Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen brächte einer neuen Studie des Umweltbundesamtes zufolge deutlich mehr CO2-Einsparung als bislang angenommen. Eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h wäre ein wichtiger Baustein, um die Klimaschutzziele im Verkehr einhalten zu können, erklärte der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner – „und zwar schnell und praktisch ohne Mehrkosten“. Verkehrsminister Volker Wissing ist trotzdem dagegen. Doch dazu später mehr.
Die fast 400 Seiten lange Studie „Flüssiger Verkehr für Klimaschutz und Luftreinhaltung“ (verlinkt als PDF) untersucht mehrere Maßnahmen, wie die Mobilitäts-bedingten Treibhausgasemissionen gesenkt werden können. Ein Tempolimit von 120 km/h auf Bundesautobahnen und autobahnähnlich ausgebauten Straßen würde pro Jahr Emissionen in Höhe von 6,7 Millionen Tonnen CO2 einsparen, so Messner über die Studie.
Bislang war die Behörde aufgrund von Daten einer früheren Studie von nur 2,6 Millionen Tonnen CO2 ausgegangen, die durch ein Tempolimit vermieden werden könnten. Die nun deutlich höheren CO2-Einsparungen kämen daher, dass der Verbrauch der Fahrzeuge genauer bestimmt und auch eine veränderte Routenwahl und Verkehrsnachfrage berücksichtigt worden sei, so das Umweltbundesamt. Denn ein Tempolimit auf Autobahnen würde der Studie zufolge unter anderem auch dazu führen, dass Landstraßen an Attraktivität gewinnen und weniger Umwege ergo auch kürzere Strecken gefahren werden. Weil direkte Wege aufgrund des Tempolimits auf Autobahnen dann zeitlich kein Nachteil mehr wären, würden Autobahnen um 1,1 Prozent weniger befahren werden. Andere Prognosen hatten zudem ergeben, dass sich durch ein Tempolimit auch die Zahl der Verkehrstoten sowie die Lärmbelastung reduzieren würde.
Tempo 80 auf Landstraßen ebenfalls mit positiven Auswirkungen aufs Klima
Weitere 1,4 Millionen Tonnen CO2 könnten eingespart werden, wenn auf Landstraßen statt 100 km/h nur noch 80 km/h schnell gefahren werden darf. Mit beiden Tempolimits zusammen könnten gut 8,1 Tonnen CO2 pro Jahr vermieden werden. Tempo 30 in Innenstädten hingegen hätte keinen positiven Klimaaeffekt, so die Studie, da die spezifischen Emissionsfaktoren für Pkw bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h höher seien als bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.
Würde ab Januar 2024 Tempo 120 auf Bundesautobahnen und Tempo 80 auf Außerortsstraßen eingeführt, könnten bis 2030 in Summe gut 47 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden, so Messner. Damit könnte die Klimaschutzlücke im Verkehrssektor um rund ein Sechstel geschlossen werden. Gerade im Verkehrsbereich bisher eine enorme Lücke zwischen den tatsächlichen Werten und den angestrebten Klimazielen der Bundesregierung. Im vergangenen Jahr verfehlte der Verkehrssektor sein Ziel ersten Schätzungen zufolge um 11 Millionen Tonnen CO2. Im Jahr 2021 lag die Überschreitung bei 3,1 Millionen Tonnen.
Ein Tempolimit auf Autobahnen, in fast allen europäischen Ländern bereits Realität, würden Umfragen zufolge fast zwei Drittel der Deutschen begrüßen. In der Regierungskoalition allerdings ist ein Tempolimit weiterhin umstritten. SPD und Grüne wollten es eigentlich im Koalitionsvertrag verankern. Die FDP sperrte sich vehement dagegen, in dem Papier ist es somit auch nicht enthalten. Generell verschärft sich die Kritik an dem vom FDP-geführten Verkehrsministerium unter Volker Wissing. Ein im vergangenen Jahr vorgelegtes Sofortprogramm verfehlt laut der Deutschen Umwelthilfe die gesetzlich festgelegten Vorgaben für CO2-Einsparungen um das 20-fache.
BUND verklagt Bundesregierung wegen CO2-Verfehlungen
Erst vor wenigen Tagen erteilte Verkehrsminister Wissing einem Tempolimit eine erneute Absage: „Die Lösung kann nicht sein, dass wir den Straßenverkehr in Deutschland einschränken“, sagte er der Bild am Sonntag und fügte hinzu: „Wir müssen klimaneutralen Verkehr auf der Straße ermöglichen, mit mehr E-Autos und CO2-neutralen Kraftstoffen, auch im Güterverkehr.“ Um ähnliche CO2-Einsparungen zu erreichen, wie durch ein Tempolimit, müssten allerdings drei Millionen Elektroautos mehr auf den Straßen unterwegs sein als aktuell, so das Umweltbundesamt hierzu. Momentan sind nur gut eine Million Stromer zugelassen.
Kurz nach Wissings Aussagen teilte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mit, die Bundesregierung aufgrund der CO2-Verfehlungen im Verkehrssektor zu verklagen. Auch mit den mangelhaften Einsparungen im Gebäudesektor soll sich nun die Justiz auseinandersetzen. Der BUND verlangt in seiner Klage den Beschluss von weiteren Sofortprogrammen gemäß der gesetzlichen Bestimmungen. „Es braucht jetzt die politische Entscheidung, wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz zu schaffen. Wenn die Regierung von Olaf Scholz dazu politisch nicht fähig oder willens ist, muss sie gerichtlich dazu verpflichtet werden“, so BUND-Vorsitzender Olaf Bandt.
Wir haben uns im Übrigen die Studie des Umweltbundesamtes etwas genauer angeschaut. Und dort eine interessante Berechnung entdeckt, wonach sich die Einführung einer Maut auf Autobahnen sogar noch positiver auf die CO2-Emissionen auswirken würde als ein Tempolimit. Demnach würde sich der Verkehr bei einer Maut von 6 Cent pro Kilometer so stark verringern, dass beinahe 12 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden könnten. Der Verkehrssektor würde mit dieser Maßnahme allein sein Klimaziel schon erreichen.
Quelle: Spiegel – Tempolimit würde Klima deutlich stärker schützen als bisher angenommen / Golem – Tempolimit bringt mehr CO2-Ersparnis als gedacht
Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!
Ja, es wäre eine günstige Maßnahme, die aber hart ist. Dann lieber teurere Maßnahmen ergreifen und notfalls die Steuern erhöhen.
Ansonsten finde ich es lächerlich, dass bei der Tempolimit Diskussion direkt Extreme genommen werden. Es wird 120/130 km/h gefordert. Was wäre mit einem Kompromiss? 160/180 km/h würde auf eine größere Zustimmung treffen.
Des Weiteren wollen wir doch den Umstieg auf Elektroautos. Dementsprechend könnte man im Notfall immer noch sagen allgemeines Tempolimit für Verbrenner und freie Fahrt für Elektroautos. Das würde auch nochmal deutlich die Nachfrage ankurbeln.
Die grundsätzliche Problematik besteht darin, dass das Thema Tempolimit in Deutschland, ähnlich wie der Waffenbesitz in Amerika, eine emotionale Ebene besitzt. „Freie Fahrt für freie Bürger“ bedeutet, dass ein Tempolimit direkt mit Verlust von Freiheit assoziiert wird.
Damit sind sämtliche rationalen Argumente außen vor und wir drehen uns im Kreis…
Wo kann man denn überhaupt noch mehr als 130 fahren? Baustellen und Staus lassen dies ja kaum zu. Auch ein Punkt, das Klima zu entlasten, den Verkehr eben flüssiger zu machen. Ein Auto was im Stau steht und Energie verschwendet, egal welcher Antrieb, ist total kontraproduktiv und belastet unnütz die Umwelt und kostet Nerven und Zeit. wir brauchen eine offene Debatte über alle sofort klimaneutralen Möglichkeiten um die Umwelt zu schützen. Darunter fallen nicht nur die E Mobilität, die zwar emissionsfrei aber nicht unbedingt klimaneutral fährt, sondern alle klimaneutralen Möglichkeiten, auch mit CO2 Ausstoß durch Kreislaufwirtschaft berücksichtigen und zulassen. Es muss natürlich alles dafür gemacht werden, um alle Antriebstränge und Wege schnellstmöglich klimaneutral zu bekommen. Und dazu gehören eben E Fuels, Biomethan aus Rest und Abfallstoffen, Gülle, Pferdemist u.s.w , sowie wirklich klimaneutraler Strom. Wenn ich sehe, wie grade diesen Winter zur Stromerzeugung Kohlekraftwerke als Alternative wegen der fossilen Erdgasknappheit abgelöst hat, kommen mir die Tränen. Da entscheidet man nur zwischen Pest und Cholera! Gleiches gilt für die Wasserstoffgewinnung, grade einen Bericht gelesen, das Frankreich für die Stromgewinnung 14 neue Atomkraftwerke bauen möchte. Ist das die klimaneutrale Stromerzeugung, die wir haben wollen? Die EU sagt ja, ich sage nein. Gleiches gilt für fossiles Erdgas, was die EU ein grünes Label aufgedrückt hat. Aber im Gegenzug erneuerbares Biogas/ Biomethan ausbremst.
Ignorieren wir mal, dass ich als Maschinenbauprofessor sofort eine Vielzahl von Maßnahmen nennen kann die sofort umsetzbar sind und mehr Energieeinsparung bringen als ein Tempolimit. Die Annahmen in der Studie halte ich vorsichtig formuliert für optimistisch… Ein typisches Gefälligkeitsgutachten bei dem herauskommt was der Auftraggeber für sein Geld gerne hören möchte…
Wenn die gleichen Leute, die sagen das Tempolimit beträfe sowieso nur kleiner 2% Raser, gleichzeitig behaupten wenn man die ein bisschen einbremst könnte man 5 oder 6 Prozent Energie einsparen, dann ist das so glaubwürdig wie dass ein Elektroauto keine Emissionen hat… Nicht mal Kindergartenniveau, ich kann schon durchschnittlich begabten 5 Jährigen plausibel machen, dass das Blödsinn ist. Was nicht heißen soll, dass es möglich ist es unseren MINT tiefbegabten Spitzenpolitikern oder Journalisten klar zu machen… Nur noch Symbolpolitik und Phrasenklopperei in dem ehemaligen Land der Dichter und Denker. Hoffe meine Kinder wandern nach ihrem Studium aus!!!
Sollte das alles wirklich stimmen, dann müssten wir in der Schweiz ja ein viel besseres Klima und bessere Luft haben, als in Deutschland – oder nicht? ist das bewiesen, dass das so ist?
Ahaaa… ich habe doch schon immer gewusst, dass alle schwarzen Wolken immer von Norden her kommen. ;))
Ich sehe nur eine Chance für den Klimaschutz, wenn die FDP in keiner Regierung mehr drin ist.
Dann dürften Tempolimit 120 auf Autobahnen und Tempo 30 innerorts kommen sowie sich die Zahl der Auto mehr als halbieren, da es in den grünen, menschen- und fahrradfreundlichen Innenstädten ganz einfach keinen Platz mehr für die vielen Auto gibt und der ÖPNV gut ausgebaut und günstig ist.
Auf dem Weg dahin werden wohl noch sehr viele große Klimakatastrophen kommen müssen, die so teuer sind, dass sie Bürger und Wirtschaft überfordern, die dann gezwungen sind sich von ihrem eigenen Egoismus zu verabschieden, um eine lebenswerte Umwelt und ein bezahlbares Leben zu erhalten.
Klar. Einer wundersamen neuen Studie nach ist diese aktionistische, kaum klimawirksame Maßnahme plötzlich über doppelt so wirksam wie zuvor. Fragt sich keiner, wie die Werte der vorherigen Studie(n) dann so falsch sein konnten? Wo kommen die neuen Werte gerade jetzt her, wo die Schleicherfraktion sie so dringend braucht? Und ist die jetzt richtig?
Ich halte mich für einen „bodenständigen“ Bürger und habe für „Aluhutträger“ nichts übrig. Aber trotzdem (oder gerade deswegen?) komme ich nicht umhin, zu bemerken, wie suspekt die Entwicklung in dieser Frage ist. Vom Auftauchen dieser „neuen Studie“, über die unbelegte Behauptung, eine Mehrheit wolle ein Limit, bis zum gebetsmühlenartigen Wiederkäuen der Forderung nach dem Limit durch bestimmte Teile der Medien.
Wobei ich eine solche Berichterstattung in einer Community wie dieser hier, deren Mobilitätsvorstellung Schleicherei zwangsläufig umarmen muss, noch am meisten verstehe.
Zur Zeit bin ich der FDP, obwohl ich sie nicht gewählt habe, echt dankbar, dass sie gegen diesen Quatsch hält.
Langfristig schlage ich folgendes vor: Eine Volksabstimmung, ein Referendum. Ein echtes, nicht wie beim Aushilfszaren in Russland.
Deutschland stimmt ab über ein Tempolimit. Der Wille der einfachen Mehrheit wird umgesetzt, und die andere Seite verpflichtet sich, für immer die Klappe zu halten und nicht weiter rumzunölen. Abstimmungsberechtigt sind alle Führerscheininhaber.
Und nun: happy downvoting, ihr Ladesäulensucher :-)
„Freiheit“ wie die Gegner des Tempolimits argumentieren wird mit Egoismus verwechselt. Aber Freiheit fordert ein hohes Maß an Verantwortung und Rücksichtnahme und heißt ganz sicher nicht, ich darf machen, was mir gefällt, denn die Freiheit der Schnellfahrer wird die Freiheit der künftigen Generationen stark einschränken, die mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen haben. Wer heute 120 auf der Autobahn fährt kommt sicher ans Ziel, wie sehr die Lebensqualität der Kinder von heute leiden wird, wenn wir nicht jetzt anfangen auf manche liebgewonnene „Freiheit“ freiwillig zu Gunsten einer lebenswerten Zukunft, der Kinder von heute zu verzichten, kann in jeder seriösen Klimastudie nachgelesen werden.
Es ist wirklich schändlich, dass Sie diese Studie weder kritisch hinterfragen, noch auch nur ansatzweise kritisieren.
Die Studie sei sowohl von den Grünen beauftragt worden sein und alle genannten Akteure haben das Grüne Parteibuch.
Zudem wird angenommen, dass mit der Maßnahme Leute vom Auto auf die Bahn umsteigen und so der Ausstoß reduziert werden soll.
Im Grunde spiegelt diese „Grünen-Studie“ wider, worum des dieser Partei geht. Die individuelle Mobilität so unattraktiv und teuer wie möglich zu machen und Leute so ganz deren Ansinnen nach umzuerziehen.
Und was die Medien angeht: Kritische Haltungen wäre in alle Richtungen angebracht und zudem wäre eine gewisse mediale Neutralität endlich an der Zeit. Die Liebe den Grünen gegenüber ist kaum mehr zu ertragen