Die im letzten Jahr angekündigte umfangreiche Förderung für den Kauf von E-Autos in Polen wurde kurz vor ihrer Einführung Mitte Dezember 2019 gestoppt. Das Programm sah eine Kaufprämie von bis zu 8600 Euro vor, sofern der Kaufpreis des elektrischen Fahrzeuges 125.000 zl (ca. 29.000 Euro) nicht überschreitet. Der Gesetzgeber hat seitdem mehrfach betont an dem Fördervorhaben grundsätzlich festhalten zu wollen, aber die Kaufprämie deutlich zu senken. Branchenexperten gehen von einer Halbierung des Betrages aus.
In den letzten Monaten 2019 hatten sich die Käufer, aber auch die Autohändler in Polen, auf die Bedingungen der ursprünglichen Förderung eingestellt und entsprechende Bestellungen getätigt. Der polnische Branchenexperte und Redakteur des Onlinemagazins www.elektrowoz.pl, Łukasz Bigo, bemerkt, dass die steigenden Absatzzahlen im Januar und Februar 2020 im Zusammenhang mit diesen Bestellungen zu sehen sind. Der Polnische Verband für alternative Kraftstoffe (Polskie Stowarzyszenie Paliw Alternatywnych, PSPA) gibt monatliche Übersichten über die Entwicklung der E-Mobilität in Polen heraus. In den beiden ersten Monaten des laufenden Jahres wurden in Polen 609 BEVs neu angemeldet.
In den meisten polnischen Statistiken werden BEVs und PHEV (plug-in hybrid electric vehicles) zusammengerechnet und als elektrische Autos geführt. Diese Angabe erschwert die genaue Analyse des Absatzes rein batteriebetriebener elektrischer Autos. Zusammengerechnet stieg die Präsenz von BEVs und PHEVs um 1.166 auf 9.803 Autos. Dieser Anstieg geht aber zu 45 % auf PHEVs zurück. Im Vergleich mit demselben Zeitraum 2019 hat die Anmeldung von BEVs und PHEVs um 181% zugenommen. Wenn aber die Entwicklung über das gesamte Jahr betrachtet wird und der Effekt der angekündigten Förderung von rein batterieangetriebenen PKWs mit eingezogen wird, ist das Ergebnis starken Schwankungen unterworfen und sollte im Detail einer genauen Betrachtung unterzogen werden.
Wegfall der Umsatzsteuer auf E-Autos als Wachstumsbeschleuniger
Gleichzeitig müssen bei der Analyse auch die generellen Bedingungen des polnischen Automarktes näher betrachtet werden, da der Absatz elektrischer Autos deutlich davon beeinflusst wird. Bei den Neuzulassungen überwiegen in Polen zu 2/3 Flottenfahrzeuge. Lediglich 1/3 der neuen Autos mit Verbrennungsmotoren wird von Privatpersonen erworben. Dementsprechend geht die PSPA davon aus, dass eine wie auch immer gestaffelte Kaufprämie für private Autokäufer in Polen weniger Wirkung zeigen wird als eine Aufhebung der Umsatzsteuer auf E-Autos. Erst durch diese Maßnahme, so die Annahme, kann sich der E-Auto Markt auf einem aussagekräftigen Niveau entwickeln.
Łukasz Bigo erklärt den Anstieg der Neuzulassungen im Februar nach einem deutlichen Einbruch im Januar 2020 mit einem interessanten Marketingeffekt. Demnach haben viele Händler die E-Autos bestellt, die Ende letzten Jahres für ihre Klienten interessant waren. Dazu gehörten z. B. der Renault ZOE, Opel Corsa–e und der Skoda CitigoE. Diese Modelle haben sich zum Zeitpunkt des angekündigten Förderungsprogramms preislich danach ausgerichtet. Mit diesen Modellen wurden entsprechende Angebote gemacht, die unter 29 000 Euro lagen, denn unterhalb dieses Preises konnte die Förderung in Anspruch genommen werden. In den ersten Monaten des Jahres begann dann die Auslieferung der Modelle an die Händler. Viele der Händler nutzten diesen Moment, um Probefahrten und Vorführungen der Modelle zu organisieren. Zu diesem Zweck meldeten sie die E-Autos an. Das Portal www.elektrowoz.pl berichtet von beliebten „E-Auto-Kennenlern-Events“, die sich aus diesen Aktionen entwickelt haben. Die Nachfrage war z.B. beim Renault ZOE ZE 50 erheblich, sodass das Portal gleich 23 Autohäuser aufführte, die den Renault ZOE ZE 50 vorstellten.
Carsharer als Zugpferde des E-Autoverkaufs
Es sind die E-Automodelle, die die meiste mediale Aufmerksamkeit genießen und die in den letzten Februarwochen zu Neuanmeldungen führten. Im welchen Umfang diese Events der polnischen Autohändler zur Steigerung des Absatzes führen werden, bleibt ungewiss. Weiterhin bleiben aber vor allem die Carsharer in Polen die Zugpferde des E-Autoverkaufs. Hier gab es seit Beginn des Jahres große Veränderungen.
Einerseits entwickelt sich Panek zum Marktführer und expandiert sogar im schwierigen Umfeld der Coronavirusepidemie in weiteren polnischen Großstädten. Das Unternehmen hat als erster Carsharer in Polen den Smart EQ Fortwo in seine Offerte aufgenommen. Auf der anderen Seite gab es mit Vozilla den ersten großen Verlierer der E-Autocarsharingoffesive in Polen. Vozilla gab im Januar bekannt, das Geschäftsmodell zu beenden. Ende April wird Vozilla seinen Service vollständig einstellen und die Hälfte seiner E-Autoflotte zum Verkauf anbieten.
Aleksandra Fedorska ist polnisch-deutsche Politologin und Publizistin. Sie arbeitet als Korrespondentin für polnische und deutsche Medien in den Fachbereichen Energiepolitik und E-Mobilität. Fedorska lebt und arbeitet im schleswig-holsteinischen Jagel und in der polnischen Stadt Poznań.
Bei dem Strommix in Polen wäre man derzeit noch gut beraten lieber mit Benzin zu fahren.