Mercedes-Benz verstärkt seine Entwicklungsaktivitäten in der Batterietechnologie. Mit einem Festakt im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und weiteren hochrangigen Gästen eröffnete Mercedes-Benz im Herzen seines Stammsitzes in Stuttgart-Untertürkheim sein eCampus genanntes Kompetenzzentrum zur Entwicklung von Zellen und Batterien für die künftigen Elektroautos der Marke, für das vor ziemlich genau zwei Jahren der Grundstein gelegt wurde.
Ziel ist es, neuartige Chemiekombinationen und optimierte Fertigungsprozesse für Hochleistungszellen mit „Mercedes‑Benz DNA“ zu entwickeln und so die Batteriekosten in den nächsten Jahren um mehr als 30 Prozent zu senken, so der Hersteller in einer aktuellen Mitteilung. Der Mercedes-Benz eCampus soll das gesamte Feld der Batterie- und Zelltechnologie abdecken. Es reicht von der Entwicklung und Evaluierung neuer Zellchemien über die Zellfertigung im industriellen Maßstab bis hin zur Erprobung und Zertifizierung von kompletten Batterieeinheiten.
„Die Eröffnung des Mercedes-Benz eCampus markiert einen wichtigen Schritt in unserer nachhaltigen Geschäftsstrategie. Es ist unser Anspruch, auch beim elektrischen Fahren eine technologisch führende Rolle zu übernehmen. Der eCampus bringt uns diesem Ziel näher“, ist sich Ola Källenius sicher, der Vorstandsvorsitzende der Mercedes-Benz Group. Die Arbeit, die dort geleistet wird, soll dazu beitragen, die Batteriekosten in den kommenden Jahren um mehr als 30 Prozent zu senken. „Die Ansiedlung des eCampus im Herzen unserer Forschung und Entwicklung von Antriebssystemen ist zudem ein klares Bekenntnis zu einer nachhaltigeren Zukunft und zu unserem traditionsreichen Standort Stuttgart-Untertürkheim“, so der Mercedes-Chef.
„Leistungsfähige Batterien sind das Herzstück der Elektrifizierung des Verkehrs und der Schlüssel für eine erfolgreiche Transformation der Automobilindustrie. Die Nachfrage nach innovativen und nachhaltigen Batterien wird in den kommenden Jahren in Europa weiter stark steigen. Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass Deutschland und Europa eigene Kapazitäten und insbesondere eigenes Know-how in dieser Schlüsseltechnologie aufbauen. Das stärkt nicht nur den Wirtschaftsstandort und schafft moderne, zukunftssichere Arbeitsplätze, sondern erhöht auch die Widerstandsfähigkeit Europas“, sagte Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, bei der Eröffnung des eCampus.
Mercedes-Benz entwickelt unterschiedliche Ausprägungen der Zellchemie. Das Unternehmen arbeitet unter anderem an Lithium-Ionen-Zellen mit Hochenergie-Anoden auf Basis von Siliziumkompositen und innovativen kobaltfreien Kathoden-Chemien sowie an der Feststoffbatterietechnologie. Ziel ist es, die bestmöglichen Zellen für eine hohe Energiedichte, Schnellladefähigkeit und Leistungsfähigkeit zu entwickeln sowie das Know-how für deren Industrialisierung aufzubauen.
Konkret soll die Energiedichte durch den Einsatz neuer Technologien wie Hochsiliziumanoden oder Feststoffelektrolyten auf bis zu 900 Wh/l gesteigert werden. Nur mit einer umfassenden Kenntnis der Zellchemie und deren Design ist eine Skalierung der Produktion sichergestellt. Die im eCampus gewonnenen Erkenntnisse sollen in die Serienproduktion von Batteriezellen bei den Partnerunternehmen einfließen – für den Einsatz in künftigen Mercedes-Benz Batteriegenerationen.
Wie wichtig die Beherrschung der Zellchemie für die Entwicklung künftiger Produkte ist, hat beispielsweise das Technologieprogramm Vision EQXX gezeigt. Dank einer leistungsfähigen Batterie mit zukunftsweisender Zellchemie hat dieses Fahrzeug bei mehreren Fahrten Strecken- und Effizienzrekorde für Elektroautos aufgestellt mit Reichweiten von deutlich mehr als 1000 Kilometern mit einer Akkuladung.
Batterieentwicklung auf neuem Niveau
Der Betrieb im neuen Kompetenzzentrum für Batterietechnologien im Zentrum des Werks Stuttgart-Untertürkheim startet in zwei Stufen. Die rund 10.000 Quadratmeter große Fabrik für die industrielle Fertigung von Batteriezellen hat nach etwa zweijähriger Bauphase ihren Betrieb aufgenommen. Produktionsanlagen im sogenannten „Industrial Cell Lab“ ermöglichen es, Batteriezellen mit unterschiedlicher Chemie im industriellen Maßstab zu fertigen und zu testen. Mehrere Zehntausend Zellen können hier jährlich für die Entwicklung künftiger Batteriegenerationen produziert werden.
Der Produktionsprozess besteht aus einer Reihe automatisierter und manueller Arbeitsschritte. Er deckt von der Elektrodenfertigung über die Zellmontage mit der Elektrolytbefüllung und die Formierung mit den ersten Lade- und Entladevorgängen bis hin zur Veredelung alle Herstellungsschritte für Batteriezellen ab.
Der Prozess der Zellherstellung hat großen Einfluss auf die Qualität der Batterie. Daher hat Mercedes-Benz den Anspruch, nicht nur die chemische Zusammensetzung der Zellen zu beherrschen, sondern auch den industriellen Herstellungsprozess. Durch das neue „Industrial Cell Lab“ gewinne das Unternehmen die Kompetenz für einen wirtschaftlichen Fertigungsprozess von Zellen mit „Mercedes-Benz DNA“. Es ergänzt somit die beiden bereits bestehenden Zelllabore: Im „Chemistry Lab“ werden neuartige Zellchemien und fortschrittliche Zelldesigns entwickelt und evaluiert. Im „Flexible Cell Lab“ werden die Neuentwicklungen im automobilen Pouchzellen-Format produziert und getestet.
Der Gebäudeneubau für die zweite Stufe soll bis Ende dieses Jahres fertiggestellt sein. In dem neuen Test- und Erprobungszentrum entsteht unter anderem eine Batterieanlauffabrik zur Produkt- und Prozessentwicklung. Auch soll hier der Reifegrad für die industrielle Großserienproduktion abgesichert werden. Verschiedene Funktionen des Prüffeldes am Standort Nabern werden hierzu in den eCampus nach Untertürkheim transferiert. Auf rund 20.000 Quadratmetern entstehen moderne Prüfstände, mit denen die Sicherheit und Lebensdauer von Batterien umfassend getestet und erprobt werden.
Von der Nockenwelle zur Batteriezelle
Das neue Gebäude des Mercedes-Benz eCampus steht auf der Fläche der ehemaligen Gebäude 132/1 und 132/2 im Zentrum des Werks Stuttgart-Untertürkheim, das auf eine lange und bewegte Historie zurückblickt. Das Gebäude 132/1 wurde bereits 1907 erbaut und beherbergte in seinen Anfangsjahren die Produktion von Nocken- und Kurbelwellen. Diese wurden in zahlreichen Generationen der Mercedes-Benz Verbrennungsmotoren verbaut.
Über die Jahre kamen eine Reihe unterschiedlicher Gewerke hinzu. Dazu gehörten die Werkzeugeinstellung, der Zentralmessraum, der Fertigungsmessraum für Kurbelwelle und Pleuel sowie die Produktionsleitung für Motoren. Als Kompetenzzentrum für zukünftige Antriebstechnologien spielt der neue eCampus eine Schlüsselrolle bei der Transformation des 120-jährigen Traditionswerks.
120 Jahre Mercedes-Benz Untertürkheim
Mit dem neuen eCampus festigt Mercedes-Benz die Rolle seines größten Powertrain-Standorts im globalen Netzwerk, der in diesem Jahr sein 120. Jubiläum begeht. Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe sollen Untertürkheim als Hightech-Standort für Antriebstechnologien stärken – ein klares Bekenntnis für die Belegschaft und den Automobilstandort Baden-Württemberg, wie der Hersteller betont.
Das 1904 gegründete Mercedes-Benz Werk Stuttgart-Untertürkheim erstreckt sich auf mehrere Werkteile im Neckartal und hat die Weichen in Richtung E-Mobilität bereits vor einiger Zeit gestellt. Das Werk produziert schon heute flexibel Antriebssysteme sowohl für vollelektrische als auch für elektrifizierte Fahrzeuge. Untertürkheim verantwortet die Produktion von Antriebskomponenten. Auch die Schmiede ist hier angesiedelt. Auf dem Untertürkheimer Werksgelände befindet sich außerdem ein Großteil der konzernweiten Antriebsforschung und -entwicklung mit einer Teststrecke zur Fahrzeugerprobung sowie der neue Mercedes‑Benz eCampus.
Auch der zentrale Van-Bereich sowie dessen Forschung und Entwicklung sind hier angesiedelt. Untertürkheim ist zudem Sitz der Konzernzentrale der Mercedes-Benz Group AG. Insgesamt sind mehr als 23.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort inklusive seiner Werkteile beschäftigt – rund 14.100 davon im Produktionsumfeld. Ab 2024 beginnt am Standort Untertürkheim der Hochlauf für die Produktion von elektrischen Antriebseinheiten für vollelektrische Mercedes-Benz Fahrzeuge.
In Bad Cannstatt werden hocheffiziente Motoren produziert. In Mettingen befinden sich die antriebsflexible Achsfertigung sowie die Gießerei. Hier werden ab 2024 Teile elektrischer Antriebseinheiten gefertigt und zu elektrischen Achsen montiert. Die Getriebeproduktion erfolgt im Werkteil Hedelfingen. Seit 2021 werden hier auch Batteriesysteme für die vollelektrischen Modelle EQS und EQE produziert. In diesem Jahr startet zudem die Fertigung von Teilen elektrischer Antriebseinheiten. Die flexible Fertigung befindet sich in Sirnau, die Ausbildung hat ihren Sitz in Brühl. Der Werkteil Brühl verfügt seit 2022 über eine Batteriefabrik, in der Systeme für Mercedes-Benz Plug-in-Hybrid-Modelle produziert werden. Ab 2024 startet hier der Hochlauf für die Produktion von Batterien für vollelektrische Modelle.
Batterie-Wertschöpfungskreislauf schließen
Die Eröffnung des eCampus markiert einen wichtigen Schritt in der nachhaltigen Geschäftsstrategie von Mercedes-Benz. Bis 2039 strebt das Unternehmen eine bilanziell CO2-neutrale Flotte von Neufahrzeugen über ihren gesamten Lebenszyklus an. Einer der wichtigsten Hebel dafür ist neben der Dekarbonisierung die Etablierung einer echten Kreislaufwirtschaft, um Primärressourcen zu schonen. Mercedes-Benz verfolgt mit Blick auf die Batterien einen ganzheitlichen Ansatz und betrachtet dabei drei Kernthemen: zirkuläres Design, Werterhaltung und das Schließen des Kreislaufs.
Die Aktivitäten des eCampus bilden den Startpunkt des Kreislaufgedankens von Mercedes-Benz. Mit dem Ansatz „Design for Circularity“ betrachtet das Unternehmen von Anfang an die gesamte Wertschöpfungskette der Batterietechnologie, von der Entwicklung neuer Zellchemien über die Erprobung von Batteriezellen bis hin zu deren Produktion in geringen Stückzahlen für die Entwicklung. Die Erkenntnisse fließen in die Serienfertigung der Batteriezellen bei Partnerunternehmen ein.
Die Produktion der Batterien für die Elektroautos von Mercedes-Benz erfolgt bilanziell CO2-neutral in Batteriefabriken auf drei Kontinenten – unter anderem in den zwei Untertürkheimer Werkteilen Brühl und Hedelfingen. Die lokale Batterieproduktion sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die nachhaltige Geschäftsstrategie von Mercedes-Benz, so der Hersteller in seiner Mitteilung.
Aufbereitete Batterien als Ersatzteil oder für Großspeicher
Das Unternehmen bietet für alle elektrischen Fahrzeuge auch aufbereitete Batterien als Ersatzteil an, um dem Gedanken eines geschlossenen Wirtschaftskreislaufs gerecht zu werden und Ressourcen zu schonen. Außerdem wurde mit dem Tochterunternehmen Mercedes-Benz Energy ein erfolgreiches Geschäftsmodell mit stationären Großspeicheranwendungen etabliert. Batterien, die nicht mehr im Fahrzeug einsetzbar sind, lassen sich in einem 2nd-Life-Speicher weiter nutzen. Das stoffliche Recycling steht am Ende des Lebens einer Batterie und bildet den Schlüssel für die Schließung des Wertstoffkreislaufs. Ein wichtiger Schritt dafür ist die Eröffnung einer eigenen Batterie-Recyclingfabrik im süddeutschen Kuppenheim in diesem Jahr.
eCampus mit nachhaltigem Gebäudekonzept
Auch das Gebäudekonzept des mehr als 30.000 Quadratmeter großen neuen eCampus in Untertürkheim entspreche den Nachhaltigkeitskriterien von Mercedes-Benz. Für den Baugrund kam Recyclingbeton zum Einsatz, der aus Abbruchmaterialien hergestellt wurde. Mehr als 75 Prozent der nutzbaren Dachfläche des hochmodernen Test- und Erprobungszentrums werden mit Photovoltaikanlagen ausgestattet und versorgen die Anlagen mit regenerativer Energie. Zudem wird die gesamte Dachfläche begrünt. Reversible Wärmepumpen und Kältespeicher ermöglichen eine nachhaltige Wärmeversorgung und Klimatisierung der Halle. Hybridkühltürme erhöhen die Effizienz bei der Wasserversorgung.
Bereits seit 2022 arbeiten die eigenen Produktionsstandorte von Mercedes-Benz bilanziell CO2-neutral. Bis 2030 ist vorgesehen, mehr als 70 Prozent des Energiebedarfs in der Produktion durch erneuerbare Energien zu decken. Dies soll durch den Ausbau von Solar- und Windenergie an den Standorten und den Abschluss weiterer entsprechender Stromabnahmeverträge erreicht werden. Ziel für alle Mercedes-Benz Produktionswerke weltweit ist es, bis 2039 zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu arbeiten.
Quelle: Mercedes-Benz – Pressemitteilung vom 08.07.2024