Nach der Ãœbernahme des Brems- und Fahrzeugregelsystemspezialisten Wabco, hat ZF auch bei den Lkws einiges vor. Der Zulieferer mausert sich zum Systemlieferanten und bringt auf dem Weg zum autonomen Fahren einige spannende Systeme, die den Fahrern das Agieren deutlich erleichtern.
Wenn es um die Elektrifizierung von Lkws geht, ist der Plug-in-Hybrid außen vor. Zu teuer, zu schwer, zu aufwendig, lauten die Argumente. Doch ZF hat eine andere Idee, die auch für die preisbewussten Pfennigfuchser der Logistikbranche Sinn ergibt. Warum nicht einfach eine E-Achse samt Batterie in den Anhänger packen? Schließlich reißen die deutlich mehr Kilometer herunter als die Zugmaschine und über diese längere Dauer des Lebenszyklus amortisiert sich die Investition. Klingt einleuchtend und simpel. Aber wie schlägt sich der Hybrid per Anhängerkupplung auf der Straße?
Wir probieren das aus und haben uns in einen Truck geschwungen. Der Prototyp ist mit einem Elektromotor mit 250 kW / 340 PS und einer Batterie mit einer Kapazität von 80 Kilowattstunden ausgestattet. Schließlich beteiligt sich die E-Maschine nicht ständig am Vortrieb und so können die Energiespeicher eine ganze Weile genutzt werden, ohne dass die sie geladen werden müssen. „Bei der Serienversion werden wir einen stärkeren Elektromotor nutzen“, sagt ZF-Experte Bernd Meurer. Das System funktioniert jetzt schon ziemlich gut und unterstützt die Zugmaschine beim Beschleunigen. Die Rekuperation klappt ebenfalls einwandfrei, was die Anzahl der Ladestopps reduziert.
Im täglichen Einsatz soll der elektrifizierte Trailer eine Treibstoff-Ersparnis von bis zu 6,5 l/100 km. Bei einem Gespann, das rund um die Uhr im Einsatz ist, eine ganze Menge. Stattet man Trailer noch mit ausklappbaren Aerodynamik-Flaps aus, reduziert sich der Spritverbrauch bis auf mögliche 7,3 l/100 km. Alleine bringen die senkrecht angebrachten Spoiler maximal 1,5 l/100 km. „Das kann man im Zusammenspiel mit dem Anhänger aber nicht eins-zu-eins aufaddieren“, erklärt Meurer. Aktuell schiebt die Gesetzgebung dieser Technik noch einen Riegel vor, denn nur landwirtschaftliche Anhänger dürfen elektrisch betrieben sein, aber da sollte es bald eine Änderung geben.
Doch beim reinen Benzinsparen hören die Einsatzmöglichkeiten des E-Anhängers nicht auf. Auch beim Andocken an eine Laderampe unterstützt die Technik den Fahrer mithilfe der Sensoren und Kameras. „Hier verursachen ungeübte Fahrer die meisten Unfälle“, erklärt Meurer. Die ZF-Techniker denken schon einen Schritt weiter und haben ein System in petto, dass das Rangieren von schweren Gespannen inklusive des Andockens an den Ladeschleusen autonom ablaufen lässt. Dazu muss das Gelände natürlich exakt vermessen sein und hochmoderne Systeme wie etwa ein LIDAR-Sensor integriert sein. Mit GPS alleine funktioniert das nicht.
Der Trend ist klar. Fahrassistenzsysteme, die beim Pkw schon eingeführt sind, sollen auch bei den Lkws Einzug halten. Doch so einfach ist das nicht, ein voll beladener 40 Tonner ist schon eine Ansage. Das schiere Gewicht kompliziert die Applikation grundlegender Systeme, die für das autonome Fahren unerlässlich sind. Das sieht man an der elektromechanischen Lenkung, die ZF Mitte der Dekade auf den Markt bringen will. Die vier Motoren müssen ein Drehmoment von knackigen 8.000 Newtonmetern generieren und verbrauchen dabei drei bis vier Kilowatt. „Das muss man erst mal zur Verfügung stellen“, erklärt der verantwortliche Techniker Till Mader. Aufbringen ist ein gutes Stichwort: Bei Transportunternehmern befindet sich traditionell ein Igel in der der Tasche. Man zahlt nur für etwas, was unterm Strich Geld bringt. Aber solche Systeme helfen dem Fahrer und reduzieren die Standzeiten durch Ausfälle.
Klar ist, dass das autonome Fahren Level 4 auch bei den Lkws kommen wird. „Das Thema Platooning oder Oberleitung sehen wir aktuell nicht“, erklärt der ZF-Nutzfahrzeuge-Chef Wilhelm Rehm und ist damit auf einer Wellenlänge mit Daimler Trucks. Der Friedrichshafener Zulieferer will sich auch bei den schweren Vehikeln zu Systemlieferanten entwickeln, der eine all-inclusive-Lösung anbietet, die auch den Elektroantrieb CeTrax 2 beinhaltet, der eine hohe Dauerleistung von 360 kW / 489 PS und einer verbesserten Effizienz dank dreistufiger Lastschaltung. Letztendlich können sich dann kleinere Nutzfahrzeughersteller aus dem Friedrichshafener Bauchladen bedienen und sich das passende System zusammenstellen. Entscheidend auf diesem Weg war die Übernahme des elektronischen Brems- und Fahrzeugregelsystemspezialisten Wabco.
Auf dem Weg zu den Robo-Trucks muss sind wie bei den Pkws noch einige Schritte zu absolvieren, die bei den Lkws einen immensen Sicherheitsgewinn bedeuten. So tüftelt ZF an einem Notbremsassistenten, der den Lkw aus 80 km/h zum Stillstand bringen kann, wenn er ein stehendes Hindernis erkennt. Damit würde die Gefahr des Auffahrens auf ein Stauende deutlich minimiert werden. Aber auch bei schnellen Ausweichmanövern oder starken Seitenwind verhindern die Systeme ein Aufschaukeln und Umkippen des Lkws, genauso wie sie das heute schon beim Pkw tun. Damit wird der Verkehr auf deutschen Fernstraßen deutlich sicherer.