Angesichts der drohenden Strafzahlungen an die EU wegen der Vorgaben zum Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) lohnt es sich für Automobilproduzenten, Elektroautos mit Verlust (ohne Deckung aller Kosten) zu verkaufen. Weil E-Autos den durchschnittlichen CO2-Ausstoß einer Fahrzeugflotte senken, können die Hersteller bei einer optimierten Menge an Stromern viele profitable Wagen mit Verbrennungsmotor absetzen und trotzdem unter dem allgemein vorgegebenen Durchschnitt von 95 Gramm CO2 pro Kilometer bleiben, hat Prof. Dr. Peter Hoberg von der Hochschule Worms berechnet.
2020 gibt es von Seiten der EU für die Automobilproduzenten noch einige Erleichterungen: So können die 5 Prozent der Fahrzeuge einer Flotte mit dem höchsten CO2-Ausstoß bei der Berechnung des Flottendurchschnitts außen vor gelassen werden. Des Weiteren werden Elektroautos doppelt gezählt, 2021 immerhin noch 1,67-fach, 2023 nur noch einfach. Zudem ist der jedem Fahrzeug zugemessene CO2-Wert eher ein theoretischer Wert, weil Größen wie Fahrstrecke, gefahrene Kilometer oder Fahrstil nicht in die Kalkulation eingehen. Und für Hersteller mit einem höheren durchschnittlichen Gewicht ihrer Fahrzeuge gelten weitere Erleichterungen.
Die Berechnungen von Prof. Hoberg beziehen sich auf den allgemeinen Fahrzeugdurchschnittswert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer (g/km), den die Flotte eines Herstellers nicht überschreiten darf. Autos mit höherem Ausstoß können durch Elektroautos (CO2-Emission: 0, doppelt gezählt) kompensiert werden. Der Verkauf eines E-Autos ermöglicht den Verkauf von 9,5 Autos, die durchschnittlich 115 g/km ausstoßen. Wenn der Durchschnitt bei 105 g/km liegt, genügt ein Elektroauto, um 19 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zu kompensieren.
Für die Autokonzerne lohne es sich wegen der CO2-Grenzwerte auch, Elektroautos mit Verlust zu verkaufen, sogar unter den variablen Kosten. Prof. Hoberg berechnet in einem integrierten Ansatz, dass ein Hersteller seine E-Autos sogar unter den variablen Kosten verkaufen kann, wenn er dafür Benziner und Diesel Euro absetzen kann. Damit kann der Hersteller die Verluste durch die Stromer mehr als kompensieren und muss keine Strafe an die EU zahlen.
Aus diesem Grund gehen Prof. Hoberg und andere Branchenkenner davon aus, dass die Autokonzerne im Laufe des Jahres ihre Elektroautos mit weiteren Rabatten anbieten werden, um genügend von ihnen zu verkaufen. Prof. Hoberg kritisiert in seinem Artikel die Vorgaben der EU: „Leider wurde die naheliegende Lösung nicht eingeführt. Diese besteht darin, dass die Emissionen von CO2 in der Realität so stark besteuert werden, dass wesentliche Verhaltensänderungen der Verursacher resultieren, und zwar tatsächlich im täglichen Verbrauch und nicht nur auf dem geduldigen Papier.“
Prof. Hoberg kritisiert auch, dass Plug-in-Hybride bei den EU-Berechnungen mit sehr geringen Mengen – häufig ca. 50 g CO2 pro km – angesetzt werden. Obwohl sie in der Realität häufig einen deutlich höheren Ausstoß haben, zählen sie bei der Verschmutzung weniger als ein sparsamer Kleinwagen, bei dem auch in der Produktion viel weniger CO2 anfalle. Dies führe zur „wahnsinnigen“ Entwicklung, dass viele Hersteller keine Kleinwagen mehr anbieten. Sie sollen dann durch SUV-Hybride ersetzt werden sollen, die in der Praxis einen dramatisch höheren CO2-Ausstoß aufweisen.
Quelle: IDW — Pressemitteilung vom 15.04.2020 // Controlling-Portal — Controlling und Klimaschutz: CO2-Obergrenzen und Strafzahlungen