Volkmar Denner, Chef des Mischkonzerns und weltweit größten Automobilzulieferers Bosch, sprach in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) — natürlich — über die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Automobilproduktion, wie Bosch in dieser Krise helfen kann, und über Zukunftstrends wie die Mobilitätswende und die Digitalisierung.
In China, wo Boschs Produktion kurzzeitig „praktisch zum Erliegen gekommen“ sei, „produzieren fast alle unsere dortigen 39 Werke wieder, und die Lieferketten funktionieren“, so die zuversichtlich stimmende Nachricht in diesen schwierigen Zeiten. Allerdings werde es noch etwas dauern, bis die Produktion auf die alten Volumina zurückgekommen ist. „Ausserhalb Chinas sieht es ganz anders aus“, relativiert der Bosch-Chef: Denn die „drastisch sinkende Nachfrage nach Fahrzeugen und die damit verbundenen Produktionsstopps der Automobilhersteller“ treffen auch die Zulieferer. Deshalb habe Bosch diesen Zweig im In- und Ausland stark eingeschränkt.
Wie sehr Bosch von staatlichen Hilfen Gebrauch machen und wie stark sich die Krise auf die Jahresbilanz auswirkt, kann Denner noch nicht sagen: „Für Aussagen über die Auswirkungen auf unser Geschäft ist es zu früh.“ Zunächst sollen die in Deutschland von den Produktionseinschränkungen betroffenen Mitarbeiter „ihre Zeitkonten reduzieren bzw. ausgleichen oder Ferien nehmen“. Spätestens ab dem 5. April werde Bosch dann mit Kurzarbeit starten, „wofür wir Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen werden“. Bosch sehe es „als sehr positiv an, dass die Bundesregierung hier der Industrie hilft.“
Umgekehrt könne Bosch auch bei der Bewältigung der Corona-Krise helfen, wie Denner erklärt: „Unsere Forscher haben innerhalb von sechs Wochen einen Schnelltest für das Analysegerät Vivalytic unserer Tochter Bosch Healthcare Solutions entwickelt“, so der Manager. Er könne eine Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 in weniger als zweieinhalb Stunden „verlässlich feststellen“, womit infizierte Patienten noch schneller identifiziert und isoliert werden können. Ab April werde dieser Test in Deutschland erhältlich sein, weitere Länder sollen folgen. Mitarbeiter von Bosch „bringen sich auch sehr aktiv mit weiteren Ideen und Initiativen ein, um zur Bewältigung der Krise beizutragen“, sagt Denner in dem Interview.
In Sachen Automobil geht der Bosch-Chef davon aus, „dass die weltweite Automobilproduktion 2020 das dritte Jahr in Folge schrumpfen wird“. Das sagte er allerdings auch schon vor dem Ausbruch der Corona-Welle. Nun komme zwar „der Corona-Einfluss verschärfend hinzu“, den Denner „für temporär“ halte und der „wieder wettgemacht werden“ könne. Den stärksten Effekt auf die Automobilproduktion habe weiterhin „der Strukturwandel in der Mobilität“, da das eigene Auto in den von chronischen Staus und schlechter Luft geplagten Städten immer mehr an Attraktivität verliert. Boschs Planung gehe „abgesehen vom kurzfristigen Corona-Effekt“ davon aus, dass sich die Fahrzeugnachfrage in den kommenden fünf Jahren nur „flach entwickeln und in diesem Zeitraum das Niveau von 2017 nicht wieder erreichen wird.“
Mobilität der Zukunft ist „elektrifiziert, automatisiert, vernetzt und personalisiert“
Boschs Anspruch sei es, „die Mobilität der Zukunft mitzugestalten, statt von ihr getrieben zu werden“. Und diese Zukunft sei „elektrifiziert, automatisiert, vernetzt und personalisiert.“ Entsprechend investiere Bosch als weltweit größter Automobilzulieferer „massiv, um eine marktführende Position zu behalten.“ Auch beim autonomen Fahren geht es bei Bosch voran, das Unternehmen zähle sich „zu den Pionieren des automatisierten Fahrens“, sagt Denner: „Die ersten Erzeugnisse zur Fahrerassistenz, wie das damals hieß, entstanden vor etwa zwanzig Jahren.“
Derzeit sei zwar „eine vom Menschen überwachte Fahrt ohne Hand am Steuer technisch schon möglich“, aber regulatorisch noch nicht zulässig. Perspektivisch aber werde „der Mensch als Sicherheitsfahrer ganz entbehrlich“. Die ersten Alltags-Anwendungen erwartet Denner „zunächst natürlich in weniger komplexen Umgebungen wie etwa auf der Autobahn oder auf speziellen Strecken in der Stadt.“
Bei der Elektromobilität sei Bosch „so breit aufgestellt wie kein anderes Unternehmen der Welt. Wir sind vom E-Bike bis zum 40-Tonnen-Truck und mit Produkten von der elektrischen Achse bis zu Batterien auf Basis zugekaufter Batteriezellen vertreten.“ Von Anfang 2018 bis Mitte 2019 habe Bosch „in der Pkw-/Lkw-Elektromobilität Aufträge von rund 13 Milliarden Euro akquiriert“. Die E-Mobilität werde also „in den nächsten Jahren ein stark wachsendes Geschäft für uns sein“, sagt Denner.
Denner sieht allerdings auch die Gefahr, dass sich Industrie und Politik zu sehr und „einseitig“ auf die Elektromobilität stürzen. Zum Beispiel sollten auch „CO2-reduzierte Kraftstoffe in den Verkehr gebracht werden“, sagt der Bosch-Chef. Diese seien dringend notwendig, „um den CO2-Ausstoss der Bestandsflotte zu reduzieren.“
Quelle: Neue Zürcher Zeitung — Bosch-Chef Denner: „Unser Corona-Schnelltest kann eine Infektion in unter zweieinhalb Stunden feststellen“