dollar angekündigt. Ein mutmaßlich Model 2 genannter Kompaktwagen von Tesla ist aber bisher über den Status eines Gerüchts noch nicht hinausgekommen. Und auf Versprechen von Tesla sollte man nicht allzu viel geben. Fragen Sie mal einen der Vorbesteller des Tesla Roadster.
Auch VW will mit der Nummer 2 im Namen Punkten. Der ID.2 soll als Elektro-Polo-Pendant kommen und unter 25.000 Euro kosten. Vielleicht schon 2025. Sogar ein ID.1 unter 20.000 Euro ist im Gespräch. Ist dann doch der Kleinwagen die Rettung der Elektromobilität? Ganz ehrlich? Hoffentlich. Gepaart mit einem spannenden neuen Design muss es vielleicht nicht die Revolution sein, sondern die Rückbesinnung auf die wichtigen Werte und die Wünsche der Käufer. Rivian stellt gerade mit dem R3 ein Retro Hatchback vor, das mit coolem Design, einer kompakten Größe und einem hoffentlich attraktiven Preis für die Masse attraktiv sein soll. Und auch Stellantis verspricht mehr kleine Elektroautos. Unter anderem wird man in Kooperation mit Leapmotors bald chinesische Kleinwagen in Europa bauen.
Oder doch die Chinesen
Apropos China. So ungern wir das hören mögen, aber wenn einer das Potential hat, den Automobilmarkt zu revolutionieren, dann sind es tatsächlich die chinesischen Hersteller. Die überzeugen nicht nur mit niedrigen Preisen, sondern inzwischen auch mit sehr überzeugender Technik. Die Zeiten, als Autos aus China eine Lachnummer auf der IAA waren, sind lange vorbei.
So sorgt beispielsweise Xiaomi aktuell für Furore, was wir übrigens – soviel darf man an Interna auch mal ausplaudern – auch an den überdurchschnittlich hohen Zugriffszahlen bei News über den E-Auto-Neuling spüren. Kurz: Der Handyhersteller aus Fernost hat sein erstes Elektroauto vorgestellt und damit eine große Welle der Begeisterung ausgelöst. Das, was das inzwischen beerdigte Apple Car hätte werden sollen, könnte Xiaomis SU7 werden.
Ein attraktives Mittelklassemodell mit dem Versprechen von hoher Leistung, modernster Technik, großer Batterie, hoher Ladegeschwindigkeit und einem attraktiven Preis. Zumindest in China. Immerhin fast 90.000 Bestellungen gingen dort allein innerhalb von 24 Stunden nach der Vorstellung des Modells ein. Der Nachteil: Noch gibt es keine Pläne für Europa. Wir hoffen allerdings, dass wir den SU7 bald auch mal testen können.
Vielleicht geht es auch ohne Revolution
Sehen Sie die Revolution am Horizont? Hier kommt die Gegenfrage: Braucht es diese denn nun überhaupt? Vielleicht sind gerade wir Deutschen ja auch einfach mal wieder zu pessimistisch. Natürlich war der Umweltbonus ein großer Schub für die Elektromobilität. Das sollte er ja auch sein. Dass die Bundesregierung nicht auf ewig den Markt mit so hohen Subventionen stützen konnte, war doch im Grunde auch klar. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass alle Autohersteller in einer Phase großer Transformation von hohen Rohstoffpreisen, Lieferengpässen und Produktionsausfällen aufgrund einer über drei Jahre dauernden globalen Pandemie geplagt sind.
Man kann alle Zahlen ja auch mal andersrum lesen. Denn auch wenn der Anteil der Elektroautos aktuell bei den Neuzulassungen nur bei 12 Prozent liegt, so kommen dazu noch einmal 6 Prozent Plug-In Hybride und sogar 25 Prozent konventionelle Hybridfahrzeuge. Solche also, die den Verbrenner mit einem Elektromotor und kleinerer Batterie unterstützen. Das sind immerhin mehr als zugelassene Dieselfahrzeuge. Vielleicht liegt die Lösung ja darin, dass der Elektromotor langsam wächst und der Verbrenner nach und nach kleiner wird. Wer weiß?!
Der Hybrid ist auf dem Vormarsch, auch als Plug-In. In neuen Modellen wie unter anderem dem Skoda Octavia oder auch dem neuen Range Rover kann man über 100 Kilometer, also einen Großteil des Alltags, rein elektrisch zurücklegen. Bei Bedarf, bei längeren Autobahnstrecken oder auf dem Weg in den Urlaub hat man trotzdem einen Tank voll Benzin und damit hohe Reichweiten, ohne Angst vor zu wenig Ladesäulen haben zu müssen. Das verspricht gerade Neulingen einen hervorragenden Einstieg in die Elektromobilität.
Überhaupt ist der Hybrid besser als sein Ruf. Selbst ohne aufgeladenen Akku arbeiten die Hybridsysteme effizient, rekuperieren und ermöglichen so sparsames Fahren. Das Argument, dass Plug-In Hybride als Dienstwagen nur wegen der Förderung angeschafft wurden, und diese die schwere Batterie gemeinsam mit einem unausgepackten Ladekabel im Kofferraum herumkutschieren und damit die Umwelt noch mehr bellasten, ist lange überholt.
Das fossile Verbrenner-Aus für 2035 ist beschlossen. Da gibt es, auch wenn gegenteilige Stimmen das gerne laut herausposaunen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch kein Zurück mehr. Die Zulassungszahlen elektrischer und hybrider Antriebe steigen seit Jahren an. Und auch wenn die Zulassungszahlen aktuell abflachen, geht es doch stetig weiter aufwärts.
Unabhängig von kurzlebigen Zwischenständen haben sich die meisten Hersteller langfristig auf den Ausstieg vom Verbrenner eingelassen und eingestellt. Die Entwicklungen auf dem Markt, bei Fahrzeugen und bei der Batterietechnik machen Mut. Wenn man es denn auch positiv betrachten möchte. Und somit müssen wir einfach nur geduldig und optimistisch in die Zukunft schauen.
Wer weiß, vielleicht wartet am Horizont ja doch noch der ein oder andere “Elektroauto-Moment”. Mich interessiert Ihre Meinung, was das wohl sein könnte. Schreiben Sie gerne einen Kommentar.
Quelle: Handelsblatt – Warum die Preise für Elektroautos jetzt wieder anziehen / EnBW Blog – Verkaufszahlen E-Autos 2023: Die 10 Top-Modelle / ADAC – Neuzulassungen KBA / Kraftfahrt-Bundesamt – Pressemitteilung Fahrzeugzulassungen Januar 2024 / Top Gear – Everything you need to know about the Tesla Model 2 (assuming it’s still happening) / Autobild – Wie viel Corsa darf’s sein / Handelsblatt – Die Super-PHEVs kommen