Die Politik kann einen CO2-Preis zum Schutz des Klimas so ausgestalten, dass er sozial verträglich wirkt und kleine und mittlere Einkommen nicht ungerecht belastet. Das ist eine zentrale Erkenntnis der Gutachten, die das Bundesumweltministerium in Auftrag gegeben hat, um politische Entscheidungen zum CO2-Preis vorzubereiten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ihre Berechnungen zusammen mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze in Berlin vorgestellt. Die Ministerin wird die Berechnungen in das Klimakabinett einbringen, wo sie zusammen mit anderen Gutachten als Diskussionsgrundlage für die anstehenden politischen Entscheidungen dienen.
„Ein CO2-Preis ist kein Allheilmittel, mit dem wir alle Klimaziele erreichen“, so Schulze. Zusammen mit anderen Maßnahmen sei er aber „ein wichtiger Baustein, damit Deutschland wegkommt von der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas.“ Die Ministerin bemängelt, dass in den Bereichen Verkehr und Wärme bislang genügend Preisanreize für einen Umstieg auf klimafreundliche Alternativen fehlen. Künftig solle gelten: „Wer sich klimafreundlich verhält, wird belohnt.“
„Wettbewerb der Ideen um das beste Modell“
Gefordert sei nun ein „Wettbewerb der Ideen um das beste Modell“, so Schulze weiter. Die neuen Gutachten leisten dazu einen wertvollen Beitrag, sie sei aber auch gerne bereit, andere Vorschläge zu diskutieren. Bei der Bewertung eines Modells sei es entscheidend, dass es das Klima schützt, schnell und praktikabel umsetzbar ist, Planungssicherheit gewährleistet und ungerechte Belastungen gerade für untere und mittlere Einkommensgruppen vermeidet. Darum sollte der Staat die Einnahmen einer CO2-Bepreisung nicht behalten, sondern den Bürgerinnen und Bürgern das Geld zurückgeben sowie die Unternehmen bei klimafreundlichen Investitionen unterstützen, fordert die Ministerin. Die Politik könne einen CO2-Preis sozial gerecht gestalten. Das ist für Schulze „eine zentrale Erkenntnis aus den Gutachten.“
Das BMU hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung (IMK) und das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) beauftragt, mögliche CO2-Preisentwicklungen für die Bereiche Verkehr und Wärme zu untersuchen. Im Fokus stand dabei die Frage, wie gut welcher CO2-Preis das Klima schützt und wie er sich auf die unterschiedlichen Einkommensgruppen auswirkt. Eine genaue Untersuchung der Verteilungswirkung ist wichtig für die Entwicklung von Preismodellen, damit Geringverdiener, Mieterinnen oder Pendler nicht ungerecht belastet werden.
Um klimafreundliches Verhalten zu belohnen und zugleich Gering- und Normalverdiener möglichst zu entlasten, ist eine „Klimaprämie“ nach Auffassung der Gutachter das beste Instrument. Diese sieht vor, dass der Staat die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung pro Kopf zurückzahlt, wobei auch Kinder berücksichtigt werden. Im Durchschnitt bekommt man zurück, was man eingezahlt hat. Aber wer sich für klimafreundliche Varianten entscheidet, macht ein Plus. So entsteht eine Lenkungswirkung für den Klimaschutz. Anteilig können die Einnahmen aber auch für eine Senkung der Stromkosten verwendet werden, dies könnte zukünftig den Einsatz erneuerbarer Energien zusätzlich unterstützen.
Umweltbundesamt schlägt CO2-Aufschlag für den Klimaschutz vor
Das Umweltbundesamt (UBA) rät in der Diskussion um eine CO2-Bepreisung zu höheren Steuern auf Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel, die sich nach Emissionen von Kohlendioxid richten. Die Einnahmen aus einem solchen CO2-Aufschlag sollen die Bürger durch die Senkung der Ökostromumlage (EEG) und auf anderen Wegen wieder zurückerhalten. „Wichtig ist, dass wir schnell damit beginnen, CO2 einen Preis zu geben“, sagte die UBA-Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). „Die Senkung der EEG-Umlage hat den schönen Nebeneffekt, dass die Elektromobilität und andere stromgebundene öffentlichen Verkehre konkurrenzfähiger werden, da der Strompreis sinkt.“
Das Umweltbundesamt will durch einen CO2-Aufschlag für Heiz- und Kraftstoffe die Treibhausgasemissionen senken. „Ganz wichtig ist auch, dass es vor allem einkommensschwachen Haushalte ermöglicht wird, klimaschonend zu wohnen und mobil zu sein: zum Beispiel durch direkte finanzielle Hilfen beim Kauf energiesparender Kühlschränke oder Waschmaschinen“, sagte Krautzberger der FAS. Pendlern und Mietern mit niedrigen Einkommen soll geholfen werden – etwa mit Förderprogrammen für den öffentlichen Nahverkehr und zur Gebäudedämmung oder mit einem Klimabonus bei den Wohnkosten in der Grundsicherung. Das geht aus dem Papier der Behörde zur CO2-Bepreisung vor, das ihre Vorschläge umfasst.
Andere Wege zu einer CO2-Bepreisung hält das Umweltbundesamt für zu langwierig. So sieht die Behörde keine politische Mehrheit für den Ausbau des europäischen Emissionshandels, den andere fordern. Eine eigene CO2-Steuer sei rechtlich schwierig umzusetzen, da die Finanzverfassung große Hürden setze. Daher rät die Behörde zu einem CO2-Aufschlag, deren Höhe sie der Politik überlassen will. Präsidentin Krautzberger rät zu einem moderaten Eingangssatz, der schrittweise steigt.
Laschet fordert Sozialausgleich für CO2-Preis
Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat die Forderung nach einem CO2-Preis bekräftigt und zugleich einen Sozialausgleich für die Mehrkosten verlangt. „Ich bin mit der Parteivorsitzenden vollkommen einig: Bis September werden wir ein Modell zur CO2-Bepreisung vorschlagen“, sagte er der FAS. Dazu sei aber „eine deutliche Senkung der Stromsteuer und der EEG-Umlage erforderlich. Für mich ist im Gegenzug der soziale Ausgleich und die Entlastung des Mittelstands Bedingung“, fügte er hinzu.
Laschet hatte Anfang Mai im Europawahlkampf der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer widersprochen, die eine CO2-Steuer damals noch kategorisch ablehnte. Inzwischen spricht er allerdings nur noch von einem „Preis“ und nicht mehr von einer „Steuer“, was auch andere Modelle wie etwa den Ausbau des Emissionshandels offen lässt. Die Grünen schlagen in einem vor einigen Tagen vorgestellten Konzept vor, jedem Bürger im Gegenzug ein Energiegeld von 100 Euro pro Jahr auszuzahlen.
DIHK macht sich für CO2-Bepreisung stark
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) steht einer Bepreisung von CO2 ebenfalls positiv gegenüber. „Eine zusätzliche CO2-Bepreisung kann generell eine sinnvolle Ergänzung sein, um die Klimaziele zu erreichen“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Der Wirtschaftsvertreter forderte allerdings Ausnahmen. Bei den Unternehmen aus der Energiewirtschaft und der Industrie habe man mit dem Emissionshandel bereits eine funktionierende CO2-Bepreisung. „Daher sollten wir uns nun in der Diskussion auf die übrigen Bereiche konzentrieren“, so Schweitzer. Die „übrigen Bereiche“ sind vor allem der Verkehr und die Gebäudewirtschaft.
Der Kammerverband lässt offen, welches Preissystem er bevorzugt. Schweitzer weist darauf hin, Klimaschutz funktioniere am besten weltweit. „Deshalb sollten neue Instrumente anschlussfähig an europäische Regelungen sein, um Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen zu vermeiden.“ Ein zusätzlicher Preis auf CO2 müsse auf die jeweiligen Ziele abgestimmt werden. „Wenn die Bundesregierung bei einzelnen Klimazielen etwa für Gebäude und Verkehr bleibt, sind sektorspezifische Instrumente treffsicherer.“
ARD-DeutschlandTrend: Mehrheit sieht zu wenig Engagement beim Klimaschutz
Die beteiligten Akteure machen nach Ansicht der Deutschen zu wenig für den Umwelt- und Klimaschutz. Das hat eine Umfrage des ARD-DeutschlandTrends im Auftrag der ARD-Tagesthemen mit gut 1000 Befragten ergeben. Demnach sind zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten der Ansicht, dass die Bemühungen der Bürgerinnen und Bürger beim Umwelt- und Klimaschutz zu gering seien, 29 Prozent finden das Verhalten angemessen und 4 Prozent meinen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Sachen Klimaschutz zu viel täten.
Genauso viele (64 Prozent) meinen, die EU tue zu wenig, 69 Prozent sehen das so in Bezug auf die Bundesregierung. Je 23 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass EU und Bundesregierung sich in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz angemessen bemühten und je 5 Prozent meinen, EU und Bundesregierung täten zu viel.
Mit Blick auf die Unternehmen ergibt sich folgendes Bild: 72 Prozent der Befragten sind der Ansicht, diese täten zu wenig in Sachen Umwelt- und Klimaschutz, 23 Prozent bewerten es als angemessen und 2 Prozent als zu gering. Am kritischsten wird die internationale Staatengemeinschaft von den Befragten gesehen: Drei Viertel (76 Prozent) der Bürger meinen, die Bemühungen der Staaten in Sachen Umwelt- und Klimaschutz seien zu gering, 10 Prozent sehen sie als angemessen an und 2 Prozent meinen die Bemühungen seien zu viel.
Umfrage: Erneuerbare ja, CO2-Preis eher nicht
Bei den diskutierten Maßnahmen, die zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen könnten, ergibt sich folgendes Bild: 92 Prozent der Befragten befürworten den Ausbau erneuerbarer Energien. Zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) fänden höhere Preise für Flugreisen durch die Einführung einer Kerosin-Steuer sinnvoll. Einen schnelleren Ausstieg aus der Kohle bei der Stromerzeugung sehen 64 Prozent (-5) der Befragten als sinnvoll an.
Die mögliche Einführung einer CO2-Steuer wird skeptischer gesehen: 39 Prozent der Befragten bewerten diese Maßnahme als sinnvoll, 57 Prozent als nicht sinnvoll. Nur 24 Prozent der Befragten halten es für sinnvoll, die Anschaffung und den Unterhalt von Autos mit Verbrennungsmotoren teurer zu machen. 72 Prozent halten diese Maßnahme nicht für sinnvoll.
Quellen: Bundesumweltministerium – Pressemitteilung vom 05.07.2019 // Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung – Vorabmeldung vom 29.06.2019 // Frankfurter Allgemeine Zeitung – Vorabmeldung vom 25.06.2019 // ARD – DeutschlandTrend vom 04.07.2019