DIW-Präsident: Rückkehr zum Verbrenner wäre „katastrophal“

DIW-Präsident: Rückkehr zum Verbrenner wäre „katastrophal“
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Michael Neißendorfer
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Der Ökonom Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hält das sture Festhalten am Verbrenner für einen gefährlichen Irrweg. Die Entscheidung für die E-Mobilität sei längst gefallen, allerdings „nicht in Brüssel oder Berlin, sondern in China, in Indien, in den USA, im Rest der Welt“, sagte er in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Sollten Deutschland oder gar Europa einen Sonderweg gehen, und zurück zum Verbrenner schwenken, werde der kriselnde Hersteller Volkswagennoch ein Viertel, maximal ein Drittel seiner Verkaufszahlen für eine Weile retten können“. Danach würde VW „nicht drei Werke schließen und fünf Prozent seiner Belegschaft abbauen müssen, dann müssten zwei Drittel der Mitarbeiter nach Hause geschickt werden“.

Jede weitere Verzögerung des Hochlaufs von Elektroautos wäre „katastrophal“, warnt Fratzscher. Es sei „ein Irrsinn zu glauben, wir könnten eine Mauer um Europa bauen, E-Autos aus den USA und Asien nicht mehr reinlassen und innerhalb der Mauern unsere Diesel und Benziner abfeiern“. Es drohe ein „ökonomischer Selbstmord mit Ansage“. Er räumt ein, der Umstieg auf Elektroautos sei „ein gewaltiger Kraftakt, der Zeit benötigt, auch für den Aufbau der Ladeinfrastruktur und so weiter.

Doch Länder wie China, der mit Abstand größte Automarkt weltweit, wo zuletzt mehr als die Hälfte der Neuwagen per Stecker aufladbar waren, zeigten, dass die Transformation machbar sei: „Die technologische Entwicklung gerade in China ist schon längst soweit, dass preiswerte E-Autos mit langen Reichweiten angeboten werden“, so der DIW-Präsident. In China sei das Fahren mit erneuerbarem Strom „auch längst deutlich preiswerter als mit Sprit. Kurzum: Ein sauberer und preiswerter Antrieb ersetzt eine klimaschädliche und teure Technologie.“

An den EU-Regeln, die die CO₂-Grenzwerte immer strenger ziehen und das Ende fossil betriebener Verbrenner ab 2035 einläuten, sollte nicht gerüttelt werden: „Sowohl die CO₂-Flottengrenzwerte als auch das Zulassungsverbot für Diesel und Benziner müssen bleiben und dürfen nicht gelockert werden“, mahnt Fratzscher. „Ansonsten wäre der Schaden, gerade für Deutschlands Automobilindustrie, immens.“

„Die deutschen Hersteller bauen fantastische Autos – nur leider mit dem falschen Antrieb“

Er sagte auch, dass die deutschen Autohersteller „inklusive VW fantastische Autos bauen – nur leider mit dem falschen Antrieb“. Sie hätten „zu lange auf den Verbrenner gesetzt“ und ständen nun vor zwei Herausforderungen: „Sie müssen den Umstieg auf die Elektromobilität schaffen und sie müssen kostengünstiger produzieren“, so der DIW-Präsident. Das bedeute „eben auch, dass man den Gürtel eine Zeit lang enger schnallen muss“.

Mit Blick auf Volkswagen sagt Fratzscher, die aktuelle Krise wäre „vermeidbar gewesen, hätte das Management bei VW in der Vergangenheit nicht so eklatante Fehler gemacht“. VW müsse sich nun „zukunftsfähig aufstellen“ und sollte alte Strukturen aufbrechen: „Lieber sollte VW zwischen 90 und 95 Prozent der Jobs sichern, als am Ende alle Jobs zu gefährden.“ VW müsse „dringend Milliarden mobilisieren, um den technologischen Rückstand bei der E-Mobilität und im Softwarebereich aufzuholen“, so der DIW-Präsident.

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DIW-Präsident Marcel Fratzscher / DIW

Er rät VW dazu „einige Werkewie vom Management vorgesehen zu schließen und „die verbliebenen Standorte auf die Produktion von E-Autos“ umzurüsten. Der „Spagat“ sei „massive Investitionen auf der einen Seite, eine höhere Effizienz auf der anderen“. VW müsse „in den wichtigsten Bereichen der Zukunft – E-Mobilität und autonomes Fahren – innovativer und effizienter werden“. So könnten sich Kosten senken und die Wettbewerbsfähigkeit steigern lassen, „weil die Autos günstiger werden und sich mehr Leute Volkswagen leisten können“.

Die Krise bei Volkswagen teilt Fratzscher in drei Kategorien auf: Erstens den Diesel-Skandal, „der weltweit viel Vertrauen zerstört hat“, zweitens „die verschlafene Transformation zur E-Mobilität“ und drittens „die viel zu hohe Abhängigkeit von China“. Einst erzielte VW in China 40 Prozent seiner Erträge. Nun aber übernehmen chinesische Hersteller mit günstigen, hochdigitalisierten Elektroautos mehr und mehr den Heimatmarkt, und „deutsche E-Autos spielen kaum noch eine Rolle“.

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung – DIW-Präsident warnt vor gelockerten CO₂-Limits: „Das wäre ökonomischer Selbstmord“

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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