Es gibt auch Verbrenner, die diese Marke schaffen. Rennwagen sind darunter, Tuning-Cars oder Dragster. Schon ab Werk indes stromert der Porsche Taycan Turbo S in 2,8 Sekunden auf Tempo 100, in 9,8 gar auf 200. Und das bei 2,4 Tonnen Gewicht. Man muss sich das vorstellen, als sitze man in einem Katapult und hinten kappt jemand das Halteseil. Einen Hauch schneller beschleunigt nur mehr der brandneue 911 Turbo S.
Aber sie wollten in Zuffenhausen auch kein E-Auto bauen, auf dem Porsche steht, sondern einen Porsche mit Elektroantrieb. Die Seele der Marke in ein neues Zeitalter bringen, sagt Baureihenleiter Dr. Stefan Weckbach. Das verpflichtet: Zu einer Nordschleifen-Zeit von 7:42 Minuten – und zu 450 Kilometern Reichweite. Getrennt voneinander, versteht sich.
Porsche Taycan: Begründer eines neuen Fahrzeugsegments
Offiziell rangiert der Taycan im C-Segment der sehr sportlichen Limousinen. Auch, weil es ein Segment extremer Elektroautos noch nicht gibt. Stark überwölbte Kotflügel, weit nach unten gezogene Fronthaube, durchströmte Karosserie für verbesserte Aerodynamik und mehr Radius. „Schmaler Kopf auf breiten Schultern“ nennen sie das bei Porsche. Drinnen: Ein horizontal betontes Cockpit mit Anklängen an den ersten 911er. Mittig indes der Tacho. Umringt im Wortsinn von einem „Powermeter“. Den über Jahrzehnte kulthaft zentrierten Drehzahlmesser braucht es ja nicht mehr.
Anders als jeder Porsche vor ihm zieht der Taycan Turbo S alle Kraft aus einem Akku-Pack im Boden. 625 PS im Normalfall, stolze 760 im Overboost. Macht bis zu 1050 Nm Drehmoment und Tempo 260. Werte, die nur theoretisch beschreiben können, was sich tatsächlich tut, wenn man rechts unten auf dieses Pedal tritt, das ja keines des Gases mehr ist. Wer bislang glaubte, elektrisch zu fahren mache keinen Spaß, sollte umdenken.
Taycan: Porsche mit dem niedrigsten Schwerpunkt
Exakt 396 Zellen liegen dicht gepackt in 33 Modulen tief im komplett verkleideten Unterboden des Taycan. Was ihn zum Modell mit dem niedrigsten Schwerpunkt aller Porsche macht. Und zum ersten Serienauto mit 800-Volt-Technik. Das ist aufwändig, dafür sind die Kabel dünner, besser zu verlegen und bis zu 30 Kilo leichter.
Neu für die Stuttgarter: Batterien reagieren deutlich sensibler auf Temperaturen als die gute alte Verbrenner-Technik. Thermo-Management heißt darum das Zauberwort. Drei Kreisläufe umspülen die Akkus: Für Heizung, Kühlung, Dauerbetrieb. Intelligent verbunden durch ein schier undurchschaubares Gewirr aus Schläuchen, Abzweigen und Ventilen – intern nicht ohne Grund „Schlangennest“ genannt.
Zwei Pulswechselrichter machen aus Gleichstrom Wechselspannung. Verarbeitet wird die gespeicherte Wucht in zwei E-Motoren mit maximal 16 000 Umdrehungen. 190 Kilowatt bringt der vordere, 335 der an der Hinterachse. Und dieser verfügt obendrein über ein Zwei-Gang-Getriebe mit geregelter Quersperre. Ersonnen und gebaut in Zuffenhausen. Kurzer erster Gang für maximale Beschleunigung, langer zweiter für Höchsttempo und bestmögliche Effizienz.
Und weil ihnen im Zeichen des Rössle das, was sie Performance nennen, über alles geht, haben sie sich für permanenterregte Synchronmaschinen entschieden, in denen teure Magneten verbaut sind. Natürlich hätte es preiswerte Varianten gegeben – bei denen Strom das Feld erzeugt, die größer bauen und heißer werden. Aber das wäre halt gekleckert gewesen…
Und selbst die teuren Motoren sind keine normalen. Statt rundem Draht verwenden sie bei Porsche rechteckige Kupferstäbe in Haarnadel-Wicklung. Weil man so deutlich mehr Metall auf gleichem Raum unterbringt. Für höheres Drehmoment, bessere Kühlung, einfachere Isolation. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die den großen Unterschied machen. Und selbstverständlich darf man fragen, ob ein solches Auto tatsächlich die Idee von Nachhaltigkeit des E-Antriebs verkörpert – mindestens aber lässt sich erfahren, was geht.
In einem Wimpernschlag von 0 auf 100
In den Sitzen vom Typ Abrahams Schoß eröffnet sich der Kommandostand für eine Reise ins Niemandsland der Fahrphysik. Dort nämlich glaubt man sich, wenn der Taycan Turbo S zeigen darf, was er kann. Weniger als einen Wimpernschlag braucht die Elektronik, um Allradantrieb, Sperre und Luftfederung auf das Optimum zu bringen. Und so lassen sich 2,4 Tonnen bewegen, als seien Masse und Geschwindigkeit aus der Formel für Radialkraft irgendwie herausgekürzt.
Über den Rest muss man nicht reden. Allenfalls kann man schwärmen. Fahrwerk und Allrad-Lenkung sind Maß der Dinge. In Echtzeit vernetzt mit Sensoren allüberall. Auf Wunsch stemmt sich der Taycan bei schneller Bogenfahrt über Stellmotoren zwischen den Stabis der Seitenneigung einfach entgegen. Rechnergesteuert und im Bruchteil einer Sekunde. Und eher lässt der Grip an den Reifen nach, als dass das Chassis nennenswert aus dem Lot gerät.
Irgendwann aber ist der schönste Spaß vorbei und selbst der beste Akku leer. Und da versprechen sie bei Porsche fünf Minuten Ladezeit für 100 Kilometer. Anfangs fließt der Strom mit 270 kW Leistung, ab etwa halbvoller Batterie sinkt er auf 120 kW. Von fünf auf 80 Prozent Kapazität vergehen 22,5 Minuten. Damit das genau so klappt, versetzt der Taycan auf Wunsch die Zellen in eine Art „Wohlfühlbereich“ um die 30 Grad. Muss dazu gewärmt werden, kostet das zwar zusätzlich Saft, verspricht aber kürzere und bessere Zyklen.
Die meiste Energie indes holt der Taycan aus der Rekuperation. Bis zu 265 Kilowatt kann er einspeisen. Gut 90 Prozent aller Bremsvorgänge werden wieder in Strom umgewandelt, nur für den Rest braucht es die übliche Hydraulik. Fahrwerks-Leiter Ingo Albers formuliert es anders: „Wir lassen kein Watt liegen.“ Das darf man bei einem Preis von 185.456 Euro allerdings auch erwarten.
Wozu derartige Kompromisslosigkeit führt? Erstmals in der Geschichte von Porsche gibt es ein Wartungsintervall von sechs Jahren für die Bremse. Die Beläge könnten sonst zu alt werden…