Citroëns Würfelei geht weiter. Nach dem Ami folgt mit oli der nächste Kubus-Stromer. Aber anders als das 45-km/h-Vehikel, das in Deutschland als Opel Rocks-e verkauft wird, ist bei der Studie oli (ausgesprochen all e) ist der Name Programm. Denn das 4,20 Meter lange Konzept-E-Mobil ist trotz seiner Farbenpracht keine verspielte Fingerübung französischer Designer, sondern ein interessanter Fingerzeig der Mobilität von morgen.
Günstig muss nicht zwingend billig sein. Die Prämisse beim oli ist es, zu zeigen, wie bezahlbare Elektromobilität von morgen aussehen kann. Und zwar, indem man neue andere Wege geht als die ausgetretenen Trampelpfade des bisherigen Automobilbaus. Also ist der oli nicht nur ein rollendes Labor, sondern ein Fingerzeig, der die Ideen des Ami weiterführt. „Wir haben uns mit neuen Ideen aus anderen Industrien beschäftigt und versucht, die umzusetzen, wenn sie ins Konzept passen“, erklärt Citroën-Zukunfts-Produktplaner Bertrand Leherissier.
Das geht schon bei den Materialien los, bei denen Leichtbau Trumpf ist. Schließlich darf der Würfel nicht mehr als 1.000 Kilogramm auf die Waage bringen. Der konventionelle Weg wäre, Carbon und Aluminium im Überfluss zu verwenden. Nur die sind teuer. Also bestehen die flache Motorhaube, das Dach und die Ladefläche aus recycelter Wellpappe, die sich als Wabenstruktur zwischen zwei Glasfaserplatten, die ihrerseits mit Polyurethanharz beschichtet sind, befindet.
Zum Konzept gehört auch ein Benetzen der Bauteile durch Elastocoat. Wie der Name schon verrät, handelt es sich hier um eine elastische Beschichtung, die auch auf Laderampen und Parkdecks verwendet wird. Ein spezieller wasserbasierter Lack vollendet den nötigen Schutz gegen Wind und Wetter. So ist das Dach nur halb so schwer wie ein traditionelles Stahldach, aber so stabil, dass ein Erwachsener mit mehr als 100 Kilogramm Gewicht darauf stehen kann.
Um diese Bauweise zu realisieren, haben die Franzosen einen Partner außerhalb der klassischen Automobilindustrie gesucht und in BASF gefunden. Die Zusammenarbeit hört bei der Hülle nicht auf. Die Sitze und die Bodenmatte bestehen als Basismaterial aus thermoplastischem Polyurethan (TPU), ähnlich wie die Sohlen hochwertiger Sneaker. Mithilfe von 3-D-Druck haben die Ingenieure ein flexibles und zugleich widerstandsfähiges Gerüst kreiert, aus dem die Lehne des Gestühls besteht. Netzförmige Elemente helfen bei der Belüftung und reduzieren das Gewicht genauso wie die Tatsache, dass der Sitz nur noch aus acht Bauteilen anstatt aus mehr als 30 besteht. Das Muster ist klar: geringeres Gewicht, einfachere Bauweise und daher eine weniger komplexe Produktion. Dieser Dominoeffekt reduziert letztendlich auch die Kosten.
Damit ist der Ideenreichtum der Franzosen noch längst nicht erschöpft. Anstelle eines aufwendigen Infotainmentsystems nutzen die Citroën-Techniker einfach das Know-how von Apple, Samsung & Co, indem man das Smartphone einfach in einen Schlitz steckt und letztendlich die Bedienoberfläche spiegelt. Frei nach dem bekannten Motto: „Wenn Du sie nicht schlagen kann, schließ‘ Dich ihnen an“. Die Nutzeroberfläche wird dann per Emaillerahmen auf die untere Seite der Windschutzscheibe projiziert. Eine andere pfiffige Idee sind die USB-Anschlüsse, die man per Schienensystem flexibel auf dem Armaturenbrett platzieren kann. Smart ist auch der Kofferraum, mit ein paar Handgriffen verwandelt sich der oli in eine Art Pick-up mit einer variablen Ladefläche.
Die Windschutzscheibe steht senkrecht im Wind, was jedem Mercedes-EQS-Aerodynamiker die Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Aber die geometrische Schrankwandstrenge hat System: Der geringste Abstand zwischen zwei Punkten ist eine Gerade, also ist weniger Glas nötig und durch die vertikale Bauweise wird die Sonneneinstrahlung minimiert, das Auto heizt sich weniger auf und die im Vergleich zur aktuellen Bauweise kleiner dimensionierte Klimaanlage braucht 17 Prozent weniger Strom. „Da die Höchstgeschwindigkeit des oli ohnehin auf 110 km/h begrenzt ist, waren aerodynamische Gesichtspunkte nicht so wichtig“, erklärt Designer Pierre Sabas.
Deswegen sind auch keine Monster-Akkus nötig, um die Reichweite von 400 Kilometer zu erreichen. Eine 40-Kilowattstunden-Batterie reicht völlig. Zumal der Durchschnittsverbrauch lediglich 10 kWh/100 km beträgt. Die Basis für den oli ist die CMP-Plattform, was die ernsten Intentionen der Techniker nur noch unterstreicht. Ähnlich wie beim Ami sind auch bei diesem Würfel einige Bauteile in Heck und Front identisch, wie zum Beispiel die beiden vorderen Türen. In einer Mini-Runde konnten wir feststellen, dass sich der oli mit seinem Frontantrieb entspannt bewegen lässt. Also dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis wir den großen Bruder des Ami auf der Straße sehen. Entweder als neues Auto oder als Umsetzung der Ideen.