„Die gesamte Automobilindustrie befindet sich noch immer mitten in der größten Transformation ihrer Geschichte. Die Technologie verändert sich massiv“, erklärt Felix Mogge, Senior Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger, in einem Interview mit Automobil-Produktion. Mogge berät Unternehmen entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette und ist Spezialist für die weltweite Automobilzulieferindustrie.
Der Branchenexperte sagt, dass die „nachlassende Dynamik im Wandel hin zur Elektromobilität vor allem in Nordamerika und in Europa natürlich eine große Belastung für alle Zulieferer“ sei, die damit befasst sind. Viele Unternehmen hätten „für die nächsten beiden Jahre ein deutliches Wachstum in dem Bereich eingeplant“, entsprechend seien Investitionen getätigt worden. Nun entwickelt sich der Elektroauto-Markt langsamer als erwartet, womit den Zulieferern jetzt „die entsprechenden Deckungsbeiträge fehlen, weil die Produktionsvolumina nicht in dem Maße erreicht werden können.“
Das zeige „recht schonungslos, dass die Elektromobilität schlicht und ergreifend noch kein profitables Geschäft ist“, so Mogge, was nicht nur die Zulieferer, sondern auch die Hersteller betreffe. Zulieferer hätten sich gar „in den letzten fünf Jahren einen ruinösen Preiswettbewerb um Marktanteile geliefert“, und der Branchenexperte geht davon aus, dass die daraus resultierenden Effekte „noch eine ganze Zeit lang in den Ergebnissen der Zulieferer“ sichtbar sein dürften – „völlig unabhängig davon, wie stark sich die Nachfrage der Kunden nach E-Fahrzeugen entwickelt“.
Allerdings sei es auch trügerisch, sich auf Erlösen mit Verbrennerkomponenten auszuruhen. „Natürlich hilft ein höheres Geschäftsvolumen mit Verbrennerkomponenten kurzfristig bei der Umsatz- und Ergebnissituation in diesem und wahrscheinlich auch im kommenden Jahr“, sagt Mogge in dem Interview. Das allerdings ändere „nichts an der Tatsache, dass vor allem im Pkw-Bereich in vielen Teilen der Welt der Verbrennungsmotor eine auslaufende Technologie ist“.
„Je später ein Unternehmen damit beginnt, desto schmerzhafter wird der Prozess“
Der Markt für Verbrenner-Komponenten werde „in den nächsten fünf bis zehn Jahren dramatisch rückläufig sein“, sagt der Branchenexperte. Zulieferer müssten entsprechend „Kapazitäten abbauen und konsolidieren“ und andere Geschäftsfelder erschließen. „Je später ein Unternehmen damit beginnt, desto schmerzhafter wird der Prozess“.
Für Mogge müsse sich die gesamte Autoindustrie in einigen entscheidenden Fragen einig werden, etwa wie Hersteller und Zulieferer gemeinsam Lösungen finden können, mit denen die Technologien im Fahrzeug in Summe günstiger werden und Autos und insbesondere Elektroautos somit für Käufer wieder attraktiver werden. Diese Diskussionen können „nur auf Augenhöhe gelingen. Am Ende brauchen beide Seiten sich gegenseitig“, so der Branchenkenner.
Festhalten müsse man aber auch: „Die Transformation der Industrie kam nicht über Nacht. Jedes Unternehmen hatte ausreichend Zeit, sich darauf einzustellen“, so Mogge. Vielen sei das „auch gut gelungen“ und es liege in der Natur der Sache, dass „jede Veränderung neben Gewinnern auch Verlierer produziert“.
„Es gibt eine halbe Billion Euro zu verteilen“
Der Senior Partner bei Roland Berger nennt auch einige Bereiche, die in den kommenden Jahren wachsen werden und hohe Gewinne in Aussicht stellen: „Die Wachstumsbereiche sind vor allem der elektrische Antrieb, das Thermomanagement, Elektronik, das autonome Fahren und Software“, so Mogge. „In diesen Bereichen werden im Jahr 2030 voraussichtlich 250 Milliarden Euro mehr erlöst als heute“.
Hinzu komme der Bereich der Batterien für Elektroautos, bei dem „nochmal ungefähr 250 Milliarden Euro“ hinzukommen sollen. „Das bedeutet, es gibt eine halbe Billion Euro zu verteilen“, sagt Mogge. Dies alles bedeute in Summe, dass „Elektronik- und Softwarekompetenzen in den nächsten Jahren nochmals deutlich wichtiger werden für Zulieferer als sie das heute schon sind“.
Im Umkehrschluss bedeute das aber auch, „dass das Geschäft im Bereich der mechanischen Komponenten und für Verbrennungsmotoren bis etwa 2030 um mindestens 50 Milliarden Euro zurückgeht – mit der Konsequenz, dass am Ende des Tages nicht genügend Geschäft für alle übrig bleibt.“
Quelle: Automobil-Produktion – „Die Elektromobilität ist noch kein profitables Geschäft“