Deutsche gespalten bei Corona-Kaufprämien für (Elektro-)Autos

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Ginge es nach Herstellern sowie eini­gen Landesregierungen soll die im Zuge der Corona-Krise stark ge­beutelte Automobilwirtschaft vonseiten des Staates mit einer antriebsunabhängi­gen Kaufprämie für Neuwagen, ähnlich der Elektroauto-Prämie, unterstützt werden. Dies solle zum einen die Wirtschaft stärken und zum anderen mit dem Aus­tausch älterer Fahrzeuge durch neue und umweltfreundlichere Modelle die Energiewende vorantreiben. Einer repräsentativen Umfrage des Gebrauchtwagenportals Mobile.de unter mehr als 2000 Personen zufolge sieht jeder Zweite (47 Prozent) hierzulande Vorteile in der Einführung einer solchen Prämie – doch nur knapp jeder fünfte Deut­sche (18 Prozent) wäre auch bereit, sie in Anspruch zu nehmen.

Die mit der Corona-Krise einhergehenden Geschäfts- und Werksschließungen haben viele deutsche Bürger und Unternehmen in eine prekäre wirtschaftliche Situation ge­bracht – dennoch hat dies bei nur wenigen potenziellen Autokäufern bisher zu einer Änderung ihrer Kaufabsichten geführt: 14 Prozent der Deutschen planen derzeit die Anschaffung eines Autos. Knapp zwei Drittel (65 Prozent) von ihnen hatten dies schon vor der Krise geplant, immerhin jeder Dritte (35 Prozent) hat diese Entschei­dung erst kürzlich gefällt. Zwar wollen insgesamt 77 Prozent der Deutschen derzeit kein Auto kaufen, aber nur bei 9 Prozent beruht dieser Entschluss auf den Auswirkun­gen der grassierenden Pandemie.

Um wirklich zu überzeugen und einen Anreiz zum Kauf eines Neuwagens zu bieten, müsste eine Prämie für knapp ein Viertel der Deutschen (23 Prozent) bei deutlich über 5000 Euro liegen. Immerhin 14 Prozent würden sich auch mit wenigstens 5000 Euro zufriedengeben, lediglich 3 Prozent würden in einer Kaufprämie unter 3000 Euro einen Anreiz für den Kauf eines Neuwagens sehen.

Würde am 5. Mai beim Autogipfel im Bundeskanzleramt eine Kaufprämie für Neuwa­gen beschlossen, ließe sich immerhin jeder Zweite (51 Prozent), der infolge der Krise den geplanten Autokauf verschoben hatte, vom Gegenteil überzeugen. Nur 9 Pro­zent derer, die weder vor noch während der Krise einen Auto­kauf geplant hatten, würden mit einer entsprechenden Prämie eine Anschaffung in Erwägung ziehen. Ins­gesamt die Hälfte aller Deutschen (47 Prozent) sieht generell Vorteile in einer an­triebsübergreifenden Kaufprämie: Förderung von umweltfreundlichen (geringerer CO2-Ausstoß) oder alternativen Antrieben zusätzlich zu E-Autos (25 Prozent); Möglichkeit der persönlichen Ersparnis beim Autokauf (17 Prozent);
Stärkung der Automobilwirtschaft (16 Prozent).

Vier von zehn sähen die Gelder lieber in anderen Bereichen

38 Prozent der von Mobile.de Befragten hält allerdings nichts von einer Prämie. Die dafür benötigten Gelder sollten ihrer Meinung nach lieber in andere Bereiche investiert werden. Dieser Meinung sind auch die Grünen sowie der Umweltverband BUND: Die BUND Landesvorsitzenden in Baden-Württemberg, Niedersachen und Bayern etwa appellieren an die Ministerpräsidenten ihrer Länder „Hände weg“ von einem plumpen Milliardengeschenk an die Autoindustrie. Anlässlich des Autogipfels der Ministerpräsidenten von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen fordern die Vorsitzenden der BUND-Landesverbände dieser Länder: „Keine Kaufprämie für Autos wie die ‚Abwrackprämie‘ von 2009!“ Stattdessen solle es eine Mobilitätsprämie direkt für die Bürgerinnen und Bürger geben. „Die Corona-Konjunkturprogramme müssen genutzt werden, um eine Mobilitätswende einzuleiten mit dem Ziel, den Autoverkehr zu reduzieren.“

„Der Vorschlag einer ‚Innovationsprämie‘ für den Kauf ‚umweltfreundlicher‘ Fahrzeuge geht uns nicht weit genug. Es ist nicht zielführend, Fahrzeuge zu fördern, deren Technik nicht zukunftsweisend ist. Dazu gehören auch die Plug-in-Hybride, die eine Mogelpackung sind und Umwelt und Verbraucher wenig nützen. Wenn überhaupt, darf es nur eine Kaufprämie für kleine, rein elektrische Fahrzeuge geben.“ — Dr. Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND Baden-Württemberg

Die Fehler früherer Krisen dürften sich nicht wiederholen, so Dahlbender weiter. Ziel müsse es stattdessen sein, durch eine Mobilitätswende die Zahl der Autos und LKW’s in Deutschland deutlich zu reduzieren „und zu einem menschen- und klimagerechten Verkehrssystem zu kommen“. Es sei ein Skandal, dass jetzt schon wieder mit einer als Innovation verbrämten Subvention einseitig die Autoindustrie gefördert werden soll, so wie durch die im Jahr 2009 nach der Finanzkrise eingeführte Abwrackprämie für Autos. Die Abwrackprämie sei ein „gigantisches Investitionsprogramm in eine veraltete, auf fossile Energieträger basierende Technologie“ gewesen, die zu mehr Straßenverkehr, mehr CO2-Emissionen und einer „gigantischen Vernichtung von Werten und Ressourcen zugunsten der Automobilindustrie“ geführt habe.

BUND fordert Mobilitätsprämie für Alle

Die Corona-Krise betrifft alle Menschen, nicht nur die Automobilbranche. Der BUND fordert daher eine Mobilitätsprämie, die direkt an die Bürger ausbezahlt wird. Diese können sie dann in ein ökologisches Verkehrsmittel ihrer Wahl, sei es Fahrrad, Bahncard, Nahverkehrsticket oder kleines Elektroauto, investieren“, schlägt Richard Mergner vor, Vorsitzender BUND Naturschutz in Bayern. „Schließlich wird die Prämie auch aus dem Steueraufkommen aller Bürger bezahlt und nicht nur von der Autoindustrie, die sowieso Steuern zu vermeiden sucht, wo sie nur kann. Wir fordern eine sozial-ökologische Ausgestaltung der Prämie, die es nicht zulässt, dass Gewinne in guten Zeiten privatisiert, in Krisenzeiten aber die Verluste sozialisiert werden“, so Mergner weiter.

Außerdem fordert der BUND „eine Mobilitätswende mit Investitionen in die Schiene, den ÖPNV, in die Ladeinfrastruktur E-Mobilität und die Radinfrastruktur.“ Statt neuer Straßenbauprojekte müsse die Erhaltung der bestehenden Infrastruktur absoluten Vorrang bekommen. „Wir fordern den Stopp aller Straßenbauprojekte“, so Heiner Baumgarten, Landesvorsitzender des BUND Niedersachsen. Der Verkehrsbereich sei „das schwärzeste Schaf beim Klimaschutz“ unter den verschiedenen Sektoren, weil dessen Treibhausgasemissionen seit 1990 fast nicht abgenommen haben. „Alle Investitionen in diesen Sektor müssen daher dem Erreichen des Pariser 1,5-Grad-Ziels dienen.“

Mehr Mobilität und weniger Verkehr

Mehr Mobilität und weniger Verkehr – unter diesem Motto setzen sich BUND Niedersachsen, BUND Baden-Württemberg und BUND Bayern, seit vielen Jahren für eine nachhaltige Mobilität ein. Wenn wir tatsächlich eine umweltverträgliche und bezahlbare Mobilität auch für kommende Generationen sichern wollen, müssen wir aus der Sackgasse des „immer weiter“ und „immer schneller“ im Personen- und Güterverkehr herausfinden, so der Verband in einer aktuellen Mitteilung.

Für eine wirklich nachhaltige Mobilität, die nicht nur Luftverschmutzung – die auch im Verdacht steht, ein Beschleuniger für COVID-19-Viruserkrankungen zu sein -, sondern auch Klimawandel und Flächenfraß eindämmt, sei ein umfassender Wandel mit viel weniger Autoverkehr nötig. „Wir brauchen eine wirkliche Mobilitätswende. Die Autolawinen, die täglich in die Zentren strömen, müssen aufgehalten werden“, so die Landesvorsitzenden. Wir sollten die Dominanz des Autos in der Gesellschaft beenden; es reiche nicht aus, immer bessere Abgasreinigungssysteme einzuführen oder den Verbrennungsmotor einfach gegen einen Elektromotor auszutauschen und alles beim Alten zu belassen.

Die im Rahmen der Corona-Krise angekündigten Konjunkturprogramme sollten als Chance für einen Umbau aller Wirtschaftsbereiche hin zu mehr Nachhaltigkeit und Krisenfestigkeit genutzt werden, denn die Klimakrise und der Schwund natürlicher Ökosysteme seien genauso ernst zu nehmen wie vor der Covid-19-Pandemie. „Es müssen jetzt die Weichen gestellt werden für eine naturverträglichere und gleichzeitig krisenfestere Wirtschaft und Gesellschaft“, fordern die BUND-Landesvorsitzenden.

Quelle: Mobile.de — Pressemitteilung vom 29.04.2020 // BUND — Pressemitteilung vom 29.04.2020

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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