In dieser Folge des EAN-Podcast habe ich Johan Warburg, Business Development Manager von Tibber zu Gast. Gemeinsam unterhalten wir uns über Tibber, sowie deren Konzept von Smart Charging. Dieses zahlt auf die Vision des Unternehmens ein, dass deren Kund:innen ihren Stromverbrauch verstehen und damit die Ausgangslage schaffen, diesen zu reduzieren.
Tibber, beschrieben als ein “Energiemanager”, bietet eine App, die den Stromverbrauch in Echtzeit anzeigt und Geräteverbindungen ermöglicht. Ein besonderes Highlight ist der dynamische Stromtarif von Tibber, bei dem die Preise stündlich variieren und den Kunden ermöglichen, zu den günstigsten Zeiten Strom zu verbrauchen. Dieses Modell spiegelt die Realität der Energieerzeugung und -nachfrage wider und bietet erhebliche Einsparungen, insbesondere für Elektroautobesitzer.
Johan betont, dass Tibber nicht an der verkauften Kilowattstunde verdient, sondern eine monatliche Grundgebühr erhebt. Dies unterscheidet das Unternehmen von vielen anderen Stromanbietern und eliminiert potenzielle Interessenkonflikte. Da man schließlich Kund:innen helfen wolle, deren Stromverbrauch zu reduzieren.
Zum Ende spreche ich mit Johan über die zukünftigen Pläne von Tibber, darunter eine spannende neue Partnerschaft mit dem ADAC, um das Konzept des Smart Charging in Deutschland weiter zu verbreiten. Wir gehen direkt rein ins Gespräch mit Johan.
Gerne kannst du mir auch weitere Fragen zur E-Mobilität per Mail zukommen lassen, welche dich im Alltag beschäftigen. Die Antwort darauf könnte auch für andere Höre:innen des Podcasts von Interesse sein. Wie immer gilt: Über Kritik, Kommentare und Co. freue ich mich natürlich. Also gerne melden, auch für die bereits erwähnten Themenvorschläge. Und über eine positive Bewertung, beim Podcast-Anbieter deiner Wahl, freue ich mich natürlich auch sehr! Danke.
Transkript zu Tibbers Vision: Ein Leben mit intelligentem Laden
Sebastian
Servus Johan. Vielen Dank, dass du dir heute die Zeit nimmst, dass wir uns ein wenig über das Thema Smart Charging unterhalten. Bevor wir da allerdings in das Thema eintauchen, stell dich doch gerne mal selbst vor und erzähl ein paar Worte oder verlieren ein paar Worte über Tibber, das Unternehmen, das du heute hier im Podcast vertrittst.
Johan Warburg
Moin Moin Sebastian. Danke für die Einladung. Ich bin Johan Warburg, komme ursprünglich aus Berlin, bin dann nach Hamburg gezogen mit meiner Familie und bin über Umwege dann zu Tibber gekommen. Und Tibber ist eine sehr spannende Sache. Wir sind ein Start-up oder Scale-up aus der Energiewirtschaft und man kann es eigentlich relativ einfach zusammenfassen. Wir versuchen unseren Kundinnen und Kunden dabei zu helfen, ihren Stromverbrauch zu verstehen, erstens, und zweitens ihre Stromkosten aktiv zu reduzieren. Also letztendlich möchten wir ihnen die Kontrolle über den Stromverbrauch zurückgeben und das zeichnet im Prinzip Tibber aus, kurz zusammengefasst.
Sebastian
Schön auf den Punkt gebracht. Jetzt sagst du Stromverbrauch verstehen? Wie kann ich mir das vorstellen als Endkunde? Wie verstehe ich meinen Stromverbrauch?
Johan Warburg
Genau, das funktioniert über intelligente Technologien und unsere Produkte, konkreter gesagt über unter anderem die Tibber-App als Herzstück letztendlich unseres Produkts, wo man unter anderem seinen Stromverbrauch wirklich live sehen kann, mit verschiedenen Lösungen von uns, wo man aber auch sehen kann, was man an welchem Tag verbraucht hat, wie die Stromkosten an diesem Tag waren und so weiter, und wo man eben auch Geräte mit uns verbinden kann. Also wir sind ein Energiemanager.
Man kann etwa sein Elektroauto mit uns verbinden und viel der Magie sage ich mal, funktioniert dann auch im Hintergrund. Wenn man sein Elektroauto mit uns verbindet und wir es dann zum Beispiel zu den günstigsten Tageszeiten laden – wir sind ja Anbieter von einem dynamischen Stromtarif, das müsste ich gleich noch einmal ausführen –, dann funktioniert diese Optimierung letztendlich automatisiert im Hintergrund und der Kunde, die Kundin bekommt davon erst mal nichts mit, außer dass es eben zum günstigsten Preis geladen wird und wir dann das Ganze auch so anzeigen. Aber die ganze Optimierung ist wie zuvor besprochen eine Eigenentwicklung von Tibber.
Sebastian
Und du hast eben schon erwähnt, dieser dynamische Stromtarif: Was kann ich mir darunter vorstellen?
Johan Warburg
Genau, viele Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland kennen einen Strompreis, als einen festen Betrag pro Jahr, den man zahlt. Also man zahlt X Cent pro Kilowattstunde. Das schwankt eben auch jedes Jahr und je nachdem, was der Versorger ihm dafür Briefe schickt. Und dann ist es letztendlich aber völlig egal, wann man diesen Strom verbraucht. Also letztendlich morgens, tagsüber, abends, wann auch immer, der Preis ist immer der gleiche.
Das entspricht aber logischerweise nicht der Realität draußen, also der Erzeugung von erneuerbaren Energien und auch nicht der Nachfrage. Die ist ja meistens unterschiedlich, also morgens und abends meistens ein wenig höher, wenn wir aufstehen, wenn wir unsere Eier kochen und so weiter und so fort, abends den Fernseher anmachen. Deswegen gibt es in der Tat noch, sage ich mal, Großhandelspreise, die diese realen Bedingungen abbilden. Das bedeutet etwa ganz konkret, einmal am Tag werden die Strompreise für den Folgetag festgelegt an der Leipziger Strombörse. Das passiert wirklich genau um 13 Uhr.
Dann schaut man für jede Stunde einmal sich an: Wie viel Erzeugung ist aktuell? Wie viel Erzeugung soll da sein? Das ist eine Vorhersage. Wie viel Sonne haben wir? Viel Wind haben wir für jede Stunde? Und wie viel Energie wird nachgefragt? Und aus diesem Zusammenspiel entsteht dann einen Preis für jede Stunde. Also letztendlich wirklich als, wie gesagt, stündlich schwankender Preis und diesen reichen wir eins zu eins weiter.
Das heißt, um es mal auf den Punkt zu bringen: Kundinnen und Kunden bekommen wirklich einen Preis, der um 4 Uhr morgens unterschiedlich ist von dem Preis, der um 16 Uhr abends unterschiedlich ist. Und die Idee ist natürlich, dass, wenn der Preis niedriger ist, dass man dann entsprechend mehr verbraucht, um entsprechend seine Stromkosten zu senken und am Ende auch dem Netz zu helfen und der Integration von erneuerbaren Energien.
Sebastian
Jetzt hast du eben gerade ausgeführt, ihr reicht das eins zu eins weiter. Das heißt, ihr seid die Wohlfahrt und wollte auch nichts dran verdienen, oder wie kann ich mir das als Kund:in dann noch mal vorstellen? Das muss man ja auch mal ein Stück weit einordnen.
Johan Warburg
Absolut. Wohlfahrt sind wir noch nicht. Vielleicht gehen wir da irgendwann hin. Wir sind ja ein Beruf, auch ein profitorientiertes Unternehmen. Das kann man durchaus so sagen. Wir verdienen aber nicht an der Kilowattstunde selber, so wie viele andere der Lieferanten, der Stromanbieter heutzutage, sondern wir haben eine Grundgebühr von 4,49 € aktuell im Monat. Und was viele andere Anbieter machen, ist eben, dass sie letztendlich einen Aufschlag pro Kilowattstunde haben. Für jede Kilowattstunde, die sie verkaufen, verdienen sie mehr Geld, und das ist ein Interessenkonflikt und ein Zielkonflikt, den wir uns nicht aussetzen wollten.
Also es ist ganz klar. Wenn wir ein Interesse daran haben, dass möglichst viel verbraucht wird, dann können wir nicht ernsthaft sagen und nicht glaubhaft sagen: „Wir möchten, dass unsere Kunden schlauer und weniger Energie verbrauchen.“ Das wäre ein totaler Konflikt und deswegen ist es für unser Geschäftsmodell egal, ob jemand eine Million Kilowattstunden verbraucht. Wir verdienen nicht mehr Geld. Dem Planeten ist es aber sicherlich nicht egal.
Sebastian
Das stimmt. Das wollte ich auch noch mal fragen, weil euer Ziel, so wie du es ja vorhin ausgeführt hast: Ihr wollt, dass der Kund:in seinen Stromverbrauch versteht und dann eben auch reduziert, und wenn ihr den reduziert, würde der auch direkt auf eure Einnahmen dann sozusagen abzielen und das kann ja auch nicht in eurem Sinne sein, weil ihr müsst ja auch natürlich Einnahmen erzielen, um dann eben auch weiteren Kunden, Kundinnen zu helfen. Jetzt hast du aber auch gesagt, dieser Tarif, der weicht stündlich ab. Wir haben ja erfahren von dir, wie das funktioniert. Wie nutze ich das dann als Endnutzer sozusagen am besten?
Johan Warburg
Also man schließt ganz normal über uns einen Stromvertrag ab und hat dann in unserer Tibber-App die Einsicht, wie die Preise sich entwickeln. Ich habe eben schon gesagt, um 13 Uhr werden die Preise für den Folgetag festgelegt. Das heißt, man kann zum Beispiel jetzt schon die Preise für morgen sehen. Das sind die sogenannten Day-Ahead-Spot-Preise. Und dann kann man beispielsweise sich manuell anschauen: Gut, wie sieht die Preiskurve morgen aus? Wann sind die Preise besonders günstig? Und kann beispielsweise jetzt, wie gesagt, manuell schauen: Wann schmeiße ich die Waschmaschine an? Aber die Idee ist natürlich von Tibber, dass man das Ganze automatisiert macht – diese Automatisierung bauen wir auch – und zum Beispiel das Elektroauto eben automatisch dann lädt, wenn der Preis niedrig ist, wenn beispielsweise besonders viele Windräder sich gerade drehen. Das ist ein ganz klassischer Fall von, die Preise gehen in den Keller.
Sebastian
Und das heißt ja von der Logik her so, also ich schließe es dann an oder es ist ja angeschlossen, mein E-Auto an der Ladestation, aber ihr würdet es dann wahrscheinlich erst scharf schalten, wenn dann die Preise auch attraktiv sind?
Johan Warburg
Richtig. Also wir kommunizieren letztendlich entweder mit der Wallbox oder mit dem E-Auto selber. Es gibt da auf unserer Seite eine transparente Liste, welche Modelle und Marken kompatibel sind. Wie gesagt, es geht beides. Es sind aktuell mehrere Wallboxen, aber auch viele der bekannten Autohersteller. Und wir sprechen dann ganz konkret mit dem Gerät an sich und können es dann ansteuern und sagen: „Achtung, Strompreise sind gerade hoch. Bitte nicht laden“, oder eben später zu einem anderen Zeitpunkt: „Die Strompreise sind niedrig. Bitte jetzt laden.“
Das funktioniert eben sehr einfach und das ist auch letztendlich die Bedingung, die sich Tibber dabei gesetzt hat, bei der Entwicklung, und auch die Ambition, weil es soll einfach sein, das soll einfach funktionieren. In der Masse wird das nur funktionieren, wenn man da nicht extrem techy für sein muss, auch wenn wir unsere Techy-Kunden wirklich lieben, sage ich mal, und sie unterstützen. Aber es muss einfach sein, es muss überzeugend und simpel funktionieren. So ist es beispielsweise bei uns gelöst, dass man wirklich in der Tibber-App einfach sagt: Wann möchte ich losfahren? Möchte ich vielleicht 100 % um 6 Uhr morgens erreicht haben? Und dann ist die Zeit, wann ich das Haus verlasse und den Rest der Optimierung erledigen wir. Es ist wirklich nur ein Klick und im Hintergrund passiert diese ganze Optimierung, wann jetzt wie viel geladen wird.
Sebastian
Von der generellen Entwicklung her, du hast jetzt gesagt, der Preis wird täglich festgelegt für diese Stunden im Voraus aufgrund von einer Annahme. Ich als Endkunde kann mir aber dann auch sicher sein, dass der Preis dann aber zumindest für den nächsten Tag bestehen bleibt, wenn der heute sagt, um 14 Uhr kostet es die und die Summe und dann wird die für mich feststehen und verändert sich im Nachhinein dann nicht noch mal zum Negativen oder auch Positiven?
Johan Warburg
Absolut. Das bleibt erst mal so bestehen. Es gibt neben dem Day-Ahead-Markt, den ich jetzt schon beschrieben habe, noch weitere Energiemärkte und die werden immer granularer. Also ich habe ja gesagt, einerseits gibt es diesen Day-Ahead-Markt um 13 Uhr. Für den Folgetag werden die Preise auf Basis einer Prognose letztendlich erzeugt oder auf diese Preise wird sich geeinigt, und am Folgetag gibt es noch sogenannte 15-Minuten-Scheiben im Intra-Day-Markt, wo man sich anschaut: Wie ist das Wetter tatsächlich geworden? Haben wir wirklich so viel Sonne? Haben wir wirklich so viel Nachfrage oder müssen wir nachjustieren? Und in diesem Markt sind deutliche Preissteigerungen nach oben und nach unten möglich, aber der Kunde, die Kundin ist erst mal abgesichert, dass der Preis, den wir da angezeigt haben, auch kommt.
Jetzt ist nur der Witz dabei, wenn man diese noch granularen Preise einbezieht in die Optimierung, dann lässt sich sogar noch mehr sparen, weil es zum Beispiel in einer Viertelstunde dann doch noch mal viel mehr Windstrom kommt, als gedacht ist oder vielleicht die Nachfrage sich ganz anders entwickelt, und die Möglichkeiten der Einsparung, wenn man das einbezieht, ist gleich noch mal deutlich höher. Es sind noch mal bis zu 400 € pro Auto im Jahr drin, aber diese Optimierung wird aktuell in Deutschland bisher nicht ausgeführt. Das soll aber irgendwann kommen. Aktuell ist es aber so, um dich jetzt einmal zu bestätigen: Der Preis, der da steht, ist Gesetz und das ist der, auf den man sich verlassen kann.
Sebastian
Weil so eine Sicherheit brauchst du ja dann trotzdem irgendwo als Endnutzer:in dann für die ganze Geschichte, damit du dich da ja auch drauf einlassen kannst. Und wie ist es denn generell so von der Einpreisung her? Jetzt haben wir gehört, ihr verdient nicht an der Kilowattstunde dran. Ihr habt eine Pauschale im Monat. Das habe ich verstanden. Wie ist es für mich als Endnutzer? Also ich muss ja einen Vorteil oder ich möchte ja einen Vorteil daraus ziehen, um eben auf so einen Smart Charging-Tarif von Tibber auch zu setzen. Kannst du das ein Stück weit einordnen, wie das in so einem Standardhaushalt, den ihr bestimmt betrachtet habt, auch der Fall ist?
Johan Warburg
Absolut. Also wir haben das natürlich vielfach untersucht und ich beziehe mich jetzt mal speziell auf den Fall eines Haushalts mit einem Elektroauto und dem der Anwendung der SmartCharging-Funktion. Und da ist es tatsächlich so, dass man 30 % ungefähr sparen kann gegenüber einem, sage ich mal, dummen Laden, wo es eben nicht preisorientiert ist. Und das ist dann je nach Fahrleistung natürlich sehr unterschiedlich. Wenn man viel mehr fährt, kann man viel mehr sparen. Es ist jetzt aber so, dass man durchaus mehrere 100 € mehr sparen kann, wenn man einfach nur in der App auf den Knopf drückt.
Und wir haben jetzt auch mal mehrere Analysen gemacht über einen längeren Zeitraum. Da ist zum Beispiel der Mai sehr interessant, weil er sehr sonnenreich war und ich würde ihn gerne als Beispiel nehmen. Im Mai gab es nicht nur niedrige Preise durch vor allem viel Sonne, sondern sogar auch manchmal negative Preise. Bis zu sechsmal, also an sechs Tagen, gab es negative Preise. Das muss ich gleich vielleicht noch mal erklären. Aber da ist es eben so, dass man so viel erneuerbare Energien im Netz hat und so unflexible alte Kraftwerke auch noch im Netz hat, dass die Preise letztendlich ins Negative rutschen und dass teilweise Kunden sogar dafür entlohnt werden, Strom zu entnehmen.
Und jetzt mal, um diese Beispielrechnung aufzumachen: Wir haben uns das einen Monat angeschaut für den Raum Berlin und haben gesehen, das hätte ein Kunde oder eine Kundin unter idealen Bedingungen geladen, das heißt, wirklich jeden Tag bereit gestanden und mit Smart Charging letztendlich das Auto geladen. Dann hätte man für weniger als 0,20 € das Auto im Schnitt laden können und hätte ungefähr 3 € Stromkosten auf 100 Kilometer gehabt. Also wirklich niedrig. Es war ein Monat mit sehr viel Sonne und dementsprechend einfach guten Wetterbedingungen für niedrige Strompreise.
Es ist aber so, dass es eben auch nicht ein Einzelfall bleibt. Das ist mir jetzt auch ein wichtiger Punkt. Dieser Effekt, viele erneuerbare Energien heißt günstige Strompreise. Das wird zukünftig immer weiter und immer häufiger vorkommen, dadurch, dass wir natürlich erstens ganz viel erneuerbare Energien ausbauen. Das heißt, die Gesamtkapazität steigt einfach. Zweitens aber auch die alten Kraftwerke noch am Netz bleiben, eine ganze Weile und letztendlich diese Kraftwerke auch dazu führen, dass es teilweise diese negativen Preise gibt. Das heißt dann, wenn wir noch in keinem System sind, wo es wirklich Verbraucher und Verbraucherinnen gibt, die in großem Stil auf diese Preissignale reagieren, diese extremen Preissignale auch erst mal bleiben.
Und das heißt, wir gehen davon aus, dass es gerade in den Sommermonaten, Frühlings- und Sommermonaten wirklich in den nächsten Jahren immer häufiger diese, sage ich mal, Events geben wird, wo man teilweise auch entlohnt wird für das Laden eines Elektroautos, was erst mal natürlich ein wenig kontraintuitiv ist.
Sebastian
Die Frage, die sich mir stellt, würde ich jetzt mal unterstellen: Die Leute, die sich mit Smart Charging befassen, die ein E-Auto daheim haben, die haben vielleicht auch eine eigene PV-Anlage auf dem Dach, wenn sie es sich erlauben können. Ist es da für euch auch möglich in diesem System dann mit euch einzuklinken und zusammenzuspielen und das zu regulieren?
Johan Warburg
Das gibt es auch. Das nennt sich bei uns Solar Smart Charging. Also letztendlich ein cloud-gesteuertes Überschussladen und dann würden wir letztendlich beides berücksichtigen. Also wie viel kommt aus der PV-Anlage und der Rest im Prinzip würde dann zum Beispiel dann nachts geladen werden. In diesem Fall in dem Beispiel, das ich eben genannt habe, war es aber tatsächlich so, dass diese Niedrigpreise oftmals mittags stattgefunden haben im Mai, weil da eben besonders viel solare Produktion war.
Das ist natürlich auch die Zeit, wo jetzt ein Haushalt perfekt viel PV-Strom zur Verfügung gehabt hätte wahrscheinlich, also ein Haushalt mit Solaranlage. Das heißt, diese 0,18 € oder knapp 0,20 € pro Kilowattstunde wären realisiert worden jetzt in einem fiktiven Haushalt zum Beispiel mit E-Auto und ohne PV-Anlage, weil man dann meistens mittags geladen hätte, wenn die Großhandelspreise derart niedrig sind. Aber auch nachts sind große Schwankungen drin. Also man kann letztendlich wirklich sagen, pro E-Auto kann man mit so einem Tarif durchaus mehrere 100 € im Jahr sparen, wenn man eben bereit ist, sage ich mal, diesen Knopf zu drücken. Es soll ja einfach sein und bereit sein, seinen Ladeverhalten ein wenig an den Preisen anzupassen.
Sebastian
Gut, in der Nacht ist das ja, glaube ich, nicht so die Herausforderung tatsächlich. Und wenn man dann noch eine Einsparung mitnehmen kann, ist es ja auch gut. Für mich die Frage noch: Du hast gesagt, ihr habt diese Grundgebühr, die ihr monatlich verlangt, die auch vollkommen legitim ist. Was brauche ich denn noch für den Einstieg, damit ich dieses Smart Charging betreiben kann? Gibt es da noch eine Hardware, die ich mir vielleicht noch anschaffen muss, außer dem Softwarealgorithmus, den ihr da im Hintergrund werkeln lasst?
Johan Warburg
Das ist wichtiges Thema und leider in Deutschland nicht ganz unkompliziert. Da muss man ein kleines Fass aufmachen. Ich versuche, das sehr zu umreißen. Letztendlich müssen wir natürlich wissen, was du in welcher Zeit, in welchem Zeitraum verbraucht hast. Wir müssen natürlich verstehen, sagen wir, zwischen 3 und 4 Uhr morgens hast du zehn Kilowattstunden verbraucht und so würden wir dann den Verbrauch dieser Stunde mit dem Preis dieser Stunde multiplizieren und könnten perfekt sagen: „Super, in dieser Stunde hast du 3 € Stromkosten gehabt“, oder so.
Und viele der alten Zähler, die geben uns diese Information leider nicht, denn das sind etwa diese alten Ferraris-Zähler, die viele sicherlich noch kennen, die so eine Drehscheibe drin haben. Oder es sind digitale Zähler, die schon so ein Display haben, aber die auch nicht kommunikativ angebunden sind. Um Smart Charging zu nutzen, brauchten wir diese Informationen, wie zuvor besprochen, was wann verbraucht wurde.
Das geht auf zwei Arten: Entweder mit einem sogenannten Smartmeter, also einem intelligenten Zähler, die auch das Bundeswirtschaftsministerium und der Bundeswirtschaftsminister, Herr Habeck gerade ins Land bringen möchte. Die sind allerdings noch recht wenig verbreitet. Das soll jetzt mehr kommen. Das war Option eins. Oder Option zwei ist ein digitaler Zähler. Die sind erkennbar an so einem Display und so einem kleinen Kreis, wo eine optische Schnittstelle ist und einem Tibber-Puls, das ist ein Gerät, das wir selber entwickelt haben, ein Stück Hardware, was den Zähler ausliest und uns diese Information auch gibt. Das Gerät kostet einmalig 90 €, glaube ich, aktuell und keine laufenden Kosten. Und so kann man, wie gesagt, auch letztendlich Smart Charging nutzen und stündlich genaue Preise über uns erhalten.
Sebastian
Und der Tibber-Puls, der ist dann direkt an dieser Schnittstelle auch mit angebracht. Braucht er da noch eine Verbindung ins heimische WLAN sozusagen, um euch die Daten zu schicken, oder wie geht das vonstatten?
Johan Warburg
Richtig. Das sind zwei Komponenten. Einmal das Gerät, was am Zähler hängt, an dieser Schnittstelle, und dann ein Gerät, was an der Steckdose hängt. Zwischen denen besteht eine lokale Funkverbindung und das reicht auch so im doppeltem WLAN-Radius ungefähr. Das bedeutet, im Einfamilienhaus ist das gar kein Problem, aber selbst in der Mietwohnung, so vom Keller in den zweiten, dritten Stock sollte es eigentlich gehen. Und das Gerät in der Steckdose, das wird dann im heimischen WLAN verbunden und an die Tibber-Cloud am anderen Ende angebunden.
Sebastian
Dann hört das ja alles für mich sehr überzeugend an, die ganze Geschichte. Jetzt frage ich mich, warum so wenige Menschen von Smart Charging bisher gehört haben. Jetzt haben wir heute ein paar hoffentlich schlauer gemacht sozusagen. Was macht ihr jetzt aktuell, um das hier auch in Deutschland präsenter zu machen und in die Masse hineinzubringen?
Johan Warburg
Wir versuchen natürlich erst mal super viel aufzuklären, weil, wie du sagst, das Thema ist bisher nicht so bekannt, auch dynamische Strompreise kommen erst so langsam und das ist aber auch ein Infrastrukturproblem. Man muss sagen, weil die schlauen Stromzähler noch nicht angekommen sind, haben sich viele bisher nicht mit dem Thema beschäftigt. Und viele Stromanbieter sagen auch: „Na ja, es interessiert sich keiner dafür. Dementsprechend bieten wir diese Tarife nicht an“, aber wie zuvor besprochen, die Infrastruktur ist auch abwesend. Also es ist so ein Henne-Ei-Problem.
Jetzt wurden diese, verpflichtet dynamische Tarife anzubieten ab 2025, um eben auch wie zuvor besprochen, dass jemand von der Stadtwerke Ulm so einen Tarif bekommen kann. Und wir machen das Ganze in Pionierarbeit, weil wir dann glauben und weil wir in Norwegen auch sehen, wie erfolgreich das ist und wie sehr das Verbreitung schon gefunden hat. Das heißt, wie zuvor erwähnt, erstens Aufklärung. Was bedeutet das? Was sind Vorteile? Warum nutzt mir das was? Warum nutzt das auch? Warum ist das System nicht auch gut? Also warum tue ich wirklich damit etwas Gutes? Das würde ich gleich noch gerne umschreiben tatsächlich, warum das Ganze einen systemischen Nutzen hat.
Das Zweite ist natürlich auch Partnerschaften einzugehen, um das in der Masse zu verbreiten, um andere letztendlich Marken und Organisationen zu nutzen, die da helfen könnten in der Verbreitung. Und da kann ich jetzt auch sagen, dass wir seit gestern mit dem ADAC tatsächlich eine Kooperation gelauncht haben, um genau diese Verbreitung dynamischer Tarif in Deutschland voranzubringen und der ADAC letztendlich zusammen mit Tibber und all seinen Mitgliedern einen dynamischen Tarif anbietet oder anbieten kann, mit uns zusammen.
Sebastian
Wenn, dann können wir ja da schon mal hoffen, dass das ein Stück weit mehr in die Masse hineingeht. Jetzt für mich noch ganz kurz: Du hast gesagt, die Stromanbieter tun das dann damit ab: „Ja, da hat auch kein Interesse dran.“ Der Stromanbieter selbst wird ja wahrscheinlich kein Interesse daran haben, weil die verdienen ja an der Kilowattstunde, oder?
Johan Warburg
Absolut. Erstens das. Genau, dieser Zielkonflikt. Und zweitens ist es natürlich auch so, dass es erst mal etwas Neues ist, mit dem man sich beschäftigen muss. Also ich werde jetzt niemandem zu nahe treten, aber die deutsche Energiewirtschaft ist jetzt nicht bekannt für die Geschwindigkeit, also zumindest in die Alte Welt, für die Geschwindigkeit, in der sie sich bewegt. Da gibt es ganz viel Neues, was jetzt entsteht. Aber das ist erst mal was, wie zuvor erwähnt, wo man verstehen muss: Warum ist das sinnvoll? Was bringt das den Leuten? Und wo man auch ein bisschen Überzeugungsarbeit selber leisten muss, um zum Beispiel nach Norwegen schauen muss und sagen muss: „Guck mal, da sind über 75 % der Verbraucher auf diesen Tarifen.“ Da ist es völlig klar, wenn ich ein E-Auto habe, dann lade ich das schlau und nicht irgendwie um 18 Uhr, wenn ich nach Hause komme.
Und das sind auch oftmals wirklich Geschichten, die wir erzählen, egal ob jetzt mit Organisationen aus der Energiewirtschaft oder auch auf so Messen und zu Verbrauchern kommunizieren. Wir leisten als einer der Ersten im Markt jetzt endlich einen Großteil dieser Aufklärungsarbeit und wir sind überzeugt, dass diese Tarife sich letztendlich verbreiten werden, weil sie eben große Vorteile bieten und weil sie auch systemisch gebraucht werden. Das ist wirklich ein wichtiger Punkt.
Sebastian
Bevor wir auf die systemischen Ansätze noch mal draufgehen, warum die gebraucht werden. Du hast jetzt schon mehrfach erwähnt, die Vorteile, die eben bei so einem Smart Charging-Tarif dann auch vorhanden sind. Ich finde, man kann nur etwas glänzen, wenn auch ein bisschen Schatten irgendwo ist. Gibt es dann auch Nachteile? Jetzt haben wir letztes Jahr beispielsweise gesehen, wie Gaspreise, Ölpreise nach oben geschossen sind, damit auch die Stromtarife dann schlussendlich, da hat es sich ja auch durchgeschlagen teilweise. Da bin ich ja dann auch bei einem Smart Charging-Tarif nicht immer nur davon betroffen, dass es günstiger wird im besten Fall, sondern im schlimmsten Fall kann es ja auch nach oben gehen. Wie sind da eure Erfahrungen jetzt im vergangenen Jahr vielleicht auch gewesen?
Johan Warburg
Absolut. Wir beeinflussen die Strompreise nicht, sondern wir reichen sie eins zu eins durch. Deswegen kann ich ganz transparent sagen, sie können in zwei Richtungen gehen. Sie können auch gleich bleiben, aber sicher nicht für immer. Und letztes Jahr haben wir gesehen, dass sie genau nach oben geschossen sind und auch bei uns natürlich das Preisniveau dann gestiegen ist, weil das sind Großhandelspreise, die sind sofort sichtbar.
Auf der anderen Seite muss man sagen, dass die Kundinnen und Kunden, die wirklich Kontrolle über den Stromverbrauch hatten, die etwa ihr E-Auto dann geladen haben, wenn der Strompreis günstig ist, oder vielleicht auch die Waschmaschine mal angeschmissen haben, dass die immer noch mit einem sehr kompetitiven Strompreis aus diesem Jahr hinausgegangen sind, weil es ja auch in Zeiten von Hochpreisphasen, wenn es mal allgemein teurer wird, immer noch im Laufe eines Tages Zeiten gibt, in denen das dann mal deutlich günstiger ist. Man kann sich das auf tibber.com für seine Postleitzahl jeden Tag anschauen. Das heißt, man kann es sicher auch erst mal ein paar Wochen beobachten und schauen, wie sich das entwickelt. Es gibt eigentlich jeden Tag Zeiten, zu denen der Strom günstig ist.
Da sind wir natürlich trotzdem um 18 Uhr kochen und leben und fernsehen. Das heißt, es gibt Bereiche des Lebens, die wird man nicht jetzt irgendwie nachts machen können, aber je mehr man von seinem Verbrauch in die Zeiten verlagern kann, die sowieso wie gesagt wind- oder sonnenreich sind und damit günstig sind, desto weniger problematisch sind immer Ausschläge nach oben.
Und man muss auch sagen – einen Punkt noch dazu –, wie du schon angemerkt hast, betrifft das nicht nur uns, sondern wenn es teurer wird, dann kommen ein paar Monate später die Preiserhöhungsschreiben der anderen Versorger reingeflattert. Und wir haben das gesehen letztes Jahr, da war das Preisniveau, wie gesagt, im Schnitt dann teilweise bei 0,50 € mal in einem Monat. Ende des Jahres kamen die Schocknachrichten der ganzen Stadtwerke und Versorger, dass die Preise erhöht werden, und seit Oktober letzten Jahres sind die Preise eigentlich noch im freien Fall. Das heißt, es ist immer eine bestimmte Trägheit des Systems. Jetzt beschweren sich andersherum alle: „Huch, die Großhandelspreise sind seit fast einem Jahr im freien Fall und viele Versorger haben eben immer noch sehr hohe Preise, die gar nicht mehr dem entsprechen, was in der Realität gerade stattfindet.“
Deswegen, es ist immer ein Auf und Ab, aber klar ist, man hat mit dynamischen Tarifen langfristig eigentlich nie einen Nachteil, besonders nicht, wenn man eben es schafft, seinen Verbrauch ein wenig nach dem Preis zu richten.
Sebastian
Wofür ihr ja auch schlussendlich die Transparenz schafft und diese Transparenz trägt ja auch dazu bei, dass eben systematisch und systemisch sich was verändert. Vielleicht führst du das auch noch mal für unsere Zuhörer:innen aus.
Johan Warburg
Sehr gerne. Da muss man ein wenig bei Adam und Eva anfangen. Wir kommen ja aus einer Welt, wo früher eben fossile Kraftwerke durchgelaufen sind, sei es Atom- oder Gaskraftwerke oder Kohlekraftwerke. Und jetzt gehen wir in eine Welt, wo wir letztendlich größtenteils oder hoffentlich ganz auf Sonnen- und Windstrom leben wollen, ein bisschen Biomasse, aber maßgeblich Sonne und Wind, und die sind eben manchmal da und manchmal abwesend. Das ist völlig klar.
Ja, sicherlich gibt es Möglichkeiten, dann diesen Strom auch zwischenzuspeichern, aber eigentlich sind sich alle einig, wir müssen auch unseren Verbrauch etwas mehr der Erzeugung anpassen und dynamische Tarife sind ein Puzzleteil dafür. Da gibt es ja noch dynamische Netzentgelte. Es gibt ganz viel, aber dynamische Tarife sind ein Stück, also ein Puzzle für diese Entwicklung in die Richtung. Und indem Kunden dann ihren Strom verbrauchen, wenn er eben günstiger ist, hat man einen wirklich aktiven Einfluss auch auf die CO₂-Intensität der Kilowattstunde. Ich habe ja vorhin mal von dem Mai gesprochen, mit dieser Smart Charging-Analyse.
Das Gleiche haben wir auch tatsächlich mit den CO₂-Daten abgeglichen von Agora Energiewende und da haben wir gesehen, dass 30 bis 50 % geringere CO₂-Intensität in den Stunden tatsächlich existiert, also man weniger CO₂ emittiert in den Smart Charging-Stunden. Das heißt, nur durch das Verschieben vom Verbrauch in niedrige Phasen kann man durchaus 50 % des CO₂s aus dem Stromverbrauch vermeiden und damit ja individuell einen großen Impact machen. Das ist die individuelle Ebene.
Und die systemische Ebene ist auch noch wichtig, dass man sagt: „Das ist nicht nur für dich selber eine gute Sache, sondern je mehr Menschen letztendlich in den Zeiten verbrauchen, wo du viel erneuerbaren Strom hast, desto mehr werden diese Spitzen geglättet, desto weniger braucht es an Netzausbau, weil es eben Menschen gibt, die um 18 Uhr alle das E-Auto laden wollen, und damit wird am Ende der Strom auch für alle wieder günstiger.“ Das kannst du dir ja vorstellen, wenn 15 Millionen E-Autos gleichzeitig laden wollen und es auch tun, dann hast du massive Netzausbaukosten und die werden auf alle Wege umgelegt. Das heißt, am Ende hilft es auch im Prinzip allen, dass die Stromkosten reduziert werden, wenn da Leute mitmachen.
Sebastian
Sehr spannend, was du uns da heute mitgeteilt hast. Ich glaube, wir haben ein bisschen Aufklärung betreiben können, tragen hoffentlich mit dazu bei, dass wir die Stromkosten bei unseren Zuhörer:innen dann senken, wenn sie auf euer Angebot von Tibber zurückgreifen. Vielen Dank für deine Einblicke, Johan.
Johan Warburg
Gerne. Vielen Dank.