Europas Wasserstoffpläne sind auf unsichere Importe angewiesen

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Michael Neißendorfer
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Die EU sollte sich nicht auf Importe verlassen, um ihre übermäßig ehrgeizigen Wasserstoffziele zu erreichen, wie eine aktuelle Untersuchung von sechs wichtigen Exportländern zeige (verlinkt als PDF). Trotz des großen Hypes um Wasserstoff wurde demnach bislang nur 1 Prozent der geplanten grünen Wasserstoffproduktion in den bewerteten Ländern tatsächlich auch finanziert, so die Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E).

Europa sollte sich lieber auf die Entwicklung seiner eigenen Versorgung konzentrieren, bevor es sich an Länder wendet, die in vielen Fällen gar nicht dazu in der Lage seien, die Wasserstoffproduktion schnell zu steigern und die noch nicht über die notwendige Infrastruktur verfügten, um Wasserstoff nach Europa zu exportieren, so T&E in seiner Mitteilung.

Geert Decock, Strom- und Energiemanager bei T&E, sagt: „Mit europäischen Politikern, die um die Welt fliegen, um Wasserstoffverträge zu sichern, ist dies ein dringend benötigter Realitätscheck. Die meisten Länder, auf die sich Europa für Importe verlässt, sind überhaupt nicht bereit, die Produktion zu steigern.

Die RePowerEU-Strategie der EU, die nach der russischen Invasion der Ukraine hastig beschlossen wurde, sieht die Abkehr von fossilen Brennstoffen vor. Unter anderem soll bis 2030 eine Produktionskapazität von 20 Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoffs erreicht werden, wobei die Hälfte davon aus Importen stammen soll.

Die Beratungsfirma Ricardo hat nun im Auftrag von T&E sechs Länder untersucht mit jeweils großen Plänen, Wasserstoff in die EU zu exportieren: Norwegen, Chile, Ägypten, Marokko, Namibia und Oman. Ricardo geht davon aus, dass diese Länder zusammengerechnet bis 2030 nur in der Lage sein sollen, lediglich ein Viertel der 10 Millionen Tonnen an Wasserstoff-Importen zu liefern, die von RePowerEU anvisiert sind.

Wasserstoff Projekte Finanzierung
T&E

Die Analyse der nationalen Strategien der sechs Länder zeige, dass die EU von ihnen als Schlüsselmarkt für Wasserstoffexporte angesehen wird. Oman zum Beispiel erwartet, bis 2030 mehr als zwei Drittel seiner Wasserstoffproduktion in die EU zu exportieren. Aber die große Herausforderung ist, dass diese Exportländer – viele sind stark von fossilen Brennstoffen und Wasserknappheit abhängig – vor großen Hindernissen bei der Ausweitung ihrer Produktion stehen, vor allem mit Blick auf (sauberen) Strom, die Verfügbarkeit von Wasser sowie die Infrastruktur vor Ort.

Sauberer Strom ist kaum verfügbar

Abgesehen von Norwegen haben die anderen fünf Länder derzeit eine begrenzte Kapazität für erneuerbare Energien. Oman zum Beispiel ist fast ausschließlich auf fossile Brennstoffe angewiesen, um sein Stromnetz zu versorgen. Diese Länder werden daher enorme Investitionen in die saubere Stromerzeugung tätigen müssen, um grünen Wasserstoff exportieren und ihre eigenen Netze dekarbonisieren zu können.

Wasserstoff Projekte Strombedarf
T&E

Namibia im südlichen Afrika ist der extremste Fall: Es würde mehr als das Zehnfache des prognostizierten Strombedarfs des ganzen Landes für 2030 benötigen, um seine geplanten Wasserstoffexporte in die EU zu decken. Die Hälfte der Namibier hat derzeit überhaupt keinen Zugang zu Strom.

Wasser ist knapp

Wasserstoff benötigt auch erhebliche Mengen an Wasser. Zwischen 55 und 80 Millionen Tonnen Wasser wären erforderlich, um die 2,6 Millionen Tonnen Wasserstoff zu produzieren, die 2030 in die EU exportiert werden könnten – das entspricht 32.000 olympischen Schwimmbädern pro Jahr. Alle untersuchten Länder, mit Ausnahme Norwegen, werden jedoch in den kommenden Jahrzehnten mit einer erheblichen und sich angesichts der Klimakrise weiter verschärfenden Wasserknappheit konfrontiert sein.

Wasserstoff Projekte Wasserbedarf
T&E

Infrastruktur noch nicht vorhanden

Es gebe derzeit auch noch keine Infrastruktur, um Wasserstoff über große Entfernungen zu transportieren. Der Bau von neuen Wasserstoffpipelines, zum Beispiel nach Nordafrika, um Marokko und Ägypten anzubinden, würde Jahre dauern. Dies bedeutet, dass der derzeit einzige praktikable Weg, Wasserstoff zu importieren, in Form von E-Kraftstoffen wie E-Ammoniak, E-Methanol und E-Kerosin sei, die von Schiffen transportiert werden können.

EU-Produktion sollte im Fokus stehen

Europa wäre T&E zufolge in der Lage, bis 2030 auf dem Kontinent selbst zwischen 6 und 7,5 Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoff zu produzieren. Dies würde ausreichen, um den europäischen Bedarf zu decken, wenn die Versorgung mit Wasserstoff und E-Kraftstoffen auf Sektoren beschränkt werde, die kaum andere Alternativen haben, wie etwa die Schifffahrt, die Luftfahrt und Düngemittel.

Die oberste Priorität ist derzeit die Entwicklung eines echten Marktes für erneuerbaren Wasserstoff und Elektrolyseure in Europa. Das ist eine große Herausforderung und erfordert einen laserscharfen Fokus auf die Sektoren, die Wasserstoff am meisten benötigen, insbesondere die Luftfahrt und die Schifffahrt“, sagt Geert Decock abschließend. Längerfristig müssen demnach auch Wasserstoffimporte eine größere Rolle spielen, „aber es gibt eine Reihe wichtiger Bedingungen, die erfüllt werden müssen, damit Importe nachhaltig sind“, gibt er zu bedenken.

Die Studie zeigt, dass der Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft neben den Nachhaltigkeitsaspekten weitere Vorteile mit sich bringt: Es könnten demnach bis 2030 in ganz Europa gut 2 Millionen neue Arbeitsplätze in Wasserstofflieferketten geschaffen werden.

Quelle: Transport & Environment – Pressemitteilung vom 13.02.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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