Vor lauter E-Mobilität gehe laut Helmut Holzapfel – Bauingenieur, Stadtplaner und Verkehrswissenschaftler – der Gedanke verloren, dass es bei der Verkehrswende nicht nur darum geht, sondern um die klimaneutrale Zukunft des Verkehrs. Die E-Mobilität ihrerseits sei nur ein Baustein der Verkehrswende an sich. Grundsätzlich müsse die Verkehrswende aber angegangen werden.
Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern machen sich für Verkehrswende stark
Dies scheinen auch die Bundesländer Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern erkannt zu haben, welche nun gemeinsam den ökologischen Umbau der Autobranche schneller voranbringen möchten. Ganz deutlich beziehen die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), Stephan Weil (SPD) und Markus Söder (CSU) in einem Papier Stellung: „Zu viel Zeit wurde auf Bundesebene schon verspielt und zu viele Ziele wurden verfehlt.“
Söder seinerseits geht noch einen Schritt weiter und gibt zu verstehen: „Handeln statt zu diskutieren, entscheiden statt nur zu warten – wir brauchen eine Art geistige Druckbetankung beim Thema Automobil in Deutschland.“ Die drei Ministerpräsidenten scheinen sich einig, dass Tempo in die Entwicklung, im Autoland Deutschland kommen muss, zumindest, wenn man künftig noch eine Rolle spielen möchte.
Job-Verlust soll soweit wie möglich vermieden werden / klare Vorgaben notwendig
In Deutschland sind rund 800.000 Menschen in der Autoindustrie beschäftigt. In Niedersachsen ist der Volkswagen-Konzern zu Hause, in Bayern BMW, in Baden-Württemberg Daimler. Durch den Umbau hin zur E-Mobilität kommt daher immer wieder das Thema Jobverlust auf. Diesem möchten Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern zeitnah entgegenwirken. Und auch wir hatten das Ganze bereits im Juni 2018 hinterfragt.
Es steht aber auch fest, ohne rechtlich verbindliche Ziele und weitergehende Maßnahmen lässt sich das Ziel der Bundesregierung, Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität zu machen, nicht erreichen. Darüberhinaus fordern die Ministerpräsidenten, dass man künftig nicht nur Vorgaben für Zielsetzungen setzt, sondern den Wandel aktiv begleitet. Unter anderem fordern die Länderchefs vom Bund, mehr Geld in den Ausbau von Ladesäulen für Elektroautos und die Forschung zu stecken.
Bereits Anfang April gab Kurt Sigl, BEM-Präsident Kurt Sigl zu verstehen, dass die Industrie für das Ausrollen der Elektromobilität strategische Klarheit über den Kurs der Regierung benötigt. Denn die „Verkehrswende bedeutet für die Unternehmen Investition und Risiko; umso mehr braucht es einen gemeinsamen Masterplan für die Energie- und Verkehrswende, der Rechtssicherheit schafft und das gewaltige Projekt auf eine belastbare Grundlage stellt“.
Automobilindustrie fordert Politik ebenfalls
Auch die Industrie und Automobilhersteller äußern sich entsprechend. Erst jüngst hat sich Volkswagen-Chef Herbert Diess, in einem Interview des Fachdienstes Tagesspiegel Background Mobilität & Transport, über die Energiepolitik der Bundesregierung ausgelassen und den Kohleausstieg bis zum Jahr 2038 für zu spät erklärt.
„Wenn man sieht, wie zaudernd mit dem Thema Elektromobilität oder der Energiewende umgegangen wird, dann gleicht das fast einer Schockstarre. Ich kann schon verstehen, dass die Jugend deshalb auf die Barrikaden geht.“ – Herbert Diess, CEO Volkswagen
Für die Bundesländer Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern steht fest, dass man trotz der Konkurrenz untereinander enger zusammenzuarbeiten werde, etwa beim Aufbau der Lade-Infrastruktur oder bei gemeinsamen Ausbildungsinitiativen und Forschungsprogrammen. Söder betonte, dass es nicht nur um Elektromobilität gehe, sondern auch um synthetische Kraftstoffe. Technologieoffenheit sei wichtig, denn bekanntermaßen ist es egal, ob Diesel, Benzin, Elektro: Die Antriebstechnik allein macht noch keine Verkehrswende.
Scheuer zeigt sich erfreut über den Vorstoß der drei Ministerpräsidenten
Scheuer lobte den Vorstoß der drei Ministerpräsidenten: „Ich freue mich riesig“, schrieb er auf Twitter, dass parteiübergreifend drei Ministerpräsidenten „die Zukunft der Mobilität pushen“. Seine Pläne für mehr Klimaschutz im Verkehr bekämen damit „zusätzlich Rückenwind“.
Erst kürzlich gab er zu verstehen, dass Deutschland bei der Elektromobilität „vor allem in der urbanen Mobilität besser werden müsse. Zwanzig Prozent der Lieferungen, der Logistik, könnten elektromobil oder mit Lastenfahrrädern abgebildet werden. Wir können viel, viel mehr erreichen durch Punkt-zu-Punkt-Verkehr in der urbanen Mobilität. Also da ist viel Musik drin“, findet Scheuer.
Die Forderungen der Bundesländer Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern richten sich inhaltlich vor allem an die unionsgeführten Bundesministerien für Verkehr, Wirtschaft und Forschung. Vonseiten des Autobranchenverband VDA wird der Vorstoß als „positives Signal“ gedeutet. Der derzeitige Bestand von 17.400 öffentlich zugänglichen Ladepunkten in Deutschland für E-Autos sei „absolut unzureichend“ vor dem Hintergrund der Klimaschutz-Ziele. Gerade da die E-Mobilität auf dem Weg zum weltweiten Durchbruch ist.
Quelle: Süddeutsche Zeitung – Auto-Länder schlagen Alarm: „Zu viel Zeit verspielt“