Der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat der Autoindustrie massive Hilfen aus Brüssel in Aussicht gestellt, wie das Handelsblatt von ihm erfahren hat. Rund zehn Prozent des geplanten europäischen Wiederaufbauprogramms sollten für den Sektor reserviert werden, sagte er. Die Autoindustrie gehöre „zu den am härtesten von der Krise getroffenen Ökosystemen“ und sei „so stark in den europäischen Binnenmarkt integriert wie keine andere“, so der EU-Kommissar weiter.
Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten am vergangenen Donnerstag die EU-Kommission damit beauftragt, ein mehrere hundert Milliarden Euro schweres Programm für den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft in der Coronakrise zu erarbeiten. Die genauen Summen der Maßnahmen sind noch offen, im Gespräch ist ein Gesamtpaket von 1,5 bis zwei Billionen Euro, in die auch private Investitionen einfließen sollen. Mit den von Breton anvisierten zehn Prozent würden 150 bis 200 Milliarden Euro in den Mobilitätssektor fließen, zu dem neben der Automobilindustrie auch die deutlich kleinere Bahnindustrie und Schiffswerften zählen.
Umstritten ist noch, welcher Teil der Mittel als Darlehen bereitgestellt werden soll und welcher als nicht zurückzuzahlende Zuschüsse. Laut Breton soll das Wiederaufbauprogramm aus zwei Teilen bestehen. Zum einem ein kurzfristig angelegter Teil zur „Reparatur“ der pandemiebedingten Schäden. Bei den kurzfristigen Hilfen plädiert der EU-Binnenmarktkommissar dafür, sie in Form von Zuschüssen auszuzahlen, die nicht zurückgezahlt werden müssen: „Wir brauchen einen großen Teil von Zuschüssen um sicherzustellen, dass wir unsere Unternehmenslandschaft überhaupt erhalten können“, sagte der frühere Topmanager dem Handelsblatt.
Der zweite Teil des Pakets sei für den längerfristigen Umbau der Wirtschaft vorgesehen. Hierbei solle ein Schwerpunkt gesetzt werden auf Maßnahmen gegen den Klimawandel, die Digitalisierung und eine größere Widerstandskraft gegen künftige Schocks. Zu einer stärkeren Resilienz gegen unvorhergesehene Ereignisse wie Pandiemien zähle auch, „einen Teil der Produktion nach Europa zurückzuverlagern“, sagte Breton, etwa bei der Medikamentenherstellung. Bei dieser längerfristigen Förderung seien Kredite das geeignete Instrument. Zur Finanzierung der Corona-Hilfen sollen die Mitgliedstaaten höhere Beiträge in den siebenjährigen EU-Haushalt einzahlen als bisher geplant. Der Entwurf der EU-Kommission zur Ausgestaltung der Hilfen wird für Anfang Mai erwartet.
Breton betonte, es sei „im Interesse eines jeden einzelnen Mitgliedstaates, dass der Binnenmarkt nicht auseinanderbricht“. Die deutsche Wirtschaft profitiere in hohem Maß von dem gemeinsamen Markt, schließlich gingen fast 60 Prozent ihrer Exporte in andere EU-Staaten. Auch Kanzlerin Angela Merkel hat darauf schon hingewiesen: „Auch uns wird es auf Dauer nur gut gehen, wenn es Europa gut geht.“
Quelle: Handelsblatt — Zuschüsse und Kredite in Milliardenhöhe: EU-Kommission will die Autoindustrie stützen