Die Zukunft des Audi-Werks in Brüssel, in dem das nicht sonderlich erfolgreiche Elektro-SUV Q8 e-tron produziert wird, steht an einem Scheideweg. Vor wenigen Tagen war nach einer Produktionspause der Neustart des Werkes an Protesten der Mitarbeiter gescheitert, offenbar wurden dabei auch Schlüssel von fertiggestellten Elektroautos unterschlagen. Audi setzt zwar auf Gespräche mit den Beschäftigten und den Sozialpartnern, um eine Lösung zu finden. Doch eine Schließung des Standortes wird immer wahrscheinlicher, da nach dem Auslaufen des Q8 im kommenden Jahr weiterhin kein Nachfolgemodell eingeplant wird. Mit dem chinesischen Hersteller Nio gibt es aber offenbar bereits einen ersten namentlich bekannten Übernahme-Interessenten.
Wie CnEVpost unter Berufung auf die belgische Medienagentur De Tijd berichtet, habe eine Delegation von Nio den Standort besucht und bereite nun dem Vernehmen nach ein Angebot an den derzeit kriselnden Volkswagen-Konzern vor, zu dem Audi gehört. Betroffen wären knapp 3000 Mitarbeiter, von denen sicher ein großer Teil davon profitieren könnte, wenn ein anderer Hersteller den Standort übernehmen und die Produktion fortsetzen würde.
Für Nio ist ein Werk auf europäischem Boden attraktiv, um die derzeit noch vorläufigen Strafzölle der Europäischen Union für in China gefertigte Elektroautos zu umgehen. Nio ist dabei aktuell von einem Strafzoll von 20,8 Prozent betroffen, zusätzlich zu den 10 Prozent es regulären Importzolls. Aktuell produziert Nio seine Elektroautos ausschließlich in zwei Werken in der chinesischen Heimat.
Seit einiger Zeit vertreibt der Hersteller auch in Deutschland seine Modelle und baut sein Netz an Batterie-Wechselstationen aus, in denen binnen fünf Minuten ein neuer und voller Akku ins Auto eingebaut werden kann. Bislang verläuft die Expansion von Nio auf die europäischen Märkte aber schleppender als erhofft. Auch andere chinesische Hersteller forcieren es aktuell, zukünftig mehr Elektroautos in Europa selbst herzustellen.
In welchem Maße die vorgesehene Produktion des Audi Q8 e-tron in Brüssel nun tatsächlich noch erfolgen kann, erscheint aktuell unklar. In den kommenden Wochen dürfte die Belegschaft mit großer Entschlossenheit auf ihre Forderungen pochen. Belgien ist laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung das Land in Europa mit den meisten Streiktagen. Zwischen 2012 und 2021 fielen dort durchschnittlich 96 Arbeitstage je 1000 Beschäftigte aus. Im Vergleich dazu verzeichnete Deutschland im gleichen Zeitraum 18 Streiktage, während die Slowakei gar keine Streiktage meldete. Die Bereitschaft zu weiteren Arbeitskampfmaßnahmen in Brüssel dürfte also hoch sein.
Quelle: CnEVpost – Nio mulling takeover of Audi Brussels car plant, report says