Eine Analyse von Daniel Krenzer
In ihrer aktuellen Ausgabe 8/2024 rechnet die Auto Bild unter dem Stempel “Kaufberatung” für vier Paare von Elektro- und Benzinermodellen durch, welches davon pro Kilometer günstiger ist. Das Ergebnis: Jedes Mal hat der Verbrenner im Kostenvergleich im Vergleich zum E-Auto die Nase vorn. Wir haben uns die Berechnungen einmal näher angesehen – und dabei mehrere Schwächen entdeckt. Es steht uns nicht zu, zu beurteilen, weshalb die Kollegen genau diese Annahmen gewählt haben, wollen aber durch eine Einordnung zeigen, dass dieses pauschale Testergebnis aus unserer Sicht nicht unkommentiert stehen gelassen werden kann.
Zunächst einmal zu den Resultaten der Auto Bild: Zunächst wurden der Abarth 500e und der Abarth 595 miteinander verglichen – mit dem Ergebnis, dass der Elektro-Abarth bei 60.000 Kilometern Laufleistung und vier Jahren Haltezeit unter Berücksichtigung des Wertverlustes pro Kilometer 0,53 Euro kostet, während es beim Benziner nur 0,41 Euro sind. Im zweiten Vergleich bei denselben Annahmen kommt der Opel Corsa Electric auf 0,46 Euro, während es beim Benziner nur 0,43 Euro sind.
Ähnlich sieht es im dritten Vergleich aus: Hier kostet der Peugeot E-2008 pro Kilometer 0,49 Euro, beim Benziner sind es nur 0,42 Euro. Für den elektrischen Renault Kangoo rechnen die Kollegen sogar einen Kilometerpreis von 0,55 Euro aus, während es beim Verbrenner-Kangoo lediglich 0,41 Euro sind. Das Endergebnis beim Kostenvergleich lautet also 4:0 für die Benziner, wobei es nur beim Corsa knapp war.
Allerdings sind bei diesem Vergleich einige Dinge aus unserer Sicht zu Ungunsten der vollelektrischen Fahrzeuge in die Wertung eingegangen, die zumindest hinterfragt werden sollten:
1.) Der Strom- und Benzinpreis
Die Auto Bild hat für den Benzinpreis 1,75 Euro pro Liter und für den Strompreis 0,54 Euro angenommen. Letzterer sei ein Durchschnittswert aus dem Preis vom Laden zuhause und unterwegs. Zwar beträgt der durchschnittliche Strompreis für Privathaushalte in Deutschland derzeit etwa 0,42 Euro, wer aber unter anderem wegen eines Elektroautos viel Strom abnimmt, der dürfte zuhause im Regelfall entweder mit einer Photovoltaikanlage und/oder zumindest einem günstigen Stromtarif ausgestattet sein. Wer derzeit einen neuen Stromvertrag abschließt, bekommt beispielsweise bei einem Jahresverbrauch von 5000 kWh Arbeitspreise von teils deutlich unter 0,30 Euro angeboten.
Und auch unterwegs ist der Strom für einigermaßen informierte Elektroautofahrer lange nicht so teuer, wie die Auto Bild das annimmt. So kostet bei EnBW im Ladetarif M der Strom bei knapp sechs Euro monatlicher Grundgebühr an den meisten Ladestationen 0,57 Euro pro Kilowattstunde. Wer aber an EnBW-Stationen selbst lädt oder auch mal beim Einkaufen bei Supermärkten Strom tankt, die meist um die 0,30 Euro pro Kilowattstunde nehmen, der zahlt im Schnitt unterwegs keine 0,50 Euro. Statt mit 0,54 Euro hätte man also gut begründet auch mit 0,35 Euro rechnen können.
Zudem liegen die Benzinpreise derzeit eher bei 1,80 Euro – und sie werden in dem angenommenen Vier-Jahres-Zeitraum aufgrund des immer höheren CO2-Preises voraussichtlich deutlich steigen. Auch Strom kann natürlich teurer werden, doch werden die politischen Ziele bei der Energiewende erreicht, dann dürfte dies relativ zumindest in deutlich geringerem Ausmaß passieren, als das beim Benzin der Fall sein dürfte. Geht man binnen vier Jahren von einem Preisanstieg von im Sinne des Verbrenners optimistischen 20 Prozent aus, kommen wir im Schnitt auf gut 2,00 Euro pro Liter, während es beim Strom weniger als 0,40 Euro pro Kilowattstunde wären.
2.) Der Verbrauch
Ganz offensichtlich ist der Verbrauchstest bei winterlicher Witterung durchgeführt worden. So wurden dem Elektro-Abarth 24,5 kWh Verbrauch pro 100 Kilometer attestiert, beim Benziner sind es 7,9 Liter. Beim elektrischen Corsa wurden 24,2 kWh gemessen, beim Benziner 6,9 Liter. Das elektrische Peugeot-Crossover kommt auf 21,2 kWh, der Benziner auf 7,1 Liter. Beim vollelektrischen Kangoo notieren die Tester einen erstaunlich hohen Verbrauchswert von 32,4 kWh, beim Benziner sind es 7,6 Liter.
Da wir einige Fahrzeuge schon selbst gefahren sind, kommt uns der Verbrauch bei den elektrischen Modellen sehr hoch vor. Den Kangoo sind wir bei freilich milderer Witterung mit knapp mehr als 20 kWh gefahren, auch der Corsa lässt sich problemlos unter 20 kWh Verbrauch bewegen. Offensichtlich war es beim Test der Auto Bild sehr kalt, die Heizung wurde großzügig genutzt, die Testrunde wohl nicht übermäßig lang – und vor allem wurde dieser Verbrauchswert dann als Durchschnittswert für vier Jahre Haltezeit genommen. Doch der Verbrauchsnachteil bei sehr kalten Temperaturen fällt in der weit längeren Zeit des Jahres weg.
Eine gute Orientierung für realistische Durchschnittsverbräuche ist der Spritmonitor. Beim Abarth fehlen noch elektrische Vergleichswerte der Nutzer, die meisten anderen Fachmedien berichten von 20 bis 22 kWh Verbrauch – also gut 15 Prozent weniger als bei Auto Bild. Sehr viele Fahrer des Benziners benötigen laut Spritmonitor hingegen mit Werten zwischen acht und neun Litern etwas mehr Benzin als die Tester der Auto Bild. Mit dem Corsa haben die Tester beim Benziner den Spritmonitor-Schnitt recht gut getroffen, beim E-Corsa berichten die Nutzer im Schnitt von etwa 18 kWh Verbrauch, genauso wie die Auto Motor und Sport in deren Test – sie waren also 25 Prozent sparsamer unterwegs als die Kollegen der Auto Bild.
Und da baugleiche Modelle miteinander berücksichtigt werden, bleibt zudem unberücksichtigt, dass somit Elektroautos auf Verbrennerplattformen verbaut sind uns somit in der Regel nicht so effizient sein können, wie ein zum jeweiligen Benziner vergleichbares E-Auto auf einer speziell dafür entwickelten Plattform sein kann.
3.) Der Wertverlust
Bei der Berechnung der Kosten pro Kilometer wurde der voraussichtliche Wertverlust laut Schwacke berücksichtigt. Das ist so weit nachvollziehbar, allerdings birgt die Berechnung des Restwertes gerade bei Elektroautos derzeit große Unsicherheiten. Viele Annahmen beruhen derzeit unter Berücksichtigung des Preises, den Kunden für den Kauf heutiger gebrauchter Elektroautos bereit sind zu zahlen. Allerdings hat sich die Technik zuletzt stark weiterentwickelt, sodass viele der heute gebrauchten Elektroautos schlichtweg nicht mehr sonderlich attraktiv sind.
Natürlich könnte sich dieser Trend so fortsetzen. Allerdings sorgen im Gegenzug der zunehmende Ausbau der Ladeinfrastruktur, die steigende Auswahl an attraktiven Elektromodellen und auch die – unter anderem durch politische Entscheidungen, aber auch durch technische Entwicklungen – im Verhältnis zum Elektroauto stärker teuer werdenden Verbrennermodelle in den kommenden Jahren sicher dazu, dass Elektromobilität insgesamt für mehr Menschen attraktiv wird. Die steigende Nachfrage nach Elektroautos auch in Bevölkerungsschichten, die sich keinen Neuwagen leisten wollen oder können, wird unserer Ansicht nach die Restwerte für heutige Elektroautos weniger stark sinken lassen als bislang.
4.) Unberücksichtigte THG-Quote
Zwar berücksichtigt die Auto Bild Kosten wie Steuern, Wartung und Versicherung in ihrer Berechnung, die THG-Quote für Elektroautos bleibt aber außen vor. Diese ist zuletzt zwar gesunken, dennoch macht auch Kleinvieh bekanntlich Mist. Umgerechnet auf den Kilometer werden damit in diesem Beispiel die Elektroautos noch einmal um knapp einen Cent günstiger.
Das Fazit
Zwar ist mit dem Wegfall der Förderung die Elektromobilität – wie es die Auto Bild schreibt – tatsächlich vorübergehend etwas teurer geworden. Doch seitdem fallen die Preise für vollelektrische Modelle bei vielen Herstellern, sodass sich dieser vermeintliche Nachteil schnell von selbst beheben sollte. Mit Blick auf die Betrachtung von Auto Bild bleibt festzuhalten, dass hier aus unserer Sicht für Elektroautos ungünstige Faktoren angenommen wurden. Gerade bei elektrischen Fahrzeugen hängt der persönliche Kostenunterschied zum Verbrenner sehr vom eigenen Fahr- und Ladeprofil ab und muss stets individuell berechnet werden.
Pauschale Aussagen wie hier in der Auto Bild sind zwar für den Leser leicht verdaulich, entsprechen im konkreten Fall aber dann selten den wahren Gegebenheiten. Bei einigen dürfte dieser direkte Vergleich (noch) mit Blick alleinig auf die Kosten – es gibt ja durchaus noch andere Gründe, die für die Kaufentscheidung sprechen können – zu Gunsten des Verbrenners ausfallen, für viele aber bereits nicht mehr. Es wäre schade, wenn sie dies aufgrund der Lektüre eines solch hinkenden Kostenvergleichs nicht bemerken würden.
Wir spielen es einmal beim Opel Corsa durch und wählen dabei gezielt als Gegenpol besonders positive Annahmen für das elektrische Modell, wobei die durchschnittliche Wahrheit dann irgendwo zwischen unseren Parametern und denen der Auto Bild liegen dürfte. Wer seinen Corsa überwiegend zuhause lädt und mit 17 kWh pro 100 Kilometer fährt, bewegt seinen E-Corsa für etwa 0,36 Euro pro Kilometer – eine vielleicht bessere Wertentwicklung als derzeit angenommen bleibt dabei unberücksichtigt. Beim Benziner sind es hingegen etwa 0,45 Euro. Das Elektroauto ist also mit unseren optimistischen, aber nicht unrealistischen Annahmen um 20 Prozent günstiger als sein Verbrenner-Bruder – anstatt sieben Prozent teurer wie bei der Auto Bild.
Lassen Sie sich also nicht verunsichern, sondern schauen Sie selbst genau hin, welche Annahmen auf Sie persönlich zutreffen!
Quelle: Auto Bild (8/2024, S. 28 bis 37) – “Benzin oder Batterie – Was rechnet sich wirklich?”