Dienstwagen-Check: Politiker setzen weiter auf CO2-Schleudern

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Im 18. Dienstwagen-Check der Deutschen Umwelthilfe (DUH) fallen knapp drei Viertel der befragten Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker durch: 186 von 252 Politikerinnen und Politiker auf Bundes- und Landesebene überschreiten mit ihren Dienstwagen im Realbetrieb teils deutlich den EU-Flottengrenzwert. Davon erhalten 162 Politikerinnen und Politiker eine Rote Karte, weil der CO2-Ausstoß ihrer Dienstwagen 20 Prozent über dem europäischen Flottengrenzwert liegt.

Immerhin hat sich die Situation etwas verbessert: Vergangenes Jahr musste die DUH noch 190 Rote Karten verteilen. Insgesamt hat sich der durchschnittliche CO2-Verbrauch der reinen Verbrenner-Dienstwagen auf der Straße im Vergleich zum Vorjahr allerdings erhöht (von 199 g CO2/km auf 209 g CO2/km).

Vor allem der Regierungs-Fuhrpark fährt wie im Vorjahr ungebremst gegen die Wand: 7 von 9 Bundesministerinnen und -ministern liegen mit ihren Dienstwagen teils deutlich über den erlaubten 95 g CO2/km. Schlusslicht neben Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ist erneut Justizminister Marco Buschmann. Deren Dienstwagen stoßen auf der Straße mehr als doppelt so viel CO2 aus wie der EU-Flottengrenzwert erlaubt. Lediglich die Familienministerin Lisa Paus und Entwicklungsministerin Svenja Schulze halten mit ihren Elektroautos den Grenzwert ein. Besonders kritisch sieht die DUH, dass immer noch 96 Politikerinnen und Politiker auf Plug-in-Hybride und somit auf besonders klimaschädliche Fahrzeuge setzen; im Vorjahr lag die Zahl der Plug-in-Hybride mit 112 noch deutlich höher.

Das Ergebnis unserer diesjährigen Umfrage ist entlarvend: Die Bundesregierung ist kein Vorbild. Zu viele Regierungsmitglieder, einschließlich der Staatssekretärinnen und -sekretäre, setzen auf klimaschädliche Autos mit Plug-in-Hybridantrieb. Diese erscheinen auf dem Papier umweltfreundlich, sind tatsächlich aber wahre Klimakiller“, kritisiert Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH. Dieser Stillstand bei den Dienstwagen sei „sinnbildlich für den gesamten Verkehrssektor“, der beim Klimaschutz ebenfalls stagniert.Wenn die Bundesregierung ihre Glaubwürdigkeit nicht vollständig verlieren will, muss sie dringend umsteuern.“

Dasselbe gelte auf Landesebene: So führen der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Hendrik Wüst und der Regierende Berliner Bürgermeister Kai Wegener Symbole entsprechend „der klimafeindlichen Verkehrspolitik ihrer Verbrenner-Lobby-Partei CDU“, so DUH-Geschäftsführerin Metz weiter: „Deren Dienstautos, beides Audi A8, haben einen realen CO2-Ausstoß, der viermal so hoch ist wie der Flottengrenzwert. Angesichts der hochmotorisierten Spritschlucker, die viele Politikerinnen und Politiker fahren, wundert es nicht, dass auch die deutsche Automobilindustrie nach wie vor auf große und teure Verbrenner setzt, anstatt endlich sparsame und kleine Elektroautos anzubieten“.

Die DUH forderte, so Metz, daher „alle Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker auf, jetzt mit gutem Beispiel voranzugehen und – wenn ein Dienstwagen unverzichtbar ist – auf emissionsarme Fahrzeuge zu setzen. Besonders absurd ist der PS-Wahn von Kai Wegner und Iris Spranger, die im Stadtstaat Berlin trotz verhältnismäßig kurzer Wege die schmutzigsten Spritschlucker überhaupt fahren.“

Jens Hürdler, Senior Expert Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH, hat einige weitere negative Beispiele parat: „Es gibt zwar Lichtblicke in unserem Dienstwagen-Check, sie reichen aber noch lange nicht für eine konsequente Kehrtwende in Richtung Klimaschutz. Einige Politikerinnen und Politiker setzen zwar auf elektrisch betriebene Dienstwagen, diese sind dann aber teils völlig überdimensioniert und verbrauchen so viel Strom, dass wir diesen auch eine rote Karte geben müssen. Dies betrifft zum Beispiel den Dienstwagen des Berliner Senators für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen Christian Gaebler, einen Audi SQ8 Sportback e-tron. Das zeigt: Batterieelektrische Antriebe sind nicht per se emissionsfrei, sondern ihre Klimawirkung hängt auch vom Anteil fossiler Energien im Strommix ab. Effizienzstandards für E-Fahrzeuge sind daher überfällig, ebenso wie eine transparente und ehrliche Verbrauchskennzeichnung.“

Mehr als 300 Gramm CO2 je Kilometer liegen zwischen den Spitzenreitern und Schlusslichtern

An der Spitze des Gesamtrankings stehen erneut die sächsische Staatsministerin Katja Meier mit einem VW ID.3 Pro (realer CO2-Ausstoß von 68 g/km) sowie neu die Staatssekretärin Margit Gottstein aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit einem BMW i3 (realer CO2-Ausstoß ebenfalls bei 68 g/km).

Schlusslichter im Gesamtranking sind wie im Vorjahr NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, NRW-Innenminister Herbert Reul, der Baden-Württembergische Innenminister Thomas Strobl und die Berliner Innensenatorin Iris Spranger: Alle haben jeweils einen Audi A8 als Dienstwagen gewählt, der 380 g/km realen CO2-Ausstoß auf die Straße bringt. Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin, ist mit einem realen CO2-Ausstoß von 375 g/km (ebenfalls ein Audi A8) nur unwesentlich besser.

Als einzige Landesregierungschefs erhalten eine Grüne Karte Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher (Mercedes-Benz EQE 500) und Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg (Mercedes-Benz EQS 580 4MATIC).

13 von 17 Umweltministerinnen und -ministern aus Bund und Ländern setzen auf einen vollelektrischen Antrieb, aber nur neun davon bekommen ein Grüne Karte. Die anderen nutzen laut der DUH überdimensionierte und damit ebenfalls nicht besondern klimafreundliche Elektroautos.

Insgesamt wechselten 25 Politikerinnen und Politiker auf einen rein elektrischen Antrieb. Beachtliche Reduktionen konnten Ministerin Katrin Eder (Mercedes Benz EQE 350; Rheinland-Pfalz) mit satten 133 g/km CO2-Einsparung und Ministerin Petra Berg (BMW i7 xDrive60; Saarland) mit 105 g/km CO2-Einsparung erzielen. Negativ hervorzuheben seien jedoch die Parlamentarische Staatssekretärin Siemtje Möller (Bundesministerium der Verteidigung) und Ministerin Wiebke Osigus (Niedersächsisches Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung), die statt eines rein elektrischen Dienstwagens wie ihre Vorgänger wieder ein Auto mit Verbrennungsmotor nutzen.

Nur einzelne Spitzenpolitikerinnen und -politiker verzichten komplett auf einen persönlichen Dienstwagen und nutzen stattdessen beispielsweise Dienstfahrräder oder Fuhrparkfahrzeuge. Dazu zählen die Staatssekretäre Udo Philipp und Sven Giegold aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die Bremer Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf sowie Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks.

Wie der Dienstwagen-Check errechnet wird

Der 18. Dienstwagen-Check der DUH beruht auf einer Abfrage im Zeitraum von Januar bis Mai 2024. Die besonders geschützten Fahrzeuge des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers, des Verteidigungsministers sowie der Außen- und Innenministerin und der Minister für Gesundheit und Finanzen fließen wie in den Vorjahren nicht in die Wertung ein. Amtsträgerinnen und Amtsträger, die nach Abschluss der Befragung das Amt gewechselt haben oder ausgeschieden sind, wurden nicht berücksichtigt. Dasselbe gilt für Neubesetzungen außerhalb des Befragungszeitraums.

Die Auswertung basiert auf der Emissionsangabe auf Basis der Worldwide Harmonised Light-Duty Vehicles Test Procedure (WLTP). Dieser Wert ist maßgeblich für die Einhaltung des EU-weit bindenden Flottengrenzwertes bei Pkw-Neuzulassungen, der zurzeit bei 95g CO2/km liegt. Dem Ranking liegt der CO2-Ausstoß im realen Fahrbetrieb zugrunde. Bei Elektro-, Wasserstoff- sowie reinen Verbrennerfahrzeugen (Diesel und Benzin) basiert dieser auf offiziellen Angaben eines jeden Fahrzeugs, da die WLTP-Werte mit den Messergebnissen von Fahrzeugtests unterschiedlicher Medien meist übereinstimmen.

Bei Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen wird mithilfe eines reichweitenspezifischen Utility Faktors (ICCT Studie 2017) der CO2-Ausstoß im reinen Verbrennermodus ermittelt, da diese Fahrzeuge vorwiegend mit leerer Batterie (ICCT Studie 2022) gefahren werden. Bei Fahrzeugen mit teilelektrischem oder vollelektrischem Antrieb wurde der CO2-Gehalt des deutschen Strommixes nach aktuellen Angaben des Umweltbundesamtes für das Jahre 2022 herangezogen. Unterschiedliche CO2-Angaben für das gleiche Fahrzeugmodell ergeben sich zum Beispiel durch verschiedene Erstzulassungszeitpunkte und Ausstattungsvarianten.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe – Pressemitteilung vom 08.07.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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adson:

Es gäbe sicher bereits vergleichbare E-Autos. Wenn dann jedoch noch die „Tonnen“ schwere Panzerung hinzu kommt, bricht das Auto zusammen und die Reichweite wird halbiert. An der Fahrweise müsste man dann sicher auch noch arbeiten.

Birger:

Richtig Läubli, vorgestern gesehen im Fernsehen, wie sich der Grünenpolitiker feiern lies den übernommen Diesel gegen ein E Auto getauscht zu haben. Und was war es ein SUV Audi! Ein gutes Gefühl, sagt er! Der Wagen braucht nur 104 Gramm CO2. Mein 8 Jahre alter Verbrenner braucht nur 94 Gramm CO2!

Läubli:

War so, ist so, bleibt so. Da ändert auch das Elektroauto nichts daran, denn diejenigen Personen werden dann einfach den grössten, unsinnigsten E-Wagen fahren. Das ist dann aber trotzdem als Vortschritt zu sehen, da es immer noch viel besser ist als ein V8!

Wir kommen also durchaus voran, aber es braucht noch ein wenig Zeit dazu, man kann viele Menschen nicht zum Wandel zwingen, die müssen zuerst selber daurauf kommen, dass sowas neues und fremdes durchaus cool sein kann und Sinn macht. Zwang hilft nicht, im Gegenteil!

heinr:

War schon immer so, Wasser predigen und selber Wein saufen.

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