PtX-Atlas zeigt Potenziale für grünen Wasserstoff in Kenia

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Fraunhofer IEE

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Grüner Wasserstoff und seine Derivate wie Ammoniak gelten als unverzichtbarer Schlüssel für eine nachhaltige Energiezukunft und zur Dekarbonisierung der Industrie. Einen wichtigen Beitrag dazu will eine neue interaktive Karte leisten, die geeignete Standorte für die Ammoniakproduktion in Kenia identifiziert. Der Kenya PtX-Atlas wurde vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE auf Basis eines Reports entwickelt, der in Zusammenarbeit mit der H2Global Stiftung und der Strathmore University in Kenia erstellt wurde. Der Atlas ist Teil des vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) mit 4,2 Millionen Euro geförderten Projekts „H2Global meets Africa“. Das Projekt wird gemeinsam von Fraunhofer IEE, der H2Global Stiftung und der OTH Regensburg durchgeführt.

Der Atlas dient als datenbasiertes Werkzeug zur Förderung lokaler Wertschöpfung, internationaler Investitionen und einer klimaneutralen Energieversorgung. Die Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung ist ein globales Vorhaben. Um ambitionierte Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind internationale Zusammenarbeit und verlässliche Investitionsbedingungen entscheidend.

Als Open-Data-Tool unterstützt der Kenya PtX-Atlas diese Strategie, indem er erstmals das techno-ökonomische Potenzial für die Herstellung von grünem Wasserstoff und Ammoniak in Kenia umfassend visualisiert. Die öffentlich zugängliche Karte richtet sich an politische Entscheidungsträger, Energieunternehmen, Projektentwickler und Investoren in Kenia, Europa und weltweit. Auch Privatpersonen können das Tool nutzen, um die Eignung und potenzielle Wertigkeit eigener Flächen für die Nutzung zu prüfen. Ziel ist es, Investitionen auf wissenschaftlich fundierter Grundlage anzustoßen und partnerschaftliche Strukturen zu fördern.

„Der Kenya PtX Atlas liefert wichtige Daten. In Kombination mit dem Engagement lokaler Interessengruppen, deren Wissen und kritischer Analyse kommt er besonders gut zur Geltung, wie der Ammoniak-Report von H2Global für Kenia zeigt. Dieser integrierte Ansatz ist unerlässlich, um das volle Potenzial von Wasserstoff zu verstehen und fundierte Entscheidungen in Politik und Privatwirtschaft zu ermöglichen“, sagt Susana Moreira, Executive Director der H2Global Stiftung.

Die im Kenya PtX-Atlas dargestellten Daten und Analysen basieren auf dem Report „Renewable Ammonia: Kenya’s Business Case“, der von der H2Global Stiftung initiiert und geleitet wurde. Im Rahmen dieser gemeinsamen Initiative übernahm das Fraunhofer IEE die GIS-gestützte Standortauswahl und -optimierung, die H2Global Stiftung führte die Finanzanalyse durch, und die Strathmore University unterstützte den Prozess, indem sie die Einbindung relevanter kenianischer Akteure ermöglichte. Die Analyse folgt der Wasserstoffstrategie Kenias von 2023, die erneuerbaren Wasserstoff als strategische Chance für eine nachhaltige sozioökonomische Entwicklung identifiziert. Ziel des Reports war es, konkrete Geschäftsmodelle für die Produktion und Nutzung von grünem Ammoniak in Kenia zu untersuchen und so die Projektentwicklung im Einklang mit den nationalen Ambitionen zu fördern.

„Mit dem Kenya PtX-Atlas schaffen wir Transparenz über konkrete Geschäftsmodelle für grünen Ammoniak in Kenia auf Grundlage regionaler Daten, ökonomischer Analysen und strategischer Marktabschätzungen“, sagt Christoph Zink, Projektverantwortlicher am Fraunhofer IEE.

Ein zentrales Element des Kenya PtX-Atlas ist die Land Suitability Analysis, die die Eignung potenzieller Standorte für Wind-, Solar- und Hybridanlagen detailliert bewertet. Dabei werden einzelne Flächenpixel anhand von mehr als 30 technischen Ausschluss- und Bewertungskriterien analysiert und auf einer Skala von 0 bis 100 bewertet. Zusätzlich bietet die Aggregation auf County-Ebene eine übersichtliche Darstellung der regionalen Potenziale, die nach Energietyp filterbar ist. Diese differenzierte Standortbewertung ermögliche eine präzise Identifikation geeigneter Flächen für die nachhaltige Produktion von grünem Ammoniak, so das Fraunhofer IEE.

Vier Regionen mit großem Potenzial für grünen Ammoniak

Im Zentrum des Reports „Renewable Ammonia:Kanya’s Business Case“ stehen vier ausgewählte Regionen, die aufgrund ihrer natürlichen Ressourcen und infrastrukturellen Voraussetzungen besonders geeignet sind: Turkana Central und Turkana South im Norden des Landes nahe dem Turkana-See, die Region Kisumu am Victoriasee sowie die Greater Mombasa Region an der Küste des Indischen Ozeans.

Auf Grundlage einer GIS-gestützten Potenzialanalyse sowie standortscharfer Simulationen der Wind- beziehungsweise PV-Einspeisung mit historischen Wetterdaten wurden Modellrechnungen zur wirtschaftlichen Produktion von grünem Ammoniak durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen: Die Gestehungskosten liegen zwischen 941 Euro/Tonne NH₃ (Turkana South) und 2743 Euro/Tonne NH₃ (Kisumu). Obwohl diese Werte noch über denen konventionell erzeugter, fossil-basierter Ammoniakprodukte liegen, kommt der Report zu dem Schluss, dass durch Weiterverarbeitung zu Düngemitteln rentable Märkte im Inland bedient werden können. Dadurch wird nicht nur ein Beitrag zur lokalen Wertschöpfung geleistet, sondern auch zur Resilienz gegenüber globalen Preisschwankungen.

Open-Data-Tool für Projektentwicklung und politische Entscheidungsfindung

Der Kenya PtX-Atlas wird als Open-Data-Tool frei zugänglich gemacht. Er erlaubt standortgenaue Abfragen zu Erzeugungskosten, Volllaststunden oder lokalen Ressourcen und dient als zentrale Entscheidungsgrundlage für die Planung und Entwicklung von PtX-Projekten – sowohl für lokale als auch internationale Akteure.

Langfristig soll das Tool zur Förderung partnerschaftlicher Zusammenarbeit auf Augenhöhe beitragen. Mit dem Kenya PtX-Atlas wurde eine datenbasierte Grundlage geschaffen, um vor Ort Strategien zur Wasserstoffwirtschaft zu entwickeln und Investitionen gezielt zu steuern. Gleichzeitig eröffnet sich Europa eine neue Perspektive für den Import klimaneutraler Energieträger als Beitrag zum Erreichen eigener Klimaziele und zur Versorgungssicherheit.

Das Fraunhofer IEE sieht Potenzial, das zugrunde liegende Konzept auch auf andere Länder und Regionen zu übertragen. „Vergleichbare Potenzialanalysen ließen sich entsprechend entwickeln und anwenden. Mit dem Kenya PtX-Atlas wollen wir eine transparente Grundlage für eine verlässliche und nachhaltige internationale Zusammenarbeit schaffen“, erklärt Christoph Zink.

Afrikas Energiewende mitdenken

Ein wesentliches Ziel ist es, grüne Wasserstoffprodukte nicht nur als Exportgut zu denken, sondern auch als Impulsgeber für eine nachhaltige Energiewende in den Partnerländern. In Kenia kann die PtX-Produktion die lokale Defossilisierung unterstützen, etwa durch den Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung, neue industrielle Anwendungen und lokale Wertschöpfung auf Basis heimischer Ressourcen wie Ammoniak oder Stahl.

Der Kenya PtX-Atlas macht deutlich: Grüner Ammoniak ist nicht nur ein Exportprodukt, sondern auch ein Hebel für nachhaltige Industrialisierung und Energiesouveränität in Kenia. Die Visualisierung konkreter Potenziale legt dafür den Grundstein.

Der Kenya PtX-Atlas sei ein erster wichtiger Schritt, um internationale Potenziale für Power-to-X-Anwendungen systematisch, transparent und datenbasiert darzustellen, so das Fraunhofer IEE. Perspektivisch bestehe die Option, den Atlas künftig auf weitere Länder, Regionen oder alternative PtX-Pfade auszuweiten und so noch breitere Anwendungsmöglichkeiten aufzuzeigen und die „energymaps“-Produktpalette am Fraunhofer IEE sukzessive zu erweitern. Ziel ist es, die Plattform kontinuierlich weiterzuentwickeln und neue Erkenntnisse in die internationale Zusammenarbeit einzubringen.

Quelle: Fraunhofer IEE – Pressemitteilung vom 29.07.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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