Allen Unkenrufen und E-Fuel-Fantasien zum Trotz wird die Sportwagenmarke Porsche zunehmend elektrisch. Bald kommt mit dem Macan das zweite vollelektrische Modell auf den Markt, nach und nach werden weitere folgen. Eine feste Größe im Portfolio ist inzwischen der Taycan als erstes ausschließlich elektrisches Modell von Porsche. Auch wenn der Autor grundsätzlich ein Freund kompakter und effizienter Elektroautos ist und sich sowohl aus finanziellen als auch persönlichen Gründen weit von einem Porschefahrertum entfernt sieht, durfte er nun den Taycan Turbo eine Woche lang testen.
Mit Launch Control und Overboost leisten die Elektromotoren des Taycan Turbo bis zu 500 kW (680 PS) und prügeln bis zu 850 Newtonmeter Drehmoment auf die Straße. Der Sportwagen ist knapp fünf Meter lang und knapp 2,4 Tonnen schwer – sucht aber in Sachen Agilität dennoch seinesgleichen. Was beim Test besonders aufgefallen ist:
Drei Pluspunkte zum Porsche Taycan Turbo
Die Sportlichkeit: Der Taycan Turbo bringt alles mit, was von einem Sportwagen erwartet wird – und sogar mehr als das. Die Beschleunigung ist brachialer Irrsinn: Mit Launch Control aus dem Stand schießt der Wagen wie mit der Schleuder losgeschossen davon. Mehrere Mitfahrer wollten dies innerhalb dieser Woche auch einmal erleben, entweder stiegen sie je nach Achterbahntauglichkeit mit sehr breitem Grinsen oder recht traumatisiert aus dem Porsche wieder aus. Wer diesen unfassbaren Schub nach vorne erlebt und dennoch von unemotionalen Elektroautos faselt, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Doch der Taycan Turbo ist nicht nur eine Rakete im Geradeausfahren. Nicht zuletzt durch den schweren Akku liegt der Porsche wie ein Brett auf der Straße, es gibt auf Landstraßen nur schwerlich eine Kurve zu finden, die der Wagen nicht mit 100 Stundenkilometern schaffen würde – vorausgesetzt der Fahrer lenkt schnell genug. Die Lenkung ist aber wahnsinnig präzise, selbst bei mehr als 200 Stundenkilometern auf der Autobahn – 260 sind in der Spitze möglich – hat der Fahrer das Gefühl, den Taycan zentimetergenau navigieren zu können. Viel mehr Fahrspaß geht kaum!
Der Luxus: Neben der überbordenden Sportlichkeit und Kraft bietet der Taycan zudem jede Menge Luxus – vor allem natürlich im mit Extras nur so zugestopften Testfahrzeug. Hochwertige und sehr gut verarbeitete Materialien, außerordentlich bequeme Sitze mit gutem Seitenhalt und sehr gute Assistenzsysteme machen auch Langstreckenfahrten sehr angenehm. Praktisch sind auch Kleinigkeiten wie eine zweite Ladeklappe für das AC-Laden links (CCS gibt es nur rechts), die aus dem Taycan aber – anders als von aufmerksamen Beobachtern angenommen – nicht zum Plug-in-Hybriden macht.
Die Ladeperformance: Der Taycan lädt wie er fährt: 800-Volt-Technik und bis zu 270 kW Ladeleistung (im Test waren es um die 250 kW in der Spitze) sprechen für sich. Bei Verbrauchswerten von um die 25 kWh pro 100 Kilometer (oder bis zu 40 kWh bei besonders artgerechter Haltung) lässt sich gut Strecke machen, zumal der Akku in Windeseile wieder aufgeladen ist. Zudem ist die Ladeplanung sehr gut ausgefeilt und die Berechnung des Ladestands unterwegs sehr genau. So lässt es sich auch auf lange Strecken entspannt starten, ohne sich vorher irgendwelche Gedanken darüber machen zu müssen, wo man denn laden müsste. Besonders extravagant wäre dies freilich in der ersten Porsche Charging Lounge in Bingen möglich – einer Gated Loading Community für Taycan- und bald auch Macan-Fahrer.
Drei Minuspunkte zum Porsche Taycan Turbo
Der Preis: Der Taycan ist kein Volkswagen, aber das will er ja auch gar nicht sein. Der vollausgestattete Testwagen bringt es auf mehr als 193.000 Euro Listenpreis. Der Standard-Taycan ohne allzu viel Chichi ist immerhin für weniger als 100.000 Euro zu haben. Damit bleibt der Taycan für die meisten Fans von Elektroautos ein Traumauto – aber ein rundum begehrenswertes. Natürlich kann man die Frage stellen, ob ein Elektroauto – also ein Fahrzeug mit an sich besonders effizienter Antriebsform – derart performant und unvernünftig sein muss. Doch es gibt gerade in Deutschland einen Markt für besonders sportliche und besonders luxuriöse Fahrzeuge – daran wird auch die Mobilitätswende so schnell nichts ändern. Und da ist ein Taycan Turbo immer noch die deutlich klimaschonendere Wahl als ein vergleichbares Biest mit Verbrennungsmotor – wobei die abnorme Beschleunigungswucht ohnehin nicht mit Verbrenner-Sportlern vergleichbar ist.
Die Verbrennertugenden: Porsche hat viel dafür getan, dass sich auch eingefleischte Verbrennerfans im Taycan wohl fühlen. So gibt es einen Soundgenerator, der den klassischen und für viele mit solchen Fahrtugenden verbundenen Verbrennersound in ein durchaus stimmiges Raumschiffgeräusch umkomponiert. Auch One Pedal Drive, wie es viele Elektroauto-Fans mögen, ist im Taycan nicht zu finden. Gebremst wird allein mit der Bremse – und wenn es sein muss, dann mit der selben organbewegenden Brachialität wie der Taycan beschleunigt – wohlgemerkt bei voller Rekuperation. Das mag manchen gefallen, als Elektroauto-Fan würde man sich aber zumindest optional auch etwas mehr typisch elektrische Tugenden wünschen. Aber immerhin der Soundgenerator lässt sich auch abschalten.
Der Preis: Wurde bereits auf den Preis hingewiesen? Knapp 200.000 Euro! Da gibt es in zugegebenermaßen etwas abgelegeneren Teilen Deutschlands ganze Häuser für. Wem der Taycan Turbo in Sachen Wucht (und Preis) immer noch zu wenig ist, der findet mit dem Turbo S sogar noch eine leistungsstärkere Variante im Porsche-Portfolio. Da gehen die Preise ohne all dem Chichi aber schon bei knapp 200.000 Euro los.
Fazit
Der Porsche Taycan Turbo ist ein elektrisches Traumauto, das sich nur wenige werden leisten können – und er ist der Schöne und das Biest zugleich. Aber es ist ein Fahrzeug, das eindrucksvoll zeigt, dass selbst die sportlichsten Fahrzeuge aus der Verbrennerwelt problemlos vollelektrisch ersetzt werden können. Jeder, der Elektroautos als langweilig bezeichnet, sollte gezwungen werden, einmal einen Taycan zu fahren – die Heilung ist nahezu gewiss.
Disclaimer: Das Testfahrzeug wurde von Porsche für eine Woche kostenlos zur Verfügung gestellt. Ein erster ausführlicher Testbericht ist bereits in der Fuldaer Zeitung erschienen.