Solarfolie könnte E-Autos Tausende Zusatzkilometer bringen

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Mercedes-Benz

Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 4 min

Als Audi seine Luxuslimousine A8 Mitte der 1990er Jahre auf Wunsch mit einem elektrischen Schiebedach ausstattete, das die Klimaanlage auch im Stand mit Sonnenenergie versorgen konnte, schien das wie der Sprung in eine verheißungsvolle Autozukunft. Zumindest im Sommer kein Einsteigen mehr in den glühend heißen Innenraum, sondern ein leicht gekühltes Interieur, um direkt und ohne Schweißausbruch durchstarten zu können.

Immer wieder gab es in den vergangenen Jahrzehnten weitere Versuche, die kostenfreie Sonnenenergie möglichst effizient im Auto nutzen zu können. Seitdem Elektroautos eine immer größere Bedeutung zukommt und Autoentwickler um jede Kilowattstunde kämpfen, die nicht verbraucht oder bestenfalls rückgewonnen werden kann, ist die Solarenergie mehr denn je in den Fokus gerutscht.

Der mittlerweile einstellte Fisker Ocean hat ein spezielles Solardach, das Zulieferer Webasto aufwendig entwickelt hatte. Bei entsprechender Sonneneinstrahlung kann das schmuck anzuschauende Dachkonstrukt des Elektro-SUV, mit Magna-Hilfe entwickelt, im Alltagsbetrieb zahllose Sonnenstrahlen einsammeln, die für zusätzliche 2500 Kilometer pro Jahr reichen sollten. Doch der Fisker-Traum platzte, Entwicklungspartner Magna und Techniklieferant Webasto schauten ebenso in die Röhre wie die Kunden.

Doch zumindest bei Webasto glaubt man weiter an die Sonnenenergie. Der Lieferant stellte jüngst mit dem Eco Peak einen Erprobungsträger vor, dessen Polycarbonat-Scheibe nicht nur die Dachfläche des Fahrzeugs abdeckte, sondern ähnlich wie beim Technologieträger des elektrischen Mercedes EQXX auch die Heckscheibe umfasste. Die entsprechend vergrößerte Fläche wurde mit Solarzellen bestückt, die das Fahrzeug mit bis zu 350 kWh Strom pro Jahr versorgen, was beim besonders effizienten EQXX für mehr als 4000 Kilometer reicht.

Es geht gar nicht immer nur um den reinen Nutzen. Ein modernes, attraktiv gestaltetes Solardach ist ein Statement für Nachhaltigkeit und das Umweltbewusstsein des Fahrzeugkäufers“, erläutert Jan-Henning Mehlfeldt, bei Webasto für das Dachgeschäft verantwortlich. Da es mit den Nachfragen der Autohersteller in Sachen Solardächer aktuell jedoch hapert, stehen bei dem Dachspezialisten aus der Nähe von München aktuell Lichtinszenierungen, schaltbare Verschattungen und Sensoren für Fahrerassistenzsysteme, die am Autodach verbaut sind, im Vordergrund der Entwicklungen.

Mercedes will die Sonnenenergie mittelfristig jedoch nicht ungenutzt verpuffen lassen und hat eine Solarlackierung für seine Autos entwickelt, die in einigen Jahren Strom für mehrere Tausend Kilometer erzeugen könnte. Möglich macht das eine extrem dünne Folie, die auf den Fahrzeuglack aufgebracht wird. Mit einer Dicke von fünf Mikrometern ist sie dünner als ein menschliches Haar und wiegt gerade einmal 50 Gramm pro Quadratmeter Fahrzeugfläche.

Mercedes-Benz Innovations Solarlack
Press-Inform / Mercedes

Von enormem Vorteil ist: Die Folie ist nicht nur leicht, sondern kann flexibel auf alle Karosseriemodule aufgebracht werden, ohne das Design des Fahrzeugs zu verändern, da sich die Photovoltaik-Fläche auf nahezu jeden Untergrund auftragen lässt. Die dünnen Solarzellen haben dabei in der Vorausentwicklung einen Wirkungsgrad von immerhin 20 Prozent. Ein Mittelklasse-Crossover mit einer Lackfläche von elf Quadratmetern könnte unter entsprechender Sonneneinstrahlung kostenlose Energie für bis zu 12.000 Kilometer im Jahr produzieren.

Viel Reichweite, ohne an die Ladesäule zu müssen

Die durch die Sonnenzellen erzeugte Energie wird entweder direkt zum Fahren genutzt oder zur späteren Verwendung in die Hochvoltbatterie eingespeist. Praktisch: Das Photovoltaiksystem ist dauerhaft aktiv und erzeugt daher auch Energie, wenn das Auto parkt und ausgeschaltet ist. Das würde jederzeit kostenlose Energie bedeuten, solange das E-Auto draußen steht, und somit Zusatzkilometer, ohne an die Ladesäule zu müssen.

Wieviel Energie das Solarsystem erzeugt, hängt von der Sonneneinstrahlung, dem Einfallswinkel, den Sonnenstunden und etwaigen Beschattungen ab. Die Mercedes-Entwickler haben gerechnet: Statistisch legen Mercedes-Fahrer in Stuttgart im Durchschnitt 52 Kilometer am Tag zurück. Rund 62 Prozent dieser Fahrleistung ließen sich durch Sonnenenergie abdecken. In Los Angeles ergäbe sich dagegen sogar ein Überschuss an Energie durch die Sonneneinstrahlung und der Autofahrer könnte seine komplette tägliche Fahrstrecke durch Solarenergie abdecken.

Der erzielte Überschuss könnte über bidirektionales Laden zudem ins Stromnetz eingespeist werden. Dabei ist der Entwicklung befindliche Solarlack frei von Seltenen Erden, enthält keinerlei Silizium und kann aus leicht verfügbaren Rohstoffen produziert und problemlos auch wieder recycelt werden. Denn unter dem Strich geht es nicht allein um Nachhaltigkeit, sondern auch um die Kosten. Und die Herstellung der Folien ist günstiger als konventionelle Solarmodule.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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pionierska:

Lithium in der PV macht keinen Sinn. Ich hatte die Angabe so verstanden, dass es keine Si-basierenden Zellen sind, die noch dominierende Chemie von stationären Solarzellen.
Ausserdem soll der Solarlack keine toxischen Inhaltsstoffe enthalten (also kein Perovskit) sowie aus einer dünnen Schicht bestehen, die kostengünstig herstellbar sei.
In einer weiteren Pressemitteilung wurde erwähnt, dass der Solarlack unter einer schützenden, transparenten Lackschicht aufgetragen wird.
Das spricht für mich nach einer organischen Solarzelle basierend auf einer interpenetrierenden Struktur aus Donor- und Akzeptorphase.
Darüber wird dann eine transparente, leitfähige Lackschicht als Gegenelektrode zum ebenfalls leitfähigen Untergrund (wohl schwarz, Kohlenstoffbasiert) appliziert.

Eine schnelle Suche nach näheren Informationen über Patentanmeldungen verlief leider ergebnislos.

pionierska:

Lithium in der PV macht keinen Sinn. Ich hatte die Angabe so verstanden, dass es keine Si-basierenden Zellen sind, die noch dominierende Chemie von stationären Solarzellen.
Ausserdem soll der Solarlack keine toxischen Inhaltsstoffe enthalten (also kein Perovskit) sowie aus einer dünnen Schicht bestehen, die kostengünstig herstellbar sei.
In einer weiteren Pressemitteilung wurde erwähnt, dass der Solarlack unter einer schützenden, transparenten Lackschicht aufgetragen wird.
Das spricht für mich nach einer organischen Solarzelle basierend auf einer interpenetrierenden Struktur aus Donor- und Akzeptorphase.
Darüber wird dann eine transparente, leitfähige Lackschicht als Gegenelektrode zum ebenfalls leitfähigen Untergrund (wohl schwarz, Kohlenstoffbasiert) appliziert.

Eine schnelle Suche nach näheren Informationen über Patentanmeldungen verlief leider ergebnislos.

Daniel W.:

—–
Ein Mittelklasse-Crossover mit einer Lackfläche von elf Quadratmetern könnte unter entsprechender Sonneneinstrahlung kostenlose Energie für bis zu 12.000 Kilometer im Jahr produzieren.
—–

Ich nehme mal an, dass hier die Sonneneinstrahlung im Tages- und Jahresverlauf berücksichtigt wurde. Nehmen wir zudem an, dass es in Deutschland etwas weniger ist und durch teilweise Gebäudeverschattung während des Tages nur die Hälfte an Stromertrag wäre, dann dürften es etwa 6.000 km im Jahr sein.

6.000 km und 18 kWh auf 100 km wären (60 x 18) 1.080 kWh. Bei Ladestromkosten von 39 bzw 69 Cent/kWh wären es 421,20 bzw. 745,20 Euro pro Jahr.

Wenn die Autohersteller keine „Mondpreise“ dafür verlangen, dann sollte sich das in 1 bis 2 Jahren amortisiert haben, außer für (Tief-) Garagenparker.

Interessanter wird das für Fahrzeuge mit geringem Gewicht und Verbrauch, aber relativ großen Flächen, z.B. E-Lastenräder mit Kastenaufbau.

Noch interessant wird es, wenn es die Fahrzeughersteller millionenfach als Standardausrüstung anbieten und nicht nur als teures Extra.

Evtl. lässt sich der PV-Lack auch für Dach- und Wandverkleidung von Gebäuden aller Art verwenden, wenn der Preis stimmt.

Ob die deutschen Hersteller das können? – vermutlich wird China mit günstigen Produkten den Markt beliefern.

Wolfbrecht Gösebert:

„… wer will schon ein Auto[,] das außen wie ein Solarmodul aussieht?“

Ich würde ja eins kaufen – der Sion hatte in den weit entwickelten Vorserientypen – die ich selbst schon gefahren bin – eine fast einheitliche schwarz-graue Farbgebung durch Kunststoff-integrierte Solarzellen. Der Aptera und das Squad Solar City sind wohl noch »im Rennen« … und deren Solarmodul-ähnliche Optik ist – wie immer – Geschmackssache :)

Übrigens: Ausführlicher beschrieben ist das Mercedes-Konzept hier: c&p–> jesmb.de/24524/

Wolfbrecht Gösebert:

Zitat Jürgen W:
„Müsste es nicht heißen, “der Lack enthält keinerlei Lithium”??? Silizium ist ja wohl kein Problem und in großen Mengen vorhanden?“

Was auch immer der Autor mit dem betreffenden Satz ausdrücken wollte :) Silizium ist ein sog. „Halbmetall“ und ein sog. „Halbleiter“. Dabei handelt es sich nach Sauerstoff um das zweit-häufigste chemische Element auf der Erde – ein genereller Rohstoffmangel ist da ja eher nicht zu erwarten.

Richtig ist jedenfalls, dass auch div. andere Materialien (u.a. auch Kupferverbindungen) eine photoelektrische Nutzung ermöglichen … oder auch Selen: Wer kennt sie z.B. noch, die guten, alten Selen-Belichtungsmesser früher Fotokameras ?-)

Läubli:

„Ein Mittelklasse-Crossover mit einer Lackfläche von elf Quadratmetern könnte unter entsprechender Sonneneinstrahlung kostenlose Energie für bis zu 12.000 Kilometer im Jahr produzieren.“

GENAU – Die Sonne kann ja sicher gleichzeitig rund um das Auto mit optimalem Winkel (und wir fahren ja alle nur in der Sahara Auto) diese hässlichen PV-Lackaufklebefolie bescheinen, sowie sind unsere Tage ja das GANZE Jahr immer optimal. So ein Mist habe ich noch selten gelesen – meilenweit von der Realität entfernt. DAS ist millionenmalig schlimmer als jede noch so unrealistische Aussage von Elon Musk, der ist vom Umsetzen her real, wenn auch zeitlich nicht oft, aber DAS hier ist alles andere als auf irgend eine Art denkbar sinnvoll. Das sollte man ja inzwischen wissen. Ich weiß beim besten Willen nicht, für welche leichtgläubigen Menschen sowas geschrieben und überhaupt beworben wird!?

Läubli:

und sogleich allen Solarstrom wieder wegsaugt… es bringt so wenig, dass es eben wirklich nichts bringt. Von den Kosten schon gar nicht zu sprechen und wer will schon ein Auto das außen wie ein Solarmodul aussieht??

Gerd:

Der relevante Punkt ist doch hiermit klargestellt: „„Es geht gar nicht immer nur um den reinen Nutzen. Ein modernes, attraktiv gestaltetes Solardach ist ein Statement für Nachhaltigkeit und das Umweltbewusstsein des Fahrzeugkäufers“. Genau mein Humor – einen 5m-3t-Mercedes für die Fahrt zum Kindergarten, aber mit Solardach.
Egal, ob Solardach oder Solarlack – die Erträge sind grenzwertig optimistisch schöngerechnet und rechnen sich real niemals.
Und wenn schon „Solardach“, dann einfach und billig aufs Hausdach, Carport, Balkon oder in den Garten.

Was für ein Marketing-bullshit!

Ulrich:

Ja, so einen hatte ich auch. Egal, denn die Solarkonstante beträgt nach wie vor um die 1367 W pro qm unter allerbesten Bedingungen (Sonne senkrecht, clear sky …) und hier in Deutschland beträgt sie um 1000 W / qm (zur Mittagszeit). Mehr geht hier nicht, also sind durch diese die Rahmenbedingungen die solaren Erträge deutlich besser abschätzbar als die Annahmen von vor 40 Jahren.

Oben wurden 30% Wirkungsgrad genannt, selbst wenn der Gesamtwirkungsgrad (PV und WR) auf 60% steigen würde, reicht das schlussendlich für ein BEV wofür?

Josef:

Das machst du dann aber nicht mehr…da die Solaranlage die Klima im Auto laufen lassen kann…wenn man es so einstellt.

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