Die Elektromobilität hat sich in vielen Ländern stark durchgesetzt, besonders in Nordeuropa. In Norwegen sind bereits mehr als zwei Drittel der Autos bis zu fünf Jahren rein elektrisch. Trotzdem bleibt der befürchtete massive Umsatzrückgang in Werkstätten aus, wie die Automobilwoche berichtet. Diese Annahme wird seit Jahren in Deutschland vertreten, doch die Praxis in anderen Ländern zeigt demnach ein anderes Bild.
Pehr Oscarson, CEO des schwedischen Konzerns Meko, widerspricht der oft geäußerten Annahme, dass Elektroautos automatisch zu einem Rückgang von 30 Prozent im Werkstattservice führen. Meko ist in Nordeuropa Marktführer im Teile-Großhandel und betreibt rund 4500 Partnerwerkstätten. Aus den Erfahrungen des Unternehmens zieht Oscarson den Schluss, dass es in der Praxis keine großen Unterschiede zwischen Elektroautos und Verbrennern gibt. Zwar fallen bestimmte Arbeiten weg, wie der Ölwechsel oder der Austausch von Kraftstofffiltern, doch diese Ausfälle werden durch andere Reparaturen wieder ausgeglichen.
Ein Beispiel dafür sind teurere Ersatzteile bei Elektroautos. Innenraumfilter etwa kosten bei diesen Autos deutlich mehr. Auch der Verschleiß an Lenkung und Fahrwerk ist bei E-Autos größer, was zu häufigeren Reparaturen führt. Bremsen müssen bei Elektroautos ebenfalls häufiger ausgetauscht werden. Laut Oscarson gibt es weniger, dafür aber aufwendigere Arbeiten an Elektroautos. Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beobachtet einen deutlichen Anstieg der Reparaturkosten bei Elektroautos. Diese liegen im Durchschnitt um 30 bis 35 Prozent über denen von vergleichbaren Verbrennern.
Diese müssen allerdings sinken, wie Jörg Asmussen sagt, der Hauptgeschäftsführer des GDV, da sonst negative Folgen für die Mobilitätswende drohten: „Dass wir als Gesellschaft unsere Fahrzeuge künftig nicht mehr mit fossilen Rohstoffen antreiben, ist und bleibt angesichts des Klimawandels der einzig richtige Weg. Aber wenn die Reparaturkosten nicht sinken, gefährden sie langfristig die Akzeptanz der Elektroautos“, so Asmussen
Tesla belebt das Werkstätten-Geschäft
Ein weiterer Faktor, der zu den stabilen Umsätzen in den Werkstätten beiträgt, ist der Zustand älterer Tesla-Modelle. Tesla ist in Norwegen Marktführer und verzeichne viele Pannen und Ausfälle, insbesondere bei älteren Autos. Oscarson berichtet, dass die Qualität dieser Modelle sehr niedrig sei, was den Werkstätten zusätzliches Geschäft beschere. Auch der TÜV-Report bestätigt dies: Das Tesla Model 3 belegt darin den letzten Platz, da 14,7 Prozent der zwei- bis dreijährigen Fahrzeuge erhebliche Mängel aufwiesen.
In Norwegen haben sich die meisten Werkstätten gut auf die neuen Anforderungen eingestellt. Die Betriebe haben sowohl ihre Ausrüstung als auch ihre Mitarbeiter:innen auf die Arbeit mit Elektroautos vorbereitet. Viele Werkstätten sind mittlerweile in der Lage, am Hochvoltbereich von Elektroautos zu arbeiten. Batteriereparaturen sind jedoch weiterhin eine besondere Herausforderung. Diese werden nur von etwa zehn spezialisierten Werkstätten durchgeführt, darunter auch einige unabhängige Betriebe. Meko hat eine Akademie gegründet, in der Mitarbeiter:innen freier Werkstätten in der Reparatur und dem Austausch einzelner beschädigter Batteriezellen geschult und zertifiziert werden.
Ob Batteriereparaturen in Zukunft ein größeres Geschäftsfeld werden, bleibt noch unklar. In Norwegen sind die meisten Elektroautos durch die achtjährige Herstellergarantie abgesichert, was kostenpflichtige Reparaturen selten macht. Ein weiteres Problem stellt die zunehmende Zahl von versiegelten Batterien dar, die nicht repariert werden können. Hersteller wie Tesla und BYD setzen auf solche versiegelten Batterien. Bei kleineren Schäden bleibt dann nur der komplette Austausch des Gesamten Akkupakets, was Kosten von 20.000 Euro oder mehr verursacht. Oscarson kritisiert diese Entwicklung scharf und sieht darin nicht nur ein ökologisches Problem, sondern auch eine Gefahr für die Restwerte der Autos.
Quelle: Automobilwoche – Elektromobilität: Der Service-Schock bleibt aus / GDV – Versicherer kritisieren hohe Reparaturkosten von Elektroautos