Mercedes Trucks setzt auch in der Baubranche voll auf die Elektrokarte. Bei der weltweit größten Baumesse in München zeigt der Nutzfahrzeughersteller erstmals den Langstreckenstromer eActros LongHaul mit einer elektrischen Schnittstelle sowie einen Prototypen des ebenfalls elektrischen Mercedes Arocs als Fahrmischer.
Bei Mercedes Trucks geht es bei der Elektrifizierung Schlag auf Schlag. Eben hat der Nutzfahrzeug-Spezialist auf der IAA Transportation einen seriennahen Prototypen des eActros LongHaul (erscheint 2024) mit bis zu 500 Kilometern Reichweite vorgestellt, legen die Schwaben jetzt nach. Auf der bauma, der wohl wichtigsten Messe des Baugewerbes, präsentiert Mercedes Trucks gleich zwei elektrische Studien nach, die für die speziellen Anforderungen des Klientels maßgeschneidert sind.
Die erste Neuigkeit scheint auf den ersten Blick nicht besonders erwähnenswert. Mercedes hat gemeinsam mit den Experten des Münchner Kipphänger-Hersteller Meiller eine elektrische Schnittstelle für verschiedene Aufleger entwickelt. Damit ist es möglich, die bisher verwendeten hydraulisch betriebenen Aufleger wie zum Beispiel Kippsattel- oder Schubbodenauflieger auch mit einem vollelektrischen Sattelschlepper zu verwenden. Ein wichtiger Schritt für das Zusammenwachsen aus alter und neuer Nutzfahrzeugwelt.
Ein hydraulischer Aufleger gemeinsam mit einem E-Lkw zu verwenden, war bisher nicht ohne Weiteres machbar. Zum Beispiel kombinierte man den Elektromotor der Zugmaschine mit einem Getriebe, um dann mittels einer extra Welle die Kraft für den Anhänger abzuzweigen. Da aber Mercedes beim eActros auf elektrische Achsen als Antrieb setzt, entfällt diese Option. Die Lösung ist ein Nebenabtrieb. Also ein eigener Elektromotor, der nur für den Betrieb des Hängers verantwortlich ist. Der auf der bauma vorgestellte Prototyp einer solchen Einheit hat eine Dauerleistung von 58 kW / 79 PS und ein Drehmoment von 300 Newtonmetern. „Die Serienversion wird eine deutlich höhere Leistung haben“, versichern die Mercedes-Truck-Techniker.
Das Prinzip bleibt. Der elektrische Nebenantrieb wandelt mittels eines auf der Rückseite des Fahrerhauses angebrachten Wechselrichters den Gleichstrom des Lkw-eigenen Hochvoltnetzes in Wechselstrom um. Diese AC-Power versorgt dann eine Pumpe mit Energie, die wiederum die Hydraulik des Auflegers antreibt. So können die gewohnten Geräte weiter benutzt werden, auch wenn man bei der Zugmaschine bereits auf Elektro umgerüstet hat.
Zudem bringt die Kombination aus E-Sattelschlepper und Hydraulik-Aufleger einige Vorteile. Im Vergleich zur Diesel-Variante ist dieses Duo deutlich leiser und emittiert kein CO2. Die kompakte Bauweise des Systems hat den großen Vorteil, dass der eActros LongHaul mit verschiedenen Standardaufliegern betrieben werden kann. Damit steht der Umstellung auf Elektro-Lkws nichts mehr im Wege.
Auch die zweite große Mercedes-Premiere steht ganz im Zeichen des E: Mercedes zeigt eine seriennahe Studie des elektrifizierten Baustellen-Lkw Arocs als „Prototype Battery-Electric Arocs“. Eine Herausforderung für die Techniker. Denn der Arcos ist der Mercedes-Trucks-Lkw für die ganz harten Dauer-Einsätze. Deswegen müssen alle Elemente des E-Trucks besonders robust und widerstandsfähig sein. Um diese Aufgabe zu stemmen, haben sich die Schwaben mit der Paul Group zusammengetan, die den Arocs mit einem elektrischen Antriebsstrang versehen. Um die bewährten Außenplanetenachsen des Diesel-Arocs weiter zu nutzen und die für den Baustelleneinsatz wichtige Bodenfreiheit und Geländegängigkeit zu gewährleisten, ist der E-Arocs mit einem zentralen Elektromotor ausgestattet.
Der Baustellen-Stromer soll 2023 in einer Kleinserie erscheinen und als Vier- oder Dreiachser erhältlich sein. Als Aufbauten sind zu Beginn Liebherr-Fahrmischer, Pritschen- und Kippanwendungen verfügbar. Der elektrische Antriebsstrang hat eine Dauerleistung von 300 kW / 408 PS sowie eine Spitzenleistung von mehr als 400 kW / 544 PS.
Um allen Reichweitenanforderungen und Einsatzvarianten gerecht zu werden, kann der Battery-Electric Arocs entweder mit sechs oder sieben Batteriepaketen mit jeweils 60 Kilowattstunden nutzbarer Kapazität bestückt werden. Damit sollen Reichweiten von mehr als 200 Kilometern möglich. Das 800-Volt-Bordnetz ermöglicht schnelle Ladezeiten: So sind die sechs Akkus an einer 150-kW-Ladesäule innerhalb von 90 Minuten von 20 auf 80 Prozent geladen werden.