Wann wird Autofahren grün? Diese Frage wurde eigentlich schon sehr oft beantwortet, stets mit dem selben Ergebnis: Elektroautos fahren über ihre Lebensdauer hinweg am klimafreundlichsten, und das trotz ihres schweren Klimarucksacks, bedingt durch die energieintensive Produktion des Akkus, und selbst dann, wenn es im recht kohlestrom-lastigen Polen unterwegs ist. Trotzdem bleibt die Legende vom „schmutzigen E-Auto“ ein beliebtes und sich hartnäckig haltendes Stammtischargument gegen die Elektromobilität. Nun gibt es weitere Fakten, die einmal mehr für den Elektroantrieb sprechen.
Ein interdisziplinäres Expertengremium Antriebe der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik hat nun ebenfalls in einer umfangreichen Studie die Ökobilanz von E-Autos, Plug-in-Hybriden (Benzin/Diesel) sowie konventionell angetriebenen Autos (Diesel/Benzin) verglichen. Die VDI-Ökobilanzstudie hat dabei den Umwelteinfluss verschiedener Pkw-Antriebskonzepte von Fahrzeugen der Kompaktklasse untersucht (z. B. VW ID.3, Ford Focus, Toyota Corolla Hybrid, VW Golf).
Das Kernergebnis: E-Autos in dieser Fahrzeugklasse sind ab einer Laufleistung von 90.000 Kilometern klimafreundlicher als solche mit konventionellen Antrieben. In der Langzeitbetrachtung, die die VDI-Ingenieure und Ingenieurinnen in Zusammenarbeit mit dem Karlsruhe Institute of Technology (KIT) durchführten, schneiden bei einer Fahrzeug-Laufleistung von 200.000 Kilometern E-Auto und Hybrid-Fahrzeuge in ihrer Klimabilanz am besten ab, gefolgt von Diesel- und Benziner-Pkw, die mit fossilen Kraftstoffen betankt werden.
„Bekanntlich hängt bei Autos die genaue Ökobilanz von zahlreichen Faktoren ab – dem Produktionsstandort, dem Energiemix bei der Produktion von Fahrzeug und Komponenten sowie dem genutzten Antrieb auf der Straße und der dabei verwendeten Energie“, erklärt Dr. Joachim Damasky, Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik. „E-Autos und Hybridfahrzeuge starten durch die ressourcenintensive Herstellung der Antriebstechnologie bei ihrer Ökobilanz mit einem ökologischen Rucksack, da die Batterieproduktion heutzutage fast ausschließlich noch in Asien stattfindet“, sagt er.
„In der Langzeitbetrachtung setzen sich bei der Ökobilanz dann E-Autos und hybridbetriebene Fahrzeuge dauerhaft durch“, stellt Damasky klar. Es seien aber sogar noch weitere Verbesserungen und noch weniger CO2-Emissionen möglich, der VDI erklärt auch gleich, wie: „Für die klimafreundlichere Mobilität brauchen wir in Deutschland dringend den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Aufbau einer grünen Batterieproduktion, aber auch nachhaltig erzeugte Kraftstoffe für Bestandsfahrzeuge“, so Damasky.
E-Autos schneiden im Langzeitbetrieb am besten ab – und können sich noch weiter verbessern
Im Ökobilanz-Vergleich des VDI schneiden bei einer angenommenen Laufleistung von 200.000 Kilometern, die das Fahrzeug auf der Straße fährt, E-Autos am besten ab. Sie verursachen im betrachteten Gesamtzeitraum – von der Fahrzeug- und Antriebsproduktion bis zum Ende der gefahrenen Kilometer – 24,2 Tonnen CO2. Auf Rang 2 liegen Plug-in-Hybride (wie etwa der Toyota Corolla Hybrid) mit nur unwesentlich höheren CO2-Emissionen von 24,8 Tonnen.
Diesel- und Benzinerfahrzeuge der Kompaktklasse (wie der Ford Focus oder der VW Golf) folgen mit bereits sehr deutlichem Abstand auf den Plätzen 3 und 4 und sind beim Betrieb mit 100 Prozent fossilen Kraftstoffen für Treibhausgas-Emissionen in Höhe von 33 Tonnen CO2 (Diesel) bzw. 37 Tonnen CO2 (Benziner) verantwortlich – also gut 9 bzw. 13 Tonnen mehr CO2 als das Elektroauto.
Der VDI untersuchte in der umfassenden Ökobilanz-Studie auch verschiedene Szenarien der Stromnutzung. Ab einer Fahrleistung von 90.000 Kilometern sind E-Autos der Kompaktklasse (wie der VW ID.3) in Deutschland beim aktuellen Strommix klimafreundlicher als Autos mit konventionellen Kraftstoffen. Würde man in Deutschland künftig – wie von der Bundesregierung geplant – ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien für den Fahrzeugantrieb nutzen, wären E-Autos mit heutigem Standard im Jahr 2035 schon ab 65.000 gefahrenen Kilometern klimafreundlicher als Diesel- oder benzinbetriebene Fahrzeuge. Mit einem CO2-ärmer produzierten Akku ginge es noch schneller.
Würde ein E-Auto mit ausschließlich fossil erzeugtem Strom betrieben verschiebt sich der Wert auf 160.000 gefahrene Kilometer – es wäre aber immer noch klimafreundlicher unterwegs als ein Benziner oder Diesel.
„Wir müssen uns bei der Ökobilanz die Treibhausgasemissionen von Produktion, Laufzeit und Entsorgung anschauen. Erst die grün produzierte Batterie und ihre Vormaterialien macht die E-Mobilität klimafreundlich. Hier hat die Industrie in Zukunft einen großen Hebel für eine klimafreundlichere Mobilität, der heute leider noch nicht genutzt wird“, so der VDI-Fahrzeugexperte Damasky. „Wir brauchen daher mehr Batterieproduktion Made in Germany, ein besseres Batterierecycling sowie den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien – sowohl in Form von grünem Strom als auch grünen Kraftstoffen. Die Ökobilanzstudie zeigt, dass es zu kurz gedacht ist, nur über den Verbrauch der Fahrzeuge zu reden“, sagt Damasky.
Zum Studiendesign: VDI-Ökobilanzstudie 2023
Die Ökobilanzanalyse analysiert den Umwelteinfluss verschiedener Pkw-Antriebskonzepte am Anwendungsfall von 2021 produzierten und bei Verbrauchern beliebten Kompaktklassefahrzeugen (z. B. VW ID.3, Ford Focus, Toyota Corolla Hybrid, VW Golf). Analysiert wurden die Treibhausgasemissionen, wenn das Auto in Deutschland fährt. Die angenommene Laufleistung je Fahrzeug beträgt 200.000 Kilometer unter Verwendung des Mittelwertansatzes (mittlerer Strommix) und des WLTP-Testverfahren (“Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure”).
Die VDI-Studie wurde durchgeführt vom interdisziplinären Expertengremium Antriebe des VDI-Fachbereichs Kraftfahrzeugtechnik in der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik und durch das Karlsruhe Institute of Technologie (KIT) unterstützt. Die Methodik und Ergebnisse wurden einem Review-Verfahren durch das unabhängige Paul Scherrer Institut (PSI) unterzogen.
VDI gibt Handlungsempfehlungen für eine klimafreundliche Zukunft
„Die Ergebnisse zeigen, dass wir in vielen Bereichen einen erheblichen Handlungsbedarf haben. Aus Klimagesichtspunkten wird die Notwendigkeit unterstrichen, grüne Energieträger für die Produktion und den Betrieb von Kraftfahrzeugen zu nutzen. Zudem müssen wir im globalen Vergleich wieder stärker in Wertschöpfung in Deutschland und Europa investieren, insbesondere im Bereich der Batterie- und Zellfertigung“, kommentiert VDI-Präsident Prof. Dr.-Ing. Lutz Eckstein. Um in Zukunft eine klimafreundliche Mobilität zu gewährleisten, hat der VDI auf Basis der Ökobilanzstudie sieben zentrale Handlungsempfehlungen für eine klimafreundliche Zukunft der Mobilität formuliert – hier im Überblick:
- Ohne grünen Strom keine grüne E-Mobilität: Wir brauchen für eine klimafreundlichere Mobilität in Deutschland den Ausbau der erneuerbaren Energien, so der VDI. Allein der Umstieg auf Elektroautos und Hybridfahrzeuge werde nicht ausreichen, wenn der Strom weiter „dreckig“ produziert wird. Der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft sei wichtig und werde die Klimabilanz der Elektroautos in der Nutzungsphase spürbar verbessern.
- Erst grüne Batterien ermöglichen grüne E-Mobilität: Die Batterieproduktion für Elektroautos müsse zwingend mit regenerativer elektrischer Energie erfolgen, um auch die Treibhausgasemission bei der Produktion gering zu halten. Die Studie zeige, dass die Emissionen von batterieelektrischen Fahrzeugen entscheidend durch die Produktion der Batterien bestimmt werden. Hierbei spiele der jeweilige Produktionsort eine zentrale Rolle.
- Batterien müssen in Deutschland und Europa mit erneuerbarem Strom nachhaltig produziert werden: Eine Batterieproduktion in Deutschland und europäischen Ländern mit hohem erneuerbarem Energieanteil würde neben einer europäischen Wertschöpfung für eine bessere CO2-Bilanz der Autos sorgen. Die Studie zeige, dass gerade Batterien aus China mit hohen Treibhausgasemissionen durch die Produktion belastet sind. Aber auch Produktionsstandorte in Europa mit einem hohen fossilen Stromerzeugungsanteil verursachten eine signifikante CO2-Belastung der Batterie.
- E-Fuels sind ein wichtiger Technologiebaustein: Wir leben in einer Zeit der Transformation. In dieser seien E-Fuels ein wichtiger Technologiebaustein für eine klimaneutrale Mobilität der Zukunft. Zur Erreichung der deutschen und europäischen Klimaziele im Verkehrssektor sei die Nutzung von klimaneutralen Kraftstoffen für die Bestandsflotte unabdingbar. Hierfür müssten umgehend die regulatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Industrie in eine entsprechende Skalierung der nachhaltigen Kraftstofferzeugung investiert.
- Plug-in-Hybride leisten bei hohem elektrischen Fahranteil einen positiven Beitrag: Um möglichst emissionsarm zu fahren, müssen Autofahrende auf den bestimmungsgemäßen Betrieb von Plug-in-Hybriden achten. D.h. sie müssen ihre Plug-in-Hybride prioritär und regelmäßig elektrisch laden, um einen hohen elektrischen Fahranteil zu erreichen.
- Eine neue leichtere Fahrzugklasse M0 bietet für den urbanen Bereich zusätzliches Potenzial: Eine neu zu schaffende Elektro-Kleinfahrzeug-Klasse M0 für den urbanen Bereich mit entsprechend kleinen Batterien, niedrigem Gewicht und geringer Stellfläche, aber keinen Abstrichen bei der Sicherheit, könne viele Mobilitätsbedarfe erfüllen und wäre nochmals klimafreundlicher.
- Forschung und Entwicklung von Batterie-Recycling muss weiter vorangetrieben und zielgerichtet gefördert werden: Um den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort zu stärken, müsse in Deutschland verstärkt produziert und rezykliert werden. Die Studie sieht neben bereits erfolgten regulatorischen Vorgaben einen verstärkten Handlungsbedarf hinsichtlich des Recyclings der Traktionsbatterien von Elektroautos, insbesondere in der Forschung und Entwicklung sowie einer Skalierung auf einen industriellen Maßstab. Mit Blick auf Materialbedarf und -verfügbarkeit werde dem Thema Recycling künftig eine immer wichtigere Rolle zukommen.
Die Langfassung der VDI-Ökobilanz-Studie 2023, das VDI Factsheet mit den Handlungsempfehlungen sowie Grafiken und weitere Informationen zum Studiendesign finden Interessenten auf den Seiten des VDI.
Quelle: VDI – Pressemitteilung vom 11.12.2023