Volkswagen hat auf seine Kunden gehört. Mit der Modellpflege des ID.3 merzen die Wolfsburger viele Schwächen des Kompakt-Stromers aus. Vor allem die Verbesserungen bei der Ladegeschwindigkeit sind augenscheinlich und helfen im Alltag.
Die Erwartungen waren groß, als VW den ID.3 vor drei Jahren auf den Markt brachte. Endlich ein reinrassiges Elektroauto, das den Wolfsburger Konter gegen Tesla & Co. einläuten sollte. Doch auch wenn man es in Niedersachsen nicht gerne hört, war der E-Kompakte in einigen Punkten ein unfertiges Auto, ein Schnellschuss, bei dem zudem noch der Rotstift der Controller das Geschäftsmodell auf Profit trimmte. Neben den unzureichenden Ladeleistungen (vor allem bei den kleinen Akkus), setzte es vor allem für die Hartplastik-Orgie im Innenraum herbe Kritik. Dazu kamen auch noch Software-Probleme.
Volkswagen ID.3 im Modelljahr 2023: Ein Schritt in die richtige Richtung
Mit der Modellpflege hat VW nun die Chance, diese Unzulänglichkeiten auszumerzen. Um es gleich vorneweg zu sagen, der Wolfsburger Autobauer hat diese Möglichkeit genutzt, zumindest in vielen Bereichen. Am auffälligsten sind die Verbesserungen im Interieur. Anstelle von Oberflächen, die beim Klopf- und Haptiktest dem Gehäuse eines Heim-Druckers ähnelten, greift man jetzt nach Leder oder leicht unterschäumten Bereiche. Der schwarze Klavierlack hübscht das ganze Ambiente auf, ist aber nach ein paar Handgriffen und Fingerabdrücken nicht mehr ganz so ansehnlich. Politur-Fans sollten also ein Microfasertuch parat halten.
Bei der Anordnung hat sich wenig getan. Also blickt man immer noch auf ein kleines 5,3 Zoll großes Instrumenten-Display mit rudimentären Anzeigen, das aber nach wie vor von einem guten Head-up-Display ergänzt wird, das mit Augmented Reality die Anzeigen quasi auf die Straße projiziert. Die Kommandozentrale ist also immer noch ein zwölf Zoll großer Touchscreen mit den unbeleuchteten Lautstärke Rinnen darunter. Wo wir gerade dabei sind, auch die Software hat bei unserem Testwagen einwandfrei funktioniert.
Die Darstellung des Betriebs- und Bediensystems überwältigt einen nicht gerade durch grafische Opulenz, ist eher schlicht gehalten, aber dadurch in der Handhabung eingängig. Auch die Geschwindigkeit, mit der die ausgelösten Aktionen umgesetzt werden, ist in Ordnung. Dass das System jetzt auch drahtlose Updates ermöglicht, sollte die Software stabiler halten.
Erhöhung der Ladegeschwindigkeit und Verbesserung der Assistenzsysteme
Das bringt uns zur zweiten Baustelle des ID.3, der Ladegeschwindigkeit. Da legen die Wolfsburger Techniker endlich richtig nach und befähigen die MEB-Plattform mit maximal 170 kW Strom zu tanken. Wir haben einmal sogar bei einem Laden kurzzeitig 176 kW erreicht. Auf Wunsch plant das Navigationssystem die Route so, dass mehrere kürzere Tankstopps an leistungsfähigeren Säulen eingelegt werden, um so schneller an Ziel zu kommen. Laut VW soll auch Plug&Charge, also einfach einstecken und laden, möglich sein. Wir haben die App beziehungsweise die Ladekarte genutzt. Die Reichweite des ID.3 Pro S gibt VW mit bis zu 546 Kilometern (nach dem WLTP-Zyklus) an. Um die zu erreichen, hilft auch die verbesserte Aerodynamik mit einem cW-Wert von jetzt 0,263 (bisher 0,267).
Was beim Fahren gut funktioniert, ist die Verkehrszeichenerkennung. Auch ohne aktives Navigationssystem rekuperiert die Motorbremse und verzögert, sobald eine Geschwindigkeitsbeschränkung wie zum Beispiel ein Ort naht. Der adaptive Tempomat beschleunigt und verzögert selbstständig bis zum Stand oder bis zur Höchstgeschwindigkeit, die nach wie vor bei 160 km/h limitiert ist. Da könnte VW etwas nachlegen. Allerdings bleibt der Antriebsstrang mit dem Einganggetriebe und dem 150 KW / 204 PS starken PSM-Elektromotor (Permanent erregte Synchronmaschine) identisch.
Bei den Assistenzsystemen hat sich einiges getan. Wie bald beim großen Bruder ID.7 nutzt der aufgepeppte ID.3 die Schwarmintelligenz. Wenn genug andere Autofahrer die Cloud mit Daten füttern, benötigt der Spurhalte-Assistent nur noch eine Fahrbahnmarkierung, um das Auto zu dirigieren. Wer will, kann den Parkvorgang auch aufzeichnen und beim nächsten Mal dem Robo-Piloten das Kommando überlassen. Das Fahren mit dem ID.3 bereitet Laune. Das Auto ist fertiger, runder. Dies geht schon bei den guten Sportsitzen los, auf denen man etwas hoch, aber sehr bequem mit ausreichend Seitenhalt thront.
Motorisierung und Effizienz für gut befunden
Der VW ID.3 ist mehr als ausreichend motorisiert, auch wenn die Pro S aufgrund des zusätzlichen Gewichts der 82 Kilowattstundenbatterie (netto 77 kWh) den Sprint von null auf hundert 100 km/h in 7,9 (Pro-Version mit den 62 kWh (58 kWh netto) Akkus braucht 0,6 Sekunden weniger) ist man flott unterwegs. Überholvorgänge auf Landstraßen gehen problemlos von der Hand und in Städten reicht der Antritt allemal. Durch den großen Einschlagwinkel der Vorderräder und dem daraus resultierenden Wendekreises von 10,2 Metern wieselt man sich auch um enge Ecken. Allerdings behindern nach wie vor die schräg stehenden A-Säulen die Sicht. Immerhin ist die Lenkung präzise, fühlt sich aber etwas synthetisch an. Das fällt bei einem Auto wie dem ID.3 nicht so sehr ins Gewicht wie die indifferente Bremse mit einem langen Pedalweg und einem schwer zu dosierenden Druckpunkt.
Auf längeren Etappen beeindruckt uns nach wie vor die Ruhe, die im ID.3 herrscht. Selbst bei höheren Geschwindigkeiten kann man sich fast im Flüsterton unterhalten, weder Windgeräusche noch das Surren des Elektromotors dringen in die Fahrgastzelle. Das Fahrwerk fügt sich in das mittlerweile harmonischere Bild des ID.3 ein. Trotz des beachtlichen Gewichts des Fahrzeugs von gut 1,9 Tonnen federt es Bodenunebenheiten trotzt der aufgezogenen 20-Zoll-Reifen geschmeidig weg und nur bei langen Wellen wippt die Karosserie etwas nach.
Auch beim Stromkonsum zeigt sich der Kompakt-Stromer von der sparsamen Seite. VW gibt beim ID.3 Pro S einen Durchschnittsverbrauch von 15,7 kWh/100 km an. Wir kamen bei der Testfahrt, die uns über die Autobahn und Landstraßen führte, sogar auf 14 kWh/100 km. Ein Blick auf den Langzeitmonitor ergab 18,2 kWh/100 km. Allerdings kostet der VW ID.4 Pro S mindestens 47.595 Euro und steht ab Juni beim Händler. Unser Testwagen, bei dem die Wärmepumpe mit einem Aufpreis von 990 Euro zu Buche schlägt, bringt es auf 59.745 Euro.