Der erste polnische elektrische Lieferwagen wird auf der Grundlage des Fiat Doblo gebaut. Damit setzt abermals eine lange Tradition der polnischen Autoindustrie und der Zusammenarbeit mit der italienischen Marke fort. Der Hersteller Fabryka Samochodów Elektrycznych (FSE) aus Bielsko-Biała rechnet damit, dass der Absatz für den ersten polnischen E-Lieferwagen bis 2025 auf 10.000 Stück jährlich steigen könnte.
Allerdings kam der Wagen bisher nur auf eine Reichweite von 130 Kilometern bei einer Batterieleistung von 33,2 kWh. Um jedoch eben diese Schwächen auszugleichen, wurden inzwischen Solarzellen auf dem Dach des Wagen montiert, die für eine zusätzliche Energiezufuhr sorgen sollen. Für das nötige Upgrade sorgten neue Partnerunternehmen und Förderinstitutionen.
FSE ist jedoch kein Erfolgsgarant. Dies zeigte sich vor rund zwei Jahren, als das Unternehmen ankündigte, auf der Basis des Fiat 500 in Zusammenarbeit mit Mazda das erste polnische E-Auto FSE 01 bauen zu wollen. Inzwischen ist es verdächtig still um das Projekt geworden. Kontroversen gibt es vor allem um den Chef von FSE Thomas Hajek. Er wird gern als Slowake vorgestellt. Dabei verweist das Onlineportal Interia darauf, dass Hajek eher als Geschäftsmann mit deutschem Hintergrund bezeichnet werden sollte, da er in Berlin und Köln seine Ausbildung gemacht hat und später an verschiedenen Standorten für Fiat, Mazda und Maserati tätig war. In Polen niedergelassen hat sich Hajek schon vor Jahren und arbeitete dort u.a. als Manager für Wielton, die Anhänger für den Güterverkehr und die Landwirtschaft herstellen. Der medienaffine Hajek ist inzwischen für seine vorschnellen Ankündigungen bei den polnischen Medien bekannt.
Diesmal soll der FSE M jedoch nicht wie vorher der elektrische PKW FSE 01 still und leise aus dem Rampenlicht verschwinden. Dafür wurden zuverlässige Partner gefunden. Im Gegensatz zum FSE O1 wird die Entwicklung des FSE M von einem Forschungs- und Innovationsprogramm INNOMOTO begleitet. Insgesamt 1,2 Millionen Euro werden von INNOMOTO beigesteuert. Vorher basierte die Finanzierung auf einer Gruppe internationaler Investoren und einer Crowdfundingaktion. Ein weiterer kompetenter Partner ist das EIT Urban Mobility European Institute of Innovation & Technology mit Sitz in Budapest. Von besonderem Interesse sind hierbei Sharing- und urbane Mobilitätskonzepte, die eine Möglichkeit für den Absatz des FSE darstellen könnten. Die Mitwirkung dieses gesamteuropäischen und renommierten Partners soll der FSE die Möglichkeiten des Kontaktes mit Zulieferern und Abnehmern im europäischen Raum eröffnen. Auf der Basis dieser Zusammenarbeit wurden bereits erste Vertriebsstrukturen in Polen und Deutschland skizziert. Eine Absichtserklärung des Autovermieters SIXT Poland für den Kauf der FSE-Fahrzeuge liegt ebenfalls vor.
Nach dem Ende des Programms INNOMOTO soll der E-Lieferwagen nun der kommerziellen Nutzung zugeführt werden. Finanziert wurde der Entwicklungsprozess im Rahmen des Nationalen Zentrums für Forschung und Entwicklung. Laut Hajek steht der E-Lieferwagen nun vor der Aufnahme der Serienproduktion. Im Angebot befinden sich die Modelle FSE S, FSE M und FSE L, die sich jeweils durch Ladelast und der Ladefläche unterscheiden. Um die Weiterentwicklung des FSE voranzutreiben, denkt FSE an einen Börsengang. Dadurch soll umgerechnet bis zu 7 Millionen Euro an Kapital hinzugewonnen werden, um weiter auf dem Markt expandieren zu können.
Aleksandra Fedorska ist polnisch-deutsche Politologin und Publizistin. Sie arbeitet als Korrespondentin für polnische und deutsche Medien in den Fachbereichen Energiepolitik und E-Mobilität. Fedorska lebt und arbeitet im schleswig-holsteinischen Jagel und in der polnischen Stadt Poznań.