Die CEOs von Mercedes-Benz und Nvidia kündigten Dienstag auf einer Presseveranstaltung den Start einer Partnerschaft im Bereich autonomes fahren an. Ola Källenius CEO Mercedes-Benz: eine „bahnbrechende, softwaredefinierte, hochleistungsfähige Computerarchitektur für Fahrassistenz und autonomes Fahren. Dies ist die nächste Generation, die in die Mercedes-Flotte einfließen wird, mit dem Ziel einer Markteinführung gegen Ende 2024“.
Ola Källenius und Jensen Huang wollen gemeinsam eine zentral operierende Fahrzeugarchitektur und deren Betriebssystem aufbauen, um Over-the-Air-Updates (OTA) für die häufig erwähnte S-Klasse zu ermöglichen und dadurch ein Geschäftsmodell auf Abonnementbasis anzubieten. Sie erklärten, dass sich die Fahrzeuge dadurch im Laufe der Zeit immer weiter verbessern werden und dass sie mit dieser Architektur in etwa 5 Jahren verschiedene Dienste einschließlich Fahrassistenz und autonomes Fahren als Partner herstellen und anbieten wollen.
Elon Musk 7 Jahre voraus oder Mercedes-Benz sieben Jahre hinterher?
Alles, was die CEOs von Mercedes-Benz und Nvidia präsentierten, hätten Worte von Elon Musk, CEO von Tesla, vor 7 Jahren, im Jahr 2013 sein können, und das ist nichts Schlechtes, aber es ist leider sehr spät. Wenn alles wie angekündigt aufgeht, und das ist ein großes „wenn“, würde Mercedes-Benz Ende 2024, 10 Jahre nach Tesla, die ersten Funktionalitäten prioritär für Lastwagen von Hub zu Hub einführen. Personenkraftwagen sind für einen späteren nicht terminierten Zeitpunkt geplant.
Heute, im Jahr 2020, bietet mein Tesla Model 3 die meisten, wenn nicht sogar alle der von Källenius und Huang beschriebenen Funktionen bereits an, und obwohl ich die Partnerschaft und den Ansatz begrüße, ist es nicht nur spät, sondern vielleicht schon zu spät.
Was Ola Källenius bei der Veranstaltung nicht erklärt hat, ist, warum BMW, Bosch und Audi, alles Unternehmen, die zuvor ähnliche Partnerschaften mit Mercedes-Benz angekündigt hatten, beschlossen haben, nicht an der heutigen Ankündigung und Partnerschaft teilzunehmen. Was ebenfalls nicht erklärt wurde, ist, wie Mercedes-Benz beabsichtigt, Software-Funktionalität einschließlich Betriebssystem allein zu entwickeln, die sie noch vor wenigen Monaten als Partner sowohl mit VW als auch mit BMW zu entwickeln versuchten. Keiner der beiden wusste von den Gesprächen, die Källenius zu dem Zeitpunkt mit dem anderen Konkurrenten führte.
Schließlich wurde leider auch nicht erklärt, wie Mercedes-Benz beabsichtigt, die Software für autonome Fahrzeuge zu entwickeln, die unter anderem Daten benötigt, um selbstlernende Algorithmen zu trainieren, ohne aktuell über entsprechende Daten zu verfügen oder gar eine Fahrzeugflotte zu besitzen die mit den erforderlichen Kameras und Sensoren beginnen kann diese Daten zu sammeln.
Mercedes-Benz – zehn Jahre im Rückstand im Bereich autonomer Fahrzeuge?
Die heute angekündigte Partnerschaft offenbart, dass Mercedes-Benz mehr als 10 Jahre im Bereich autonome Fahrzeuge und zentral aufgebauter IT Infrastruktur einschließlich Betriebssystem im Rückstand ist. Dies sage ich nicht um mich zu beschweren, aber es ist zu vermuten das der Zeitplan wie andere Unternehmen die in diesem Bereich schon länger aktiv sind aufzeigen, nicht realistisch ist. Kritische Komponenten für einen Erfolg fehlen wie zum Beispiel wie die erforderlichen und raren Software-Talente für den Aufbau einer funktionierenden Software Lösung gewonnen werden können oder die wie von Källenius offiziell bestätigt noch fehlende Hardwarekomponenten wie z.B. Sensoren für die Fahrzeuge.
Erst vor vier Tagen kündigten Mercedes-Benz und BMW an, ihre geplante Zusammenarbeit und Partnerschaft zur Entwicklung von Fahrassistenzsystemen bis zur autonomen Fahrstufe 4 zu beenden. Eine Erklärung, die wir in diesen Tagen recht häufig für unterschiedliche Anlässe hören ist das Kostengründe und die durch den CoVid-Virus verursachte Wirtschaftskrise die Ursache für das Ende der Kooperationsgespräche oder anderer Probleme seien. Wenn hohe Kosten der treibende Faktor für die Aufkündigung der Partnerschaft sind, ist es dann besser für Mercedes-Benz, alles nunmehr allein mit einem Zulieferer zu entwickeln?
Die Kosten, aber auch der Mangel an Technologie und erfahrenen Mitarbeiter sind zweifellos eines von vielen Problemen, welche die deutschen Automobilhersteller mit dieser vielversprechenden neuen autonomen Technologie haben. „Es braucht immer mehr Geld, immer mehr Software-Ressourcen und immer mehr Hardware-Know-how“, Waymo-CEO John Krafcik.
Audi verlässt das Trio: Nvidia und Mercedes-Benz auf sich gestellt
Dass Audi 2019 ebenfalls Teil der Partnerschaftsdiskussion war, aber seit Ende des letzten Jahres wieder eigene Wege geht macht die Ankündigung von Mercedes-Benz und Nvidia nicht glaubwürdiger. Audi kündigte im April 2020 an, dass das neue Flaggschiff Audi A8 ohne die zuvor versprochene und mit viel Marketingaufwand vorangetriebenen autonome Stufe 3 kommen wird. Hans-Joachim Rothenspieler, Leiter Forschung und Entwicklung und Audi-Vorstandsmitglied, kündigte an, dass die Funktionalität nicht verfügbar sein wird und wegen regulatorischer Fragen ausgelassen werden soll.
Rothenspieler begründete diesen Schritt damit, dass das Fehlen international einheitlicher gesetzlicher Regelungen, insbesondere die Frage der Haftung bei Unfällen, oft unklar sei. Das klingt wiederum nach etwas, das nichts mit einer fehlenden Funktionalität zu tun hat, sondern mit nicht beeinflussbaren globalen Rahmenbedingungen. Offensichtlich sind andere Automobilhersteller wie Mercedes-Benz oder Tesla allerdings bereit, sich mit diesen regulatorischen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Wenn Mercedes-Benz es kann warum kann Audi es dann nicht?
Peter Mertens, ehemaliger F&E-Chef von Audi, sagte zu dem Thema Level 3 Funktionalität in einem Interview im Juni 2020, seine Vorgänger hätten zu dem Thema vielleicht etwas „überoptimistisch kommuniziert“. Der Vorstandsvorsitzende von Audi, Duessmann, kündigte vor 4 Tagen an, dass er die F&E-Rolle übernimmt, und Rothenspieler verkündigte im Gegenzug, dass er Audi nach 34 Jahren bei Volkswagen verlassen werde. Herbert Diess, der Vorstandsvorsitzende des VW-Konzerns, schrieb einen freundlichen Abschieds-Brief, Diess hat Duessmann von BMW zu VW geholt und ihn auch in die F&E-Rolle befördert. Ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse über den zeitlichen Ablauf der Ereignisse und dessen eventueller Hintergründe.
Verderben zu viele Köche den Brei?
Ursprünglich war mal geplant, dass die 3 deutschen Automobilhersteller Audi, BMW und Mercedes-Benz die autonome Fahrpartnerschaft im September 2019 auf der IAA-Konferenz ankündigen, und jetzt, 9 Monate später, ist nur noch Mercedes-Benz übrig. Darüber hinaus erwähnte Källenius, dass auch die Bosch-Partnerschaft zur Entwicklung von Robotaxis auf Eis gelegt wurde.
Das Ziel der Partnerschaft im vergangenen Jahr war, Zitat, „gemeinsam die nächste Generation von Technologie für Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren auf Autobahnen sowie automatisierte Parkfunktionen (jeweils bis Level 4) zu entwickeln“. Der Plan für 2019 sah vor, die Funktionalität für Kunden im Jahr 2024 zu liefern. Klingt das in irgendeiner Weise ähnlich wie das, was von Mercedes-Benz und Nvidia soeben angekündigt wurde?
Noch interessanter ist, dass die damaligen Gespräche, die unter dem ehemaligen Daimler-Chef Dieter Zetsche und dem ehemaligen BMW-Chef Harald Krüger begonnen haben, möglicherweise negativ beeinflusst wurden, nachdem durchgesickert ist, dass Daimler mit VW sich ebenfalls in geheimen Gesprächen über eine Software-Kooperation befindet. BMW und VW haben seit einiger Zeit eine Beziehung, die sich am besten mit dem Wort „feindlich“ beschreiben lässt.
Die Irritation von BMW um ein höfliches Wort zu benutzen, waren schwerwiegend, daher ist es auch nicht überraschend, dass Mercedes-Benz, das mit zwei Konkurrenten parallel heimlich über die gleiche Zusammenarbeit gesprochen hat, durch sein Verhalten keine Glaubwürdigkeit oder Vertrauen schaffen konnte.
Unabhängig davon, wie wir beurteilen, was die deutschen Automobilhersteller bisher getan haben, ist eine Sache klar: Ohne eine Funktionalität, die mehr als nur eine grundlegende Fahrassistenz-Unterstützung ermöglicht, haben die Verbraucher einen guten Grund, sich zukünftig von einem deutschen Fahrzeug abzuwenden und ein Auto zu wählen, das eine zuverlässige und vorhandene Lösung bietet, wie Tesla es heute schon tut.
Tesla Full-Self-Driving-Funktionen funktionieren bereits 2020
Da ich seit einem Jahr auf deutschen Autobahnen die verfügbaren Full-Self-Driving-Funktionen meines Tesla Model 3 etwa 98% der Fahrzeit aktiv nutze, einschließlich des automatischen Spurwechsels bei erlaubten Höchstgeschwindigkeiten von 150km/h, kann ich aus Erfahrung bestätigen, dass es sehr gut funktioniert. Das als Autopilot bezeichnete System hat mich in vielen Situationen vorausschauend geschützt, in denen ich, wenn ich selbst gefahren wäre, oft zu spät reagiert hätte und möglicherweise bei unerwarteten zusätzlichen Zwischenfällen sogar in Schwierigkeiten geraten wäre.
Sowohl aus Gründen der Sicherheit als auch des entspannten Fahrens bezeuge ich hiermit, dass ich in meinem Leben kein Fahrzeug mehr kaufen werde, das nicht über eine vergleichbare Funktionalität verfügt. Mit anderen Worten, wenn die deutschen Autohersteller ihre Versprechen nicht einhalten können, dann würde ich sie ausschließen müssen und das auch dann, wenn sie ein wirklich schönes Elektroauto mit guter Reichweite und Effizienz anbieten würden.
Da Daimler angekündigt hat, dass die neue S-Klasse Level-3-Funktionen haben wird und BMW ebenfalls im iNext, gibt es zumindest zwei deutsche Automobilhersteller mit Ankündigungen, auf die ich mich freuen darf. Auf jeden Fall müssen die selbstlernenden Algorithmen, die in diesen Systemen verwendet werden, lernen dürfen und das können sie nicht in einer virtuellen oder simulierten Umgebung, sondern nur mit Fahrzeugen, die auf realen Straßen fahren.
Führen Nvidia-Automobilchips zu weniger Reichweite bei E-Autos?
Weiterhin ist der bekannte Energieverbrauch der besten Nvidia-Automobilchips sehr hoch, und dies wird sich zwangsläufig negativ auf die Reichweite der Fahrzeuge auswirken. Um die erforderliche kritische Balance zwischen Hardware und Software zu erreichen, sind maßgeschneiderte Lösungen erforderlich, die mit einem Anbieter wie Nvidia, der Systeme und Chips für viele Automobilunternehmen und anderen Industrien mit unterschiedlicher Hardware und nicht maßgeschneidert für Mercedes-Benz entwickelt, nur schwer zu erreichen. Nvidia muss als Zulieferer seinen eigenen Erfolg als erste Priorität definieren und der größte und wichtigste Geschäftsbereich in den das meiste Entwicklungskapital fließt ist immer noch der Bereich der Spiele für Konsolen gefolgt von Daten Centern. Wohin glauben Sie fließt also der größte Teil des zukünftigen Entwicklungsbudgets von Nvidia?
Nvidia verfügt zwar über die schnellsten und besten verfügbaren Chips für die Verarbeitung von Daten und Visualisierungsanwendungen, aber ein Chip ist ein Teil, das in seinen Spezifikationen perfekt mit anderen Teilen in einem komplexen System wie einem Fahrzeug zusammenspielen muss, um das durch viele Anforderungen definierte Ziel, autonomes fahren zu erreichen.
In der Spieleindustrie, aus der Nvidia kommt, hat der Energieverbrauch nie eine wichtige Rolle gespielt, aber im Elektroauto schon. Mercedes-Benz ist bekannt dafür so wie auch andere deutsche Hersteller keine besonders effizienten Elektrofahrzeuge herzustellen wie der EQC und dessen niedrige Verkaufszahlen beweisen. Wenn Mercedes-Benz aber beabsichtigen sollte, autonome Fahrfunktionen für Verbrenner-Fahrzeuge zu entwickeln würden sie einen weiteren strategischen Fehler begehen.
„Eine verbesserte vertikale Integration könnte eine Lösung für viele Probleme sein, aber die deutschen Automobilhersteller haben nicht einmal versucht, sich stärker vertikal zu integrieren, und sie haben in den letzten Jahren in ihren kontinuierlichen laufenden Verhandlungen, die nirgendwo hinführten, stattdessen viel kritische Zeit verloren.“
Erfassung der Daten: Ein Spiel auf Zeit
Auch die Erfassung von Daten im Fahrbetrieb ist von entscheidender Bedeutung, und obwohl einige Testfahrzeuge von Zeit zu Zeit in Deutschland zu sehen sind, lassen sie sich nicht mit dem schrittweisen Ansatz von Tesla vergleichen, dessen Fahrzeuge mit der Zeit immer mehr Funktionalität wie z.B. die aktuelle Ampelerkennung, anbieten. Um ausreichend Fahrzeuge zu haben und wir sprechen hier von Hunderttausenden, die in den verschiedensten Verkehrssituationen der Welt Daten sammeln müssen, wird Mercedes-Benz viele Jahre brauchen. Wie Källenius bei dem Presseevent mitteilte haben sie aber noch nicht einmal eine Entscheidung über die Sensoren der Fahrzeuge getroffen. Ohne diese Entscheidung ist es schwer vorstellbar, wie sie einen Zeitplan aufstellen konnten, um bis Ende 2024 erste Funktionalitäten anbieten zu können.
Für mich persönlich ist das Wichtigste, dass ich in den letzten 12 Monaten die Erfahrung gemacht habe, dass der Tesla-Autopilot im Vergleich zu mir als Fahrer sicherer ist, und das sage ich als jemand der in 35 Jahren nie einen Unfall hatte und allgemein als sehr sicherer Fahrer bezeichnet wird.
In dieser Hinsicht, und das ist meine subjektive Sichtweise, aber unterstützt durch harte Fakten und Daten, die Tesla regelmäßig veröffentlicht, ist der Autopilot so viele Jahre technologisch und sicherheitstechnisch voraus, dass er möglicherweise bereits eine Entwicklungs-Geschwindigkeit erreicht hat die für deutsche Automobilhersteller, die eine geringe Innovationskraft und Geschwindigkeit nachgewiesen haben, nicht mehr einzuholen ist.
In Bezug auf die vollständige Autonomiefähigkeit kündigte Källenius an, dass Lastwagen von Hub zu Hub ihr Hauptanwendungsfall ist mit dem sie zuerst beginnen wollen. Ein Grund dafür könnte die jüngste Ankündigung von Tesla sein, bald mit der Produktion des Semi-Trucks zu beginnen, der mit seiner Selbstfahrtechnologie und niedrigeren Gesamtkosten pro Kilometer als Elektrolaster tief in die Auftragsbücher und die Nachfrage von Mercedes-Benz einschneiden könnte. Autonome Fahrzeuge in einer städtischen Umgebung sieht Källenius zu einem späteren Zeitpunkt, was bedeutet, dass ein Personenwagen von Mercedes-Benz oder Daimler mit autonomer Antriebstechnik nicht vor 2024 zu sehen sein wird.
Was ich am Dienstag gehört habe, ist eine weitere von vielen Ankündigungen, welche die deutschen Automobilhersteller regelmäßig machen, um im Gespräch zu bleiben und mit Versprechungen die Meinung am Leben zu erhalten das sie aktiv Lösungen entwickeln.
Lösungen die leider viel zu häufig nie das Tageslicht erblicken und eine Ankündigung bleiben.
Dieser Artikel ist im Juni 2020 auf der US Webseite www.cleantechnica.com erschienen und wurde in der heutigen deutschen Version mit aktuellen Zahlen, Inhalten und Informationen angepasst.