Arno Antlitz ist beim Volkswagen-Konzern Finanzvorstand und als COO auch für das Tagesgeschäft zuständig. Er verwaltet, plant und lenkt einen Umsatz von gut 250 Milliarden Euro im Jahr. In einem aktuellen Interview mit der Süddeutschen Zeitung sprach Antlitz ausführlich über die Transformation zur Elektromobilität, warum Neuwagen – auch mit fossilen Antrieben – immer teurer werden und welche Strategie VW verfolgt, um weiterhin Geld zu verdienen.
„Wir haben eine starke Ausgangsbasis“, sagt der Topmanager über die Situation bei VW: „eine überzeugende Strategie, erstklassige Produkte und eine solide finanzielle Basis“. Der Hersteller habe allein in West-Europa Bestellungen über beinahe zwei Millionen Fahrzeuge vorliegen, welche bis Mitte des Jahres abgearbeitet werden sollen. Volkswagen aber rechne damit, „dass sich die Nachfrage infolge einer schwächer werdenden Konjunktur eintrübt und zudem der Wettbewerb stärker wird, weil wieder insgesamt mehr Fahrzeuge produziert werden können“, son Antlitz .
Beim Weg in die E-Mobilität gibt es in der gesamten Branche nur eine Richtung: Nach oben. So auch bei VW: „2021 waren fünf Prozent unserer verkauften Autos vollelektrisch, vergangenes Jahr sieben, dieses Jahr planen wir, elf Prozent zu schaffen“, sagt Antlitz über die Steigerungsraten. Bis 2025 will der VW-Konzern weltweit 20 Prozent seiner Neuwagen vollelektrisch verkaufen, bis 2030 soll es mehr als die Hälfte sein. Dabei gebe es regionale Unterschiede: „In der EU werden wir 2030 schon bei rund 70 Prozent sein“, sagt Antlitz. In anderen großen Märkten – zum Beispiel Südamerika oder Indien – gehe es „deutlich langsamer mit der Elektrifizierung voran“.
„Neuwagen werden teurer werden“
Volkswagen wolle sich in Zukunft „auf die attraktivsten Profit-Pools“ konzentrieren, „also die besonders gewinnbringenden und gleichzeitig gefragten Fahrzeugsegmente sowie die wachstumsstärksten Regionen“, so der Finanzvorstand. In den USA seien das zum Beispiel Pick-ups und robuste SUV. Beides will VW vor Ort ab 2026 produzieren, sagt Antlitz. „Vollelektrisch und mit eigener Marke: Scout.“ So will es VW schaffen, seinen US-Marktanteil von aktuell vier Prozent auszubauen. Es gebe „einen klaren Plan, um das zu ändern“. In den USA sei „jetzt ein gutes Zeitfenster, um zu wachsen. Der Markt dreht Richtung E-Mobilität“, davon wolle VW profitieren: „Wir haben die Technologie und die Produkte und verdienen mittlerweile Geld. Dazu gibt es die Subventionen der US-Regierung für Elektromobilität.“
VW hat schon mehrere E-Autos im Programm. Den kompakten ID.3 sowie die etwas größeren SUV-Varianten ID.4 und ID.5 und den E-Bulli ID.Buzz. „Jetzt kommt die zweite Welle“, sagt Antlitz. Zunächst mit dem ID.7, einer großen Limousine, „um danach das Angebot in den unteren Segmenten zu erweitern“, wie der VW-Vorstand sagt. „Zur Wahrheit“ gehöre aktuell aber auch: „Selbst wenn wir im Sinne unserer Kunden möglichst viel auf der Kostenseite kompensieren – Neuwagen werden teurer werden“. Das liege etwa an den neuen Vorschriften für Verbrenner, „aber auch an höheren Rohstoffkosten zum Beispiel für Batterien“. Das Ziel aber bleibe bestehen, mit dem ID.2 ab 2025 ein E-Auto für weniger als 25.000 Euro anzubieten.
Einem E-Kleinstwagen ID.1, wie er erst vor kurzem von VW-Markenchef Thomas Schäfer in Aussicht gestellt wurde, steht Antlitz aus finanzieller Sicht skeptisch gegenüber: „Wir müssen profitabel arbeiten“, sagt er, daher sei „unterhalb eines ID.2 zu den heutigen Kosten der Batterie und der Rohstoffe zum aktuellen Zeitpunkt ein noch günstigeres Modell nicht darstellbar“. Volkswagen arbeite „dennoch intensiv an einer Lösung“, so der Finanzvorstand.
Bei den Überlegungen spielen auch die aktuellen Energiepreise eine Rolle, wie Antlitz anschaulich erklärt: „Nehmen Sie unser neues Batteriewerk in Salzgitter. Jeder Cent, den die Kilowattstunde Strom schwankt, macht da im Jahr gleich mehr als 100 Millionen Euro Betriebskosten aus“. Generell seien die Standortkosten in Deutschland sehr hoch und „in Dimensionen, bei denen die Politik noch weiter hinschauen muss, weil sie uns Nachteile bringen“. Auch bei Förderungen und Subventionen drohe Deutschland und Europa ins Hintertreffen zu geraten, etwa in Konkurrenz zu den USA: „Denken sie an den Inflation Reduction Act, der ja gerade stark die Produktion neuer klimaschonender Technologien fördert.“
„Die letzte Generation von Verbrennerfahrzeugen“
Aktuell investiere der Konzern massiv in den Hochlauf der Elektromobilität und versucht gleichzeitig, seine „letzte Generation von Verbrennerfahrzeugen wettbewerbsfähig zu halten“, erklärt Antlitz. Der Höhepunkt der Investitionen soll in etwa zwei oder drei Jahren erreicht werden, und „spätestens ab dem Jahr 2026 können wir ernten“, sagt der Finanzvorstand voraus. Ab dann werde Volkswagen fast nichts mehr investieren müssen in „die auslaufende Verbrennertechnologie. Die Doppelbelastung fällt weg, und dann wollen wir auch mit der Elektromobilität deutlich verdienen“. Für die kommenden Jahre sei der Konzern finanziell gut gerüstet, etwa durch die Einnahmen des Börsengangs von Porsche und die generell „sehr soliden Finanzen“. Der finanzielle Spielraum liege aktuell bei fast zehn Milliarden Euro. „Damit können wir in die Elektro-Strategie investieren, zum Beispiel in die Batteriefertigung und die Stärkung von Lieferketten“.
Es gebe etliche Überlegungen, die ein Konzern wie VW anstellen müsse: „Man benötigt überzeugende Produkte und eine überzeugende Strategie“, sagt Antlitz, und man müsse „nachhaltige Ergebnisse“ erzielen. Der VW-Manager unterscheidet hierbei „sehr stark in zwei Zeiträumen: Ist ein Unternehmen kurzfristig, auch in schwierigen Zeiten, in der Lage, Geld zu verdienen? Schaffen wir also auch in herausfordernden Zeiten acht Prozent Rendite oder nicht?“ Und in der Folge seien mittel- und langfristige Perspektiven wichtig: „Schaffen wir unseren Hochlauf mit Elektroautos wie geplant? Investieren wir richtig in Software? Halten wir unsere starke Position in China? Können wir in den USA profitabel wachsen?“ Volkswagen habe für „beide Zeiträume klare Pläne“.
Quelle: Süddeutsche Zeitung – Volkswagen: „Neuwagen werden teurer“