Marcus Berret, einer von drei Geschäftsführern der Unternehmensberatung Roland Berger und Experte für die Automobilindustrie, findet heute nicht mehr, dass die deutschen Autohersteller bei der Elektromobilität hinterherhinken. Vor allem VW mache vieles richtig, wie er in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärte. Der Veränderungsdruck in der Automobilindustrie habe „schrittweise über die letzten Jahre sehr große Ausmaße angenommen“. Haben „nicht klassische Komponenten“ wie etwa Software und Elektronik in der Vergangenheit nur gut 15 bis 20 Prozent an einem Fahrzeug ausgemacht, liege deren Anteil beim Elektroauto bei 60 Prozent und mehr, vor allem wegen der dicken Batterie im Unterboden.
Die aktuelle Chipkrise, die zum Teil für massive Verzögerungen in der Fahrzeugproduktion verantwortlich ist, sei „lediglich ein Symptom dieser ganzen Entwicklung“ und erzwinge „vor allem im Elektronik- und Softwarebereich noch mehr Kooperation zwischen den Anbietern“, so Berret. Er geht davon aus, dass sich der Markt der Automobilhersteller in Zukunft „prinzipiell weiter konsolidieren“ werde: „Es gibt da heute schlichtweg zu viele Anbieter“, so der Berater.
Volkswagen als knapp neben Toyota weltweit größter Pkw-Konzern habe in dieser Hinsicht „in den letzten Jahren viele richtige Entscheidungen getroffen und umgesetzt, auch hinsichtlich Kooperationen“. Die Partnerschaft zwischen VW und Ford etwa – Ford baut ein Elektroauto auf VWs Elektrobaukasten MEB auf – bezeichnet Berret als „mustergültig“. Genau solche Maßnahmen brauche es mehr, findet der Berater. Aber auch die anderen deutschen Hersteller seien „auf sehr gutem Weg“ und „durch die großen Anstrengungen der letzten Jahre“ in einer guten Position, um auch „weiterhin eine führende Rolle auf dem Weltmarkt zu spielen.“
„Der Druck auf die Hersteller ist enorm“
Die Transformation sei ein Balanceakt, verteidigt der Automobilexperte die Abwarthaltung der deutschen Hersteller: Elektroautos „werfen noch keine gute Marge ab“, sagt er, aber gleichzeitig müsse die Antriebswende bereits finanziert werden, was am besten mit klassischen Modellen und Antrieben gelinge. Diese Transformationsphase werde noch vier, fünf Jahre dauern, meint er. Die Handlungsfähigkeit der Hersteller aber werde „zukünftig nicht nur von der aktuellen Marge getrieben, sondern auch von ihren Zukunftsaussichten und ihrer Story gegenüber den Investoren“, so Berret. Aktuell kämpfen Deutschlands Automarken „intensiv mit der Umschichtung ihrer Mittel, Milliardenbeträge, die aber nur einmal ausgegeben werden können“, erklärt der Berater: „Investiert man in Software, in ein neues Presswerk, in die Zellfertigung, die Batteriemontage oder in ein eigenes Betriebssystem?“ Der Druck auf die Hersteller, hierbei aufs richtige Pferd zu setzen, sei „enorm“.
Im internationalen Wettbewerb haben die deutschen Hersteller in jüngster Vergangenheit jedoch „gut aufgeholt“, findet Berret. Die Kritik der vergangenen Jahre, dass sie die Elektromobilität verschlafen hätten, sei zwar „berechtigt“ gewesen, da die deutschen Hersteller „relativ träge“ agieren. „Aber so langsam kommen die Fahrzeuge auf die Straße, die es schon früher gebraucht hätte.“ Berret spricht von einer „großen Welle neuer Fahrzeuge, die auf dem Weltmarkt eine große Rolle spielen werden.“ Und in den kommenden Jahren werde sich „noch sehr viel tun“.
Quelle: RND – „Es gibt schlichtweg zu viele Anbieter”