MILES, seines Zeichens der größte konzernunabhängige Carsharing-Anbieter, flottet künftig 150 Volkswagen ID.3 Pure ins eigene Carsharing-Portfolio ein. Abgerechnet wird nach gefahrenen Kilometer. Im Nachgang an unseren Artikel über die neue E-Flotte von MILES haben wir uns mit deren Geschäftsführer Oliver Mackprang zusammengesetzt, um uns über die Herausforderungen und notwendige Basis für Elektro-Carsharing-Flotten zu unterhalten.
Hallo Herr Mackprang, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, um ein paar Worte über die Integration erster E-Modelle in die MILES-Flotte zu besprechen. Bevor wir jedoch darauf eingehen, können sie das Unternehmen MILES vorstellen?
Wir sind als Free-Floater 2017 in Berlin an den Start gegangen. Seitdem hat sich MILES zu Deutschlands größten konzernunabhängigen Carsharing-Anbieter entwickelt mit Flotten in Berlin, Hamburg, München, Köln und Düsseldorf. Von Anfang an haben wir bewusst nicht nach Minuten, sondern nach gefahrenen Kilometern abgerechnet. Das schafft mehr Sicherheit und Planbarkeit bei unseren Kunden. Unser Angebot ist über die Jahre breiter geworden und umfasst heute kilometerbasiertes Carsharing, Transportersharing sowie Pakete für flexible Tagesmieten. Unser Ziel ist es dabei alle Bedarfsfälle abzudecken, in denen ein Fahrzeug gebraucht wird.
Das Carsharing vergangenes Jahr einen Aufschwung erlebt hat, belegen nicht nur ihre Geschäftszahlen. Vor allem getrieben durch Covid-19 steigen unserem Empfinden nach immer mehr Menschen auf alleinig genutzte Fortbewegungsmittel um, um von A nach B zu kommen. Können Sie dies, gestützt durch ihre Daten und Erkenntnisse, einordnen?
Das ist ein Trugschluss, auch wenn die Situation den ÖPNV vermutlich noch härter getroffen hat. Wir haben während der Corona Pandemie gesehen, dass die Mobilität generell zum Stillstand kam. Wer nicht rausgeht, der benutzt auch keine Mobilität. Nach einem kurzen Fahrten-Einbruch im Frühjahr, haben wir zum Glück wieder einen Anstieg der Fahrten feststellen können und waren schnell wieder auf “Vor-Corona-Niveau”. Das hat sich durch den erneuten Lockdown dann natürlich relativiert. Was im letzten Jahr jedoch deutlich wurde, ist die Wichtigkeit von Carsharing in einem ausgewogenen Mobilitätsmix.
Neben individueller Fortbewegung im Stadtverkehr trat auch die E-Mobilität verstärkt in den Vordergrund im vergangenen Jahr. War dies mit ein Grund für Sie erste E-Modelle bei MILES einzuflotten? Was hat sie noch dazu bewogen?
MILES verstand sich immer als holistisches und nachhaltiges Unternehmen, dazu gehören auch E-Fahrzeuge. Als konzernunabhängiger Anbieter müssen wir aber Nachhaltigkeit, vielleicht stärker als andere, sowohl von der ökologischen als auch ökonomischen Perspektive aus betrachten. So gern wir das Angebot auch schon eher geschaffen hätten, die E-Flotte muss sich für MILES auch wirtschaftlich tragen und das funktioniert erst jetzt.
Es sind vor allem die operativen Kosten bei E-Flotten, die höher sind. Fahrzeuge müssen häufiger geladen werden, die Ladezeit dauert länger als ein Tankvorgang und es gibt weniger Ladepunkte als Tankstellen, sodass die Wege zu einer freien Ladesäule tendenziell länger sind. Auch fallen bestimmte Anwendungsfälle weg. Wenn ein E-Auto etwa nur noch 20 Prozent geladen ist, nimmt man es vermutlich nicht für längere Strecken und Ausflüge, einen Verbrenner hingegen schon, den tankt man in zwei Minuten auf. Zu guter letzt sind die entsprechenden Fahrzeuge, etwa hinsichtlich der Reichweite, erst jetzt da.
Bewusst haben Sie sich für Hamburg für die ersten 120 der insgesamt 150 ID.3 Modelle von VW im Dienst von MILES entschieden. Wieso?
Für uns war es eine Wahl zwischen Hamburg und Berlin. Beide Städte fördern Elektromobilität unterschiedlich stark. Carsharing E-Fahrzeuge in Hamburg dürfen im öffentlichen Parkraum kostenfrei parken, in Berlin lediglich während des Ladevorgangs. Auch die Ladeinfrastruktur und -dichte in Hamburg ist fortgeschrittener als in der Hauptstadt. Das macht sich, verglichen zur Einwohnerzahl und der Fläche innerhalb der unser Service verfügbar ist, deutlich bemerkbar. Hinzu kommt, dass in Berlin Ladepunkte stärker von Privatanbietern betrieben werden, in Hamburg hingegen hauptsächlich von der Stadt. Das hat deutliche Auswirkungen auf die Preise für den Ladevorgang. All das zusammengenommen hat dafür gesorgt, dass der Großteil der Flotte in Hamburg und nur 30 Fahrzeuge in Berlin verfügbar sind.
Kamen München, Düsseldorf und Köln nicht in Frage für Elektrofahrzeuge in der dortigen Flotte? Und warum nicht?
In allen drei Städten sind wir bisher nur mit unserer Transporterflotte vertreten. Um Carsharing anzubieten, das flexibel planbar und zuverlässig verfügbar ist, muss eine gewisse Flottengröße vorhanden sein. Da wir zunächst mit 150 Fahrzeugen starten kam das für diese Städte nicht in Frage. Zugleich begrüßen wir es aber sehr, dass z. B. München genauso wie Hamburg kostenfreies Parken für E-Autos ermöglicht. Einer Erweiterung der Flotten, und das meint eben auch E-Flotten, in anderen Städten stehen wir tendenziell offen gegenüber.
Die Ladeinfrastruktur in Hamburg, als auch die dortige Parksituation für Stromer wurde besonders positiv hervorgehoben, als es um die Entscheidung ging einen Großteil der E-Flotte dort einzusetzen. Was können also andere Städte besser machen, um ebenso attraktiv für den Einsatz von E-Autos in Carsharing-Flotten zu werden?
Die Antwort ist eigentlich einfach – die Anwendung des Elektromobilitätsgesetzes. Ladeinfrastrukturen müssen substanziell ausgebaut werden und das Parken für elektrisches Carsharing subventioniert. Damit wäre schon viel gewonnen.
Bleiben wir beim Thema Laden. Wer lädt die Elektroautos und stellt somit sicher, dass man mit diesen mobil sein kann? Gerade in Berlin steht WeShare als Ladesäule-Blockierer immer wieder am Pranger. Wie umgeht MILES diese Problematik?
Wir haben ein eigenes Operations Team in Hamburg, dass sich um das Aufladen kümmert. Kunden müssen selbst zu einem Ladepunkt fahren, wenn die Ladefüllung unter 15% ist. Die nächsten Lademöglichkeiten werden ihnen in der App angezeigt. Nach unserem Business Case sollte es hinsichtlich der Auslastung klappen. Sicher sagen, lässt sich das aber natürlich erst, wenn alle Autos im Einsatz sind. Daher gehen wir proaktiv auch bereits in den Austausch mit weiteren Anbietern und setzen uns für einen Ausbau von Säulen ein.
Was sind die weiteren Pläne für MILES? Welche E-Modelle folgen künftig und welchen Anteil an E-Autos, gemessen an der eigenen Flotte, möchte man bis 2025 bzw. 2030 erreichen?
Wir können uns durchaus vorstellen, dass unsere Flotte in unterschiedlichen Städten unterschiedliche “E-Fahrzeug-Quoten” haben. Denn wie bereits angemerkt ist es für uns ein Muss wirtschaftlich nachhaltig zu agieren, um die Flotte überhaupt betreiben zu können. Natürlich würde ich mir einen hohen Anteil an E-Autos wünschen, aber ob es so kommt, wird zum Teil an den Städten und Kommunen liegen. Es muss eine entsprechende Infrastruktur und Regularien geben. Solange das nicht der Fall ist, tue ich mich auch mit einer Prognose sehr schwer. Aber ich denke, Hamburg oder auch München zeigen einen guten Weg, jetzt müssen nur andere folgen.