Prof. Jens Tübke, Hauptabteilungsleiter Angewandte Elektrochemie am Fraunhofer ICT, Professur “Materialien und Prozesse für elektrochemische Speicher” am KIT und Sprecher der Fraunhofer-Allianz Batterien, ist skeptisch gegenüber der batterie-basierten Elektromobilität und glaubt nicht an den großen Durchbruch bei der Batterieentwicklung für Elektroautos. Stattdessen spricht er sich in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland für die Parallelentwicklung weiterer Antriebsformen wie synthetischen Kraftstoffen oder Wasserstoff aus.
„Natürlich werden wir irgendwann schnellladefähige Fahrzeuge mit mehr Reichweite als den heute üblichen 300 bis 400 Kilometern haben“, sagt Tübke. Aber Reichweiten von bis zu 1000 Kilometer und dennoch Ladezeiten kaum länger als eine Kaffeepause, wie es manche Hersteller in Aussicht stellen, hält der Forscher für utopisch: „Rein rechnerisch müssen bei 1000 Kilometern, die in zehn Minuten geladen werden, mehrere Megawatt durchs Kabel ins Fahrzeug gelangen“, sagt Tübke. Das sei „allein von der Leistungselektronik her sowohl preislich als auch vom Kühlaufwand weit weg von der praktischen Anwendbarkeit“, findet er.
Realistisch sei, gut 350 Kilometer Reichweite in zehn Minuten nachladen zu können. „Wenn jemand 1000 Kilometer braucht, muss er mit längeren Ladezeiten leben“, so der Forscher. Momentan gehe es auch „nicht so sehr um mehr Reichweite oder höhere Ladegeschwindigkeiten, sondern um viele wichtige, auch kleinere Entwicklungsschritte – vom Onboardcharger bis zur Ladeinfrastruktur kann und muss noch einiges verbessert werden“, erklärt Tübke.
Tübke findet, man sollte synthetische Kraftstoffe, also Synfuels oder Wasserstoff, auf jeden Fall „in die Gesamtbetrachtung miteinbeziehen und überlegen, was ist wo sinnvoll“. Das seien Technologien, die sich parallel entwickeln können. „Wer einen klassischen Kombi mit 200 PS und Anhänger erwartet, wird auf eine andere Technologie ausweichen müssen, dann ist es vielleicht nicht der batterieelektrische Antrieb“, führt er aus.
„Wir führen ja leider nicht immer eine technologieoffene Diskussion“, bemängelt Tübke am aktuellen Diskurs. „Wenn das so wäre, würde man sagen, alles, was Kurzstrecke oder auch kurze Ladepausen realisieren kann und keine Riesenlasten bewegen muss, ist ganz klassisch batterieelektrisch“. Für lange Strecken und große Lasten wären dann eher Synfuel oder Wasserstoff geeignet. „Alles, was fliegt, geht batterieelektrisch eh nur auf der Kurzstrecke. Und was über Ozean schippert, geht auch nur mit Synfuels“, sagt Tübke. So kämen diese Technologien automatisch auf den Markt.
Billiges Kerosin für die Luftfahrt ein „Fehler im System“
Da synthetische Kraftstoffe teuer und damit nicht wirklich wirtschaftlich sind, „werden sie sich nur da durchsetzen, wo es nicht anders geht“, meint der Forscher. Dass Kerosin für die Luftfahrt heute so billig ist, empfindet er als „Fehler im System“. Da werde „etwas bezuschusst, was man eigentlich bestrafen müsste. Wenn wir da auf Synfuels umsteigen, hat Fliegen eben seinen Preis.“ Dies könne man auch aufs Auto übertragen: „Ich fahre zu einem kleinen Preis ein Fahrzeug, das ich super in der Stadt einsetzen kann, und für längere Strecken kostet es eben mit Synfuels entsprechend mehr.“
Problematisch findet er auch, dass Inlandsflüge meist günstiger sind als eine Bahnfahrt. Das seien grundlegende systemische Probleme, die seiner Meinung nach verändert werden müssen. „Alternativen wie die Bahn müssen so attraktiv werden, dass keiner mehr Inland oder Kurzstrecke fliegt“, stellt er als Forderung in den Raum. Denn „wenn wir so weitermachen, werden wir irgendwann ein massives Problem mit Blick auf eine lebenswerte Umwelt haben.“
„Wir haben die Brennstoffzelle, die funktioniert, wir haben Batterien, die funktionieren, und sind in der Lage, verschiedene Kraftstoffe zu synthetisieren“. Es sei auch bereits „absehbar, welche Technologien für die entsprechenden Felder infrage kommen.“ Nachhaltige und klimafreundliche Alternativen zum Bisherigen seien also prinzipiell vorhanden, nun gelte es, „die richtigen Anreize“ zu schaffen. Außerdem fehle an vielen Stellen „noch die erforderliche Kreislaufwirtschaft für das Recycling und die Wiederverwendung kritischer Rohstoffe“, etwa bei Batterien: Hier spielen Fragen nach der Wiederverwertung oder auch nach dem CO2-Aufwand bei der Rohstoffgewinnung eine immer drängendere Rolle.
Klimabilanz eines Elektroautos mit Ökostrom „schlagartig viel besser“
Aber das sei „nur eine Frage der Zeit“, da „massiv daran gearbeitet wird, um den gesamten energetischen Aufwand zu verringern“, wie Tübke erklärt: „Vor ein paar Jahren mussten die Hersteller noch die Zellen kaufen, die mit Kohlestrom produziert wurden. Inzwischen gehen sie zu denen, die Zellen mit 100 Prozent Ökostrom produzieren“. Die Ökobilanz eines Elektroautos etwa sehe so „schlagartig viel besser aus.“
In Bezug auf die Feststoffbatterie bremst der Forscher die Erwartungen. Er geht frühestens ab 2035 bis 2040 für deren Einsatz in der Elektromobilität aus. „Die Herstellungsverfahren hat man schlichtweg noch nicht“, erklärt Tübke. Außerdem seien noch Fragen in Bezug auf das Zusammenspiel der Materialien offen: „Die richtige Rezeptur vom Material bis zur fertigen Zelle hat noch keiner gefunden“, und wer heute behaupte, „dass er 2025 eine solche Batterie im Fahrzeug hat, müsste heute die Zelle schon validiert haben und die Batteriesysteme bereits als Prototypen bauen“. Die gebe es aber noch nicht.
Quelle: RND – Batterieexperte Tübke zur Autozukunft: „Antriebstechnologien parallel entwickeln“