Wenn es um die praktische Umsetzung neuer Mobilitätskonzepte geht, sind einer Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger zufolge die Niederlande weltweit Spitzenreiter. Da in der Untersuchung auch die Rahmenbedingungen wie eine Elektroauto-Ladeinfrastruktur und regulatorische Initiativen berücksichtigt werden, erreicht unser nordwestlicher Nachbar im „Automotive Disruption Radar“ den ersten Platz.
Zentrale Stichworte der Untersuchung sind geteilte Mobilität, autonomes Fahren, Digitalisierung und Elektromobilität sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Infrastrukturen, die solche Innovationen ermöglichen. Hier sind Roland Berger zufolge die Niederlande vorbildlich aufgestellt. Der Automobilstandort Deutschland hingegen rangiert mit Platz 5 nur noch im Mittelfeld, die USA landen auf Rang 10. Für die zweite Ausgabe des „Automotive Disruption Radar“, mit dem das Beratungsunternehmen den Übergang der Automobilindustrie zum Mobilitätsdienstleister der Zukunft untersucht, wurden knapp 11.000 Verbraucher in elf Ländern befragt: China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien, Japan, Niederlande, Singapur, Südkorea und USA.
Asien führend in allen drei Kategorien
Im Vergleich zur ersten Untersuchung zeigen sich vor allem Veränderungen beim Kundeninteresse, bei der Technologie und bei den regulatorischen Vorgaben. In allen drei Kategorien sind mit China, Singapur und Südkorea asiatische Staaten führend. So hat etwa Singapur die bürokratischen Hürden für autonomes Fahren gesenkt und Experimente mit selbstfahrenden Touristenbussen und fahrerlosen Lastwagen gestartet. Verlaufen die Versuche positiv, könnte dem Stadtstaat der Durchbruch bei innovativen Verkehrskonzepten gelingen.
„Die Zukunft liegt im autonomen Fahren – in erster Linie in Asien“, sagt Marcus Berret, Partner und Leiter des globalen Competence Center Automotive von Roland Berger. „Während Staaten wie Singapur in der Gesetzgebung richtig Gas geben, sind traditionelle Automärkte wie Deutschland durch den Dieselskandal momentan eher mit Schadensbegrenzung beschäftigt.“ Dabei zeigt die Studie auch, dass die Autofahrer sehr aufgeschlossen sind: 45 Prozent der Befragten weltweit interessieren sich für autonomes Fahren.
Elektroautos sind immer noch zu teuer
Auch bei der Elektromobilität zeigen sich die Autofahrer offen für Neues: Weltweit können sich 35 Prozent der Befragten vorstellen, als nächstes ein Elektroauto zu kaufen. Und wieder ist Asien führend – hier würde die Hälfte der Befragten ein Elektromodell erwerben, in einzelnen Ländern sogar bis zu zwei Dritteln. In Westeuropa sind es nur 30 und in den USA gerade mal 15 Prozent der Umfrageteilnehmer. „Diese unterschiedlichen Präferenzen schlagen sich auch in den Verkaufszahlen nieder“, analysiert Roland Berger-Partner Wolfgang Bernhart die Lage. Die Zahl der verkauften Plug-in-Hybride und Elektroautos sei im ersten Halbjahr 2017 in Asien fast doppelt so hoch gewesen wie in Westeuropa und zweieinhalbmal so hoch wie in den USA.
An einem Punkt sind sich die Verbraucher allerdings grenzüberschreitend einig: Elektroautos sind nach wie vor zu teuer. Als zweitwichtigstes Argument gegen den Kauf eines Stromers gilt die schlechte Ladeinfrastruktur. Als einziges westeuropäisches Land sind bei diesem Thema erneut die Niederlande führend. „Auch wenn die Verkaufszahlen für Elektroautos und Plug-in-Hybride zuletzt wegen reduzierter Subventionen zurückgegangen sind, kann das Land eine hervorragende Ladeinfrastruktur vorweisen – und hat damit die Basis für zukünftig wieder steigende Verkäufe gelegt“, erläutert Bernhart.
Regulatorische Rahmenbedingungen beflügeln autonomes Fahren
Führend im Bereich Elektromobilität sowie Carsharing zeigt sich auch China. Deshalb belegt das Land den zweiten Platz im Ranking – und hat noch gutes Entwicklungspotenzial. Dazu kommt: „China hat gute Chancen, nach der Elektromobilität auch beim autonomen Fahren ein führender Markt zu werden“, prognostiziert Bernhart. Ein wesentlicher Treiber für die Entwicklung des autonomen Fahrens sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern: „China ist hier mit der geplanten Genehmigung von autonomen Automodellen und neuen Teststrecken auf dem Vormarsch“, erklärt der Experte.
Deutschland hinkt hier noch hinterher: Zwar hat die Ethikkommission des Bundesverkehrsministeriums nun die ersten Leitlinien für selbstfahrende Autos vorgestellt und für erste teilautonome Fahrzeuge wird es, ähnlich wie in anderen Ländern, Einzelgenehmigungen geben. Doch wie eine Typzulassung erfolgen kann, ist immer noch offen. „Wenn Deutschland und weitere europäische Länder den Anschluss nicht verlieren wollen, muss der Gesetzgeber schnell neue Verkehrskonzepte und innovative Mobilitätslösungen unterstützen“, sagt Berret. Nur so könne sich der Markt weiterentwickeln.
Quelle: Roland Berger – Pressemitteilung vom 05.09.2017