Michael Steiner, Entwicklungsvorstand des Sportwagen-Herstellers Porsche AG, sprach in einem vom Hersteller selbst veröffentlichten Interview ausführlich über das Fahren begehrenswerter Autos, kommende Fahrzeug-Generationen und welche Erkenntnisse der Hersteller aus seinem Engagement in der Formel E gewinnt.
In der Liste der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft steht für Steiner „an allererster Stelle, begehrenswerte Autos zu erschaffen, die Menschen gerne fahren und besitzen wollen“, hier will Porsche seinem Motto also treu bleiben. Was sich aber massiv ändere sei „die Technik mit dem dominierenden Entwicklungsthema Elektromobilität“. Darunter verstehe Porsche „nicht nur lokal emissionsfreies Fahren“, sondern habe „auch regenerativen Strom und nachhaltige Prinzipien in der Herstellkette“ im Blick.
Entscheidend sei außerdem das Thema Konnektivität, also „die Auslagerung vieler Funktionen aus dem Fahrzeug über eine permanente Mobilfunkverbindung zu Hochleistungsrechnern im Backend“. Autos werden „zunehmend ein intelligenter Knoten im Internet“, so Steiner, wobei der Fahrer stets im Fokus stehen müsse, etwa an der Schnittstelle zwischen Fahrer und Fahrzeug: „Head-up-Display, Sprachbedienung, Touchscreens – er muss mit der gesamten Bedienbarkeit genauso verschmelzen wie mit der performanten Fahrdynamik.“
Auch für die Fahrsicherheit sei Konnektivität immer wichtiger: Zwar beobachten Autos schon heute ihr Umfeld intelligent und geben Hinweise über Assistenzsysteme, etwa zum Spurhalten und Spurwechsel oder als Müdigkeitswarnung. „Aber all die Systeme – ob Radar, Kamera oder Sensor – sind auf Sichtkontakt angewiesen. Ähnlich wie das menschliche Auge“, erklärt Steiner: „Ein Radar sieht besser durch den Regen, aber nicht, was in der nächsten Querstraße los ist“. Hier könne die Konnektivität Sicherheitslücken schließen: „In der Schwarmintelligenz warnt ein Auto das andere und kommuniziert mit intelligenten Verkehrszeichen.“ Das 5G-Netz werde hierbei „einen ganz großen Fortschritt bringen“.
„Ein Kraftakt für die gesamte Industrie“
Der Wandel der Mobilität sei „ein Kraftakt für die gesamte Industrie“. Für Porsche sehe Steiner den Wandel jedoch auch „als Chance, weil wir schnelle Kursänderungen schaffen“, so der Entwicklungsvorstand. Ein gutes Beispiel für aktuelle Innovationen bei Porsche sei die 800-Volt-Technologie bei E-Auto-Akkus, weil sie mehrere Vorteile vereine: „Geringere Leitungsquerschnitte reduzieren Gewicht und Bauraum, wir können höhere Leistungen fahren und schneller laden.“ Steiner geht davon aus, dass die 800-Volt-Technik, zu Beginn im Taycan noch ein Porsche-Alleinstellungsmerkmal, „auf dem Weg zum Industriestandard“ ist.
Allerdings sei es eine Herausforderung gewesen, für den 800-Volt-Stromer Taycan Komponenten aufzutreiben: „Die Industrie hatte auf einen Standard von 400 Volt gesetzt“, erklärt Steiner. Es sei „sehr schwierig“ gewesen, „Lieferanten und Partner für ein Serienfahrzeug mit 800 Volt zu gewinnen, weil wir weit und breit die Einzigen waren, die so etwas machen wollten.“
Eine „herausragende Bedeutung“ komme weiterhin der Batterieentwicklung zu. Steiner nennt „die einzelne Zelle gerne den Brennraum von morgen“, die viele verschiedene Parameter entscheidend mitbestimmt: „Ihre Energiedichte ist gleichbedeutend mit Reichweite“, so der Entwicklungsvorstand. Für Porsche sei aber auch die Leistungsdichte relevant, also wie schnell eine Zelle Strom aufnehmen und wieder abgeben kann. Außerdem sei die Lebensdauer ohne Leistungsverlust wichtig – die Reproduzierbarkeit. „In der Zellchemie steckt noch viel Potenzial, außerdem in der cleveren Verschaltung der Zellen zu Modulen sowie im Thermomanagement“, erklärt Steiner. Auch der Zellschutz bei schweren Unfällen sei ein zentrales Thema.
Hierbei gewinne Porsche einige wichtige Erkenntnisse in der rein elektrischen Rennserie Formel E, etwa über effiziente hochdrehende E-Maschinen und Betriebsstrategien. Es sei etwa „sehr sinnvoll, scharfe Bremsmanöver mit der E-Maschine fahren zu können. Also deren Widerstand zu nutzen und dabei massiv Strom zurückzugewinnen, zu rekuperieren“, da dies „deutlich mehr Reichweite“ bringe. Außerdem profitiere Porsche sehr von Erfahrungen im Thermo- und Stressmanagement für die Zellen.
Auf Porsche-Sportwagen des Jahres 2050 angesprochen geht Steiner davon aus, dass sie dann immer noch „typische Sportwagenproportionen“ haben: „Flach, eher breit und mit sichtbaren Muskeln, aber weichen Formen. Nicht brutal, sondern sympathisch“. Mit der Elektromobilität aber „werden Aerodynamik und Stirnfläche wichtiger und die Fahrzeuge deshalb noch kompakter und windschnittiger“.
Quelle: Porsche – Pressemitteilung vom 08.02.2021