Renault Trucks E-Tech T: Elektro-Lkw fahren macht Laune

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Renault Trucks

Vanessa Lisa Oelmann
Vanessa Lisa Oelmann
  —  Lesedauer 5 min

Da steht er also vor mir: Der vollelektrische Renault Trucks E-Tech T. Und ich? Nervös wie beim ersten Date. Ich habe zwar schon meine Erfahrungen mit elektrischen Brummis gesammelt – einmal durfte ich im Tesla Semi auf der IAA mitfahren und beim e4-Testival bin ich neben Elektrotrucker Tobias Wagner im Iveco S-E-way über den Hockenheimring gebrettert. Aber selbst am Steuer? Fehlanzeige – bis jetzt.

Erst mal umständlich und wenig elegant reinklettern. Innenraum checken. Und was soll ich sagen: Ich habe mit rustikalem Plastik-Chic gerechnet – schließlich reden wir hier von einem Arbeitstier und keinem Luxusliner. Doch Renault hat sich echt Mühe gegeben: dunkelblaue Akzente am Lenkrad, knallrote Gurte und schicke Ziernähte. Da kann man für einen Augenblick fast vergessen, dass rundherum immer noch Hartplastik regiert.

Und dann die Ausstattung, ich fühle mich wie in einem mobilen Tiny House: Kühlfach für die Erfrischung zwischendurch, elektrische Jalousien als Schutz vor der brütenden Sonne und – mein persönliches Highlight – eine elektrisch zu öffnende Dachluke. Oben ohne auf Knopfdruck, als Lkw-Neuling bin ich echt baff. Und weil man es sich ja auch mal gemütlich machen darf, teste ich die Matratze hinter den Sitzen natürlich gleich mal. Mein Verdikt: Überraschend bequem. Nichts von wegen Schaumstoff, sondern Federkern. Ich hätte dort glatt meinen Mittagsschlaf nachholen können, aber dafür ist keine Zeit, denn jetzt geht es ans Eingemachte.

Lässt sich (fast) bedienen wie ein Pkw

Wie startet man so einen Elektro-Lkw, fragt ihr jetzt vielleicht? Tatsächlich mittels eines klassischen Start-Stopp-Knopfs, der im Fall des Renault E-Tech T links unterhalb des Touchscreens angebracht wurde. Auch der Gangwahlhebel hinterm Lenkrad funktioniert sehr ähnlich wie bei einem regulären Pkw. Irgendwie hatte ich mir das umständlicher vorgestellt. Ein wenig verwirrt bin ich dann aber doch, als ich im digitalen Tachodisplay nach einer Bestätigung dafür suche, dass ich mich wie gewünscht in der Fahrstufe D befinde.

Renault Trucks

So etwas gibt es hier nicht, erklärt Yannick Thömke, Verkaufsberater bei Renault Trucks und Supervisor meines ersten Fahrversuchs. Im unteren Teil des Tachodisplays kann ich den Code „A8“ lesen, und damit ist nicht die Autobahn zwischen Luxemburg und Österreich gemeint, sondern die von mir gesuchte Bestätigung, dass ich jetzt losfahren kann, also löse ich die elektrische Handbremse. Schnell die neugierig guckenden Kollegen mittels Lichthupe aus dem Weg scheuchen und dann vorsichtig aufs Fahrpedal treten. Immerhin kommt der E-Tech T mit 666 elektrischen Pferdchen daher und wenngleich ich keine sportliche Auslegung der Gaskennlinie erwarte, will ich nichts riskieren.

Super leise und überraschend wendig

Der dunkelblaue E-Brummer rollt lautlos mit 2 km/h voran. Nachdem ich mich aus der Parklücke herausgearbeitet habe, beschleunige ich auf etwa 10 km/h. Schneller werde ich auf meiner Fahrt auch nicht. Wir befinden uns auf dem Werkstattgelände von Volvo Trucks und Renault Trucks und ich muss den Koloss regelmäßig durch kreuz und quer geparkte Lkw manövrieren. Fahranfänger-Bonus: Wir haben natürlich keinen Auflieger hinten dran, aber das Fahrzeug ist trotzdem verdammt groß und anfangs schwer einzuschätzen.

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Aber Überraschung: Lücken, die ich vorher als „Mission Impossible“ abgestempelt hatte, kann ich locker passieren. Ein dickes Dankeschön geht raus an die Armada von Außenspiegeln und die relativ hoch aufgelöste Rückfahrkamera. Die himmlische Ruhe im Innenraum war zu erwarten, haut mich aber trotzdem um. Kein Rattern, kein Brummen, nur leises Surren – fast schon meditativ. Am lautesten sind die pneumatischen Pfeifgeräusche, deren Herkunft ich nicht immer klar verorten kann. Ich wette, selbst eingefleischte Verbrenner-Trucker würden sich nach einer Tour in einem vollelektrischen Lkw nie wieder in ein Diesel-Pendant setzen wollen.

Großer Verbrauch für ein E-Auto, kleiner Verbrauch für einen Elektro-Lkw

Beim Blick auf den Bordcomputer meldet sich dann doch der Technik-Nerd in mir: Was macht eigentlich der Verbrauch? 40,4 kWh pro 100 Kilometer auf meiner Runde. Und dann finde ich auf dem Hauptdisplay die Information, dass das Ding kürzlich 3017 Kilometer abgerissen hat – mit einem Durchschnittsverbrauch von 111 kWh pro 100 Kilometer. Das klingt natürlich nach einem Verbrauch direkt aus der Hölle, aber wenn man bedenkt, dass es sich hier um einen Schwerlast-Lkw handelt, ist das ein wirklich guter Wert. Bei Diesel-Lkw, um das ganze einzuordnen, liegt der Verbrauch auch bei mehr als 30 bis 40 Litern.

Konfigurieren lassen sich derzeit Batteriepakete von 390 bis 540 kWh Kapazität, zu einem späteren Zeitpunkt sollen bis zu 800 kWh verbaut werden können. Möglich gemacht wird das mittels einer cleveren E-Achse, die ordentlich Platz für Extra-Batterien schafft sowie Elektromotoren und Getriebe in einem einzigen Bauteil vereint. So soll der Elektro-Koloss künftig mehr als 600 Kilometer Reichweite schaffen.

Renault Trucks / Milence

Aber braucht jeder künftige Kunde einen so großen Akku? Natürlich ist ein vollelektrischer Lkw kein Schnäppchen – knapp über das Doppelte kostet der E-Tech T verglichen mit seinem Diesel-Pendant –, und Renault weiß das auch. Die hohen Anschaffungskosten lassen sich zwar mit der Zeit durch die bis Ende 2025 entfallende Maut für Lkw mit alternativen Antrieben, die Treibhausgasquote sowie diverse Förderprogramme amortisieren, aber die Rechnung geht nur auf, wenn die Batteriegröße zum Einsatz passt – sonst wird’s schwer und teuer. Doch mit cleveren Simulationstools und dem geplanten Ausbau der Ladeinfrastruktur mittels Joint Venture Milence will Renault Trucks die Elektromobilität im Schwerlastverkehr ordentlich pushen.

Die Zukunft ist elektrisch – auch für Langstrecken-Lkw

Ich bin ehrlich: Hätte mir jemand vor ein paar Tagen gesagt, dass ich mich mal in einen Lkw verlieben würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Aber der Renault E-Tech T hat mir echt gut gefallen – nicht nur in puncto Komfort und Technik, sondern vor allem mit diesem lässigen, leisen Fahrgefühl. Diesel war gestern, die Zukunft des Schwerlastverkehrs wird in den allermeisten Fällen elektrisch sein. Und sollte ich irgendwann keine Lust mehr haben, reguläre Elektroautos zu testen, werde ich vielleicht zu Trucker Babe aka Elektrotrucknessa – klingt doch cool, oder?

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Vanessa Lisa Oelmann

Vanessa Lisa Oelmann

Vanessa Lisa Oelmann ist 27 Jahre alt und seit 2019 vollelektrisch mit ihrem BMW i3 unterwegs. Nach ihrem abgeschlossenen International Business Studium ist sie nun als freiberufliche Automobiljournalistin tätig und engagiert sich nebenher im sozialen Bereich. Zudem hat sie ein großes Faible für Luxusgüter und Fotografie. Wenn sie nicht gerade versucht, ihre Freunde und Familie zum Elektromobilistendasein zu konvertieren, ist sie meist in diversen Autohäusern oder auf Meet-Ups mit anderen (elektro)autobegeisterten Leuten anzutreffen.

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ioniqKnechter:

@ediwi
Dazu hättest du erwähnen können, das 111 kWh/100 km elektrische Energie umgerechnet 11,3 Liter Diesel entsprechen.

Da der Renault E-Tech mit dem Iveco e Way technisch fast baugleich ist, war der Verbrauch zu erwarten.
Den hat der elektrotrucker in der Praxis bewiesen.

Markus:

Batterien immer voll laden ist nur nützlich wenn gleich genutzt wird. Am wohlsten fühlen sich Batterien bei um die 50% und sie da meist zu betreiben ist bei einer größeren Batterie am besten. Denn hin und wieder entspannt weiter damit fahren können ist ein großer Pluspunkt

MMM:

„Bedarfsgerecht“, wenn sich die durchschnittliche Fahrleistung tatsächlich auch immer auf die Tage verteilt, und jeden Tag geladen wird. Das gibt es ja, aber nicht nur.
Wer 1x die Woche 100 km ins Büro fährt, dem nutzt eine Reichweite von 50 km nichts, obwohl er durchschnittlich nur 20 km fährt pro Strecke fährt. Und dem, der nicht jeden Tag unkompliziert laden kann, nutzt es auch nichts.

Daniel W.:

—–
Konfigurieren lassen sich derzeit Batteriepakete von 390 bis 540 kWh Kapazität, zu einem späteren Zeitpunkt sollen bis zu 800 kWh verbaut werden können. … So soll der Elektro-Koloss künftig mehr als 600 Kilometer Reichweite schaffen.

… aber die Rechnung geht nur auf, wenn die Batteriegröße zum Einsatz passt – sonst wird’s schwer und teuer.
—–

Wichtig ist die bedarfsgerechte Akkugröße bei den Speditionen, damit sich die Sache möglichst schnell bzw. überhaupt rechnet.

Ich habe ein sehr kleines „Kraftfahrzeug“ (Seniorenmobil) und wenn ich max. 10 km am Tag fahre, dann brauche ich keinen Akku für 100 km.

Bei den vielen Autofahrern mit durchschnittlich 35 km am Tag wird es mit der bedarfsgerechte Akkugröße wohl nichts, hier regiert die Reichweitenangst.

ediwi:

@Vanessa Lisa Oelmann,
einen kleinen, sehr nützlichen Satz könnten Sie Ihrem Artikel noch hinzufügen.
Sie vergleichen dort den Durchschnittsverbrauch des E-LKW von 111 kWh pro 100 km mit 30 – 40 Litern Diesel pro 100 km.
30 – 40 Liter Diesel pro 100 km entsprechen umgerechnet ca. 294 – 392 kWh pro 100 km (Heizwert 9,8 kWh/l).
Quelle: Wikipedia – Energiedichten im Vergleich.
Der E-LKW geht mit der eingesetzten Energie also sehr viel effektiver um.

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