Christoph Strecker, bei Ionity für den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur verantwortlich, sieht Deutschland beim Thema Laden differenziert aufgestellt. „Die Frage kann man mit Jein beantworten“, sagt er mit Blick auf die oft diskutierte Lückenhaftigkeit. Während Autobahnen inzwischen „sehr gut ausgestattet“ seien und teilweise sogar ein „Überangebot“ bestehe, hinken Städte hinterher. Künftig rücke Ionity daher stärker in urbane Räume vor, um Menschen ohne eigene Wallbox zu erreichen.
Als besonders geeignete Standorte nennt Strecker Supermärkte: „Man ist regelmäßig 20, 30 Minuten vor Ort und kann das Laden perfekt mit dem Einkauf kombinieren.“ Klassische Tankstellen seien dagegen häufig zu beengt und würden zunehmend von den Mineralölkonzernen selbst für eigene Ladeangebote umgebaut. Mit Partnern wie der Markengastronomie L’Osteria und städtischen Ring- oder Einfallstraßen testet Ionity Ladeparks im Zusammenhang mit einem Restaurant-Besuch.
Technologisch will Ionity das Tempo weiter erhöhen. Heute laden viele Autos an 350- oder 400-kW-Säulen, ab 2026 plant das Unternehmen mit 600 kW. Strecker verspricht Ladezeiten von „zehn bis zwölf Minuten von 10 auf 80 Prozent“. Die Standortwahl richte sich bewusst darauf aus, was „auch in zehn Jahren noch Sinn ergibt“, da Ladeparks langfristig bestehen bleiben.
Auch im Handel zieht die Leistung an: „Supermärkte setzen mittlerweile auf HPC“, so Strecker. Zwar schaffen viele Fahrzeuge im Alltag wegen technischer Grenzen noch keine 350 kW, doch mit neuen 800-Volt-Plattformen rücke die Verdopplung der Ladeleistung näher. Heute lägen die realen Durchschnittswerte während eines Einkaufs bei knapp 100 kW. Ziel sei es dennoch, Schnellladen zur Normalität zu machen und die Hemmschwelle zu senken, „da irgendwie 30, 40 Minuten stehen zu müssen“.
E-Autos und Ladeinfrastruktur müssen Hand in Hand greifen
Die steigenden Ladeleistungen stellen Betreiber vor Herausforderungen. Neue Modelle erreichen bereits Spitzenwerte von über 450 kW. Strecker verweist etwa auf Xpeng: „So ein Xpeng lädt bereits in zwölf Minuten von 10 auf 80 Prozent.“ Das nötige Zusammenspiel aus Fahrzeug-Ladekurve und Infrastruktur müsse gewährleistet sein, da sich der Bedarf der Nutzer weiter erhöhe. Gleichzeitig müsse die Ladegeschwindigkeit zur Aufenthaltsdauer passen: „Wenn der Akku nach fünf Minuten voll wäre und ich bin erst bei den Bananen, muss man aufpassen.“
Im europäischen Vergleich sieht er Deutschland gut aufgestellt. Der Anteil der DC-Ladepunkte sei weit überdurchschnittlich: „23 Prozent aller Ladepunkte sind mittlerweile DC-Ladepunkte, der EU-Durchschnitt liegt bei 17.“ Nach Jahren dynamischen Ausbaus gehe es nun darum, gezielter zu investieren.
Ein Thema bleibt die Veralterung der Technik. Viele 50-kW-Säulen an Autobahnen seien heute kaum noch gefragt. „Early Mover haben den Nachteil, dass ihre Infrastruktur überholt ist.“ Ionity tauscht Standorte aus, wenn Ersatzteile fehlen oder die Technik ineffizient wird. Die Recyclingquoten seien hoch – insbesondere bei Elektronik und Kupfer. Ladehardware werde im Regelfall nach rund zehn Jahren erneuert, nicht zuletzt wegen neuer gesetzlicher Vorgaben. Seltene Rohstoffe aus Akkuzellen blieben im Kreislauf: „Das ist eigentlich ein total unterschätztes Thema.“
Zum künftigen Stand der Fahrzeugtechnik äußert sich Strecker optimistisch. Batteriezellen legten jährlich sieben bis acht Prozent Energiedichte zu – eine Verdoppelung innerhalb von zehn Jahren. Viele Autos seien schon heute in der Lage, reale 400 Kilometer zu fahren. Entscheidend werde weniger die Reichweite als die Geschwindigkeit des Nachladens: „In bis zu zwölf Minuten kann man künftig 400 km Reichweite nachladen.“
Zur Diskussion um eine neue Kaufprämie für Elektroautos zeigt sich Strecker kritisch. „Wir halten diese Förderung nicht für entscheidend.“ Prämien führten eher zu Verzögerungen bei Kaufentscheidungen. Die Wirtschaftlichkeit spreche bereits heute für Stromer – insbesondere bei Nutzung einer eigenen Lademöglichkeit. Schnellladen sei teurer, müsse aber angesichts millionenschwerer Investitionen kostendeckend bleiben. Notwendig wären aus seiner Sicht vor allem „niedrigere Strombeschaffungskosten“, um öffentliches Laden weiter zu verbessern.
Quelle: Merkur – Schnellladen für alle? Ionity und die Zukunft der Lade-Infrastruktur







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