Der Autohersteller Nissan hat seinen EV36Zero genannten Plan zum Bau eines milliardenschweren E-Auto-Kompetenzzentrums vorgestellt. Unweit des britischen Nissan-Standorts Sunderland soll ein weltweit einzigartiges Fertigungszentrum für E-Autos entstehen, das die Dekarbonisierungsstrategie des japanischen Automobilkonzerns beschleunigen und den angestrebten Weg in die Klimaneutralität ebnen soll.
In das Projekt investiert Nissan gemeinsam mit seinem Batteriepartner Envision AESC und der Stadt Sunderland zunächst eine Milliarde britische Pfund (umgerechnet rund 1,17 Milliarden Euro). Dabei umfasst Nissan EV36Zero drei miteinander verbundene Initiativen zur Produktion von Elektroautos, erneuerbarer Energien und Batterien. Das Projekt soll eine Blaupause für die Zukunft der Automobilindustrie darstellen.
„Dieses Projekt ist richtungsweisend, um Kohlenstoffneutralität über den gesamten Lebenszyklus unserer Produkte zu erreichen. Unser ganzheitlicher Ansatz beinhaltet dabei nicht nur die Entwicklung und Produktion von E-Fahrzeugen, sondern auch die Nutzung der Antriebsbatterien als stationärer Energiespeicher und ihre Wiederverwendung für Sekundärzwecke.“ – Makoto Uchida, Präsident und CEO von Nissan
Aufbauend auf der inzwischen 35-jährigen Fertigungsexpertise von Nissan in Sunderland soll das Projekt gut 6200 Arbeitsplätze bei Nissan und seinen britischen Zulieferern sichern. Beim japanischen Automobilhersteller entstehen demnach 900 neue Jobs, in der nunmehr zweiten Envision AESC Gigafactory am Standort sollen weitere 750 hinzukommen. Auf lange Sicht profitiere Nissan maßgeblich von diesem Modernisierungsprojekt und weite seine Produktionsfertigkeiten für Elektroautos in Großbritannien aus.
Envision AESC, die Batterie-Sparte des globalen Green-Tech-Unternehmens Envision Group, werde integrierte AIoT-Smart-Technologien einsetzen, um den Energieverbrauch, die Fertigung und die Wartung in seiner neuen Gigafactory zu überwachen und zu optimieren. Dadurch könne es die Produktion schnell hochfahren und Batterien für bis zu 100.000 E-Autos pro Jahr bereitstellen.
Elektrischer Crossover der nächsten Generation
Als Teil der milliardenschweren Ankündigung will Nissan bis zu 423 Millionen britische Pfund (ca. 493 Millionen Euro) investieren und ein vollkommen neues vollelektrisches Fahrzeug der nächsten Generation in Großbritannien produzieren. Durch die Kombination von Crossover-Eigenschaften und den Erfolgszutaten des Nissan LEAF soll ein Fahrzeugdesign der Zukunft entstehen. Der neue Crossover soll auf der CMF-EV-Plattform der Renault-Nissan-Allianz aufbauen und werde von Sunderland aus in die europäischen Märkte exportiert. Das Produktionsvolumen soll bis zu 100.000 Einheiten betragen.
Die Fertigung werde rund 900 neue Arbeitsplätze im Werk Sunderland und mehr als 4500 in der britischen Lieferkette schaffen. Zusätzlich werden weitere 75 Jobs in der Forschung und Entwicklung gesichert. Mit dem Transformationsprojekt belaufen sich die Gesamtinvestitionen in das Nissan Werk nunmehr auf über fünf Milliarden britische Pfund. Inbegriffen sind auch:
- die Forschung und Entwicklung im europäischen Nissan Technical Centre in Cranfield (Bedfordshire),
- die Unterstützung britischer Zulieferer bei der Umstellung auf Elektroautos,
- eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit des Werks und besserer Umweltschutz,
- Fort- und Weiterbildungen der Mitarbeitenden in Bezug auf zukünftige Technologien.
Weitere Produktionsstandorte für das neue Modell sind bis jetzt noch unbestätigt. Details zum neuen Crossover-Modell, darunter auch Preise und Technologien, will Nissan kurz vor dem Verkaufsstart bekanntgeben.
E-Auto-Batterien der nächsten Generation
Envision AESC betreibt in Sunderland das europaweit erste Batteriewerk. Es wurde bereits 2012 für die lokale Produktion des Nissan LEAF errichtet. Dadurch verfügt das britische Team nunmehr über neun Jahre Erfahrung in der Fertigung und Lieferung hochwertiger Batterien. Bislang wurden dort Zellen, Module und Batteriepakete für mehr als 180.000 Einheiten der E-Modelle LEAF und e-NV200 für 44 Länder hergestellt.
Für das neue Nissan Modell investiert Envision AESC nun 450 Millionen britische Pfund (ca. 525 Millionen Euro) in eine neue Gigafactory für die Batterietechnologie der nächsten Generation. Das Werk entsteht im International Advanced Manufacturing Park (IAMP), der an das Nissan Werk angrenzt. Der formale Planungsprozess für das neue Werk soll in Kürze beginnen.
Die Gigafactory biete zunächst eine Kapazität von neun Gigawatt (GWh), sichere die bestehenden 300 Arbeitsplätze und schaffe 750 neue Jobs. Bis 2030 ist der Ausbau in weiteren Schritten auf bis zu 25 GWh denkbar, was für 4500 neuer Jobs sorgen und einen Gesamtinvestition von 1,8 Milliarden britischer Pfund darstellen würde. Die potenzielle Maximalkapazität an diesem Standort wird mit 35 GWh beziffert.
Die neue Produktionsstätte soll die Wettbewerbsfähigkeit der in England gebauten E-Auto-Batterien der 5. Generation steigern. Die neuen Batterien sollen eine um 30 Prozent höhere Energiedichte für mehr Reichweite und Effizienz aufweisen. Das neue Werk erfüllt zudem den Wunsch, möglichst viele Fahrzeugteile und -komponenten lokal vor Ort zu fertigen. Batterien werden damit günstiger und ein Umstieg der Kunden auf ein erschwingliches E-Auto leichter.
Emissionsfreie Fahrzeuge, emissionsfreie Fertigung
Der Stadtrat (City Council) von Sunderland unterstützt das vollelektrische Ökosystem mit einem sogenannten „Microgrid“, das 100 Prozent erneuerbaren Strom für die Produktion stellt und jährlich 55.000 Tonnen CO2 einspart. Mit der Möglichkeit, die bestehenden Wind- und Solarparks von Nissan einzubeziehen, könnten nach ersten Plänen bis zu zehn Solarparks mit einer voraussichtlichen Leistung von 132 Megawatt (MW) entstehen. Sie werden direkt an das britische Stromnetz angeschlossen, um Nissan und die im angrenzenden International Advanced Manufacturing Park (IAMP) ansässigen Automobilunternehmen zu versorgen. Die Pläne werden in enger Absprache mit potenziellen „grünen“ Investoren aus dem Privatsektor weiterentwickelt.
Dieses Projekt ist ein Novum und wird auf Investitionen von 80 Millionen Pfund geschätzt. Es umfasst auch Pläne für ein 1-MW-Batteriespeichersystem, das aus gebrauchten Nissan/Envision AESC EV-Batterien besteht. Es speichert die überschüssige Energie, die tagsüber erzeugt wird, um die Nachfrage im Netz auszugleichen und die Energie zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. Zusätzliche Infrastrukturprojekte, die die Schaffung des neuen EV-Hubs ermöglichen, erhöhen die Gesamtinvestitionen auf über eine Milliarde Pfund.
Nissan in Großbritannien
Vor 35 Jahren, im Juli 1986, hat Nissan die Produktion in Sunderland aufgenommen: Seitdem hat sich das Werk zur größten Fertigungsstätte in der Geschichte der britischen Automobilindustrie entwickelt und 46.000 Arbeitsplätze gesichert. Daneben unterhält Nissan in Großbritannien das europäische Designzentrum (NDE) in Paddington/London und das Forschungs- und Entwicklungszentrum (NTCE) in Cranfield (Bedfordshire), wo Nissan Modelle für Kunden in der Region und darüber hinaus entworfen und entwickelt werden.
In Sunderland laufen derzeit die Nissan Modelle Qashqai, Juke und LEAF vom Band, von denen die meisten (70 Prozent) auf das europäische Festland exportiert werden. 20 Prozent verbleiben in Großbritannien, die restlichen zehn Prozent gehen in Märkte rund um den Globus – von Südamerika bis Australien und vom hohen Norden bis nach Südafrika.
Quelle: Nissan – Pressemitteilung vom 01.07.2021