Das Münchner Start-Up Jolt Energy hat einen Blick in die Zukunft gewagt, insbesondere auf die Ladeinfrastruktur und wie sich diese künftig entwickeln könnte. Was zunächst wie Science-Fiction klingt, soll bereits im kommenden Jahr Wirklichkeit werden:
“Man stelle sich vor: Bei unserem bevorzugten Supermarkt oder Schnellrestaurant fährt ein Lkw mit Ladesäulen vor. Mit dem Ladekran werden nacheinander zwei der Säulen gepackt und auf den Parkplatz gestellt. Kaum ist der Lkw verschwunden, stehen bereits die ersten E-Autos an den „Merlins“ und werden mit bis zu 170 kW betankt.”
Jolt Energy hat sich zum Ziel gesetzt, in einem ersten Pilotprojekt bis zu 120 solcher frei stehender Schnell-Ladesäulen – auf den Namen Merlin hörend – aufzustellen. Danach sollen weitere Leuchtturmprojekte in Städten in Deutschland und USA folgen. Bis 2025 sind bis zu 50.000 Merlins in Europa und den USA geplant, je nach Entwicklung des Marktes. Besonders interessant dürfte hierbei der Ansatz sein, dass die Ladesäulen völlig ohne Verbindung zum Stromnetz an jedem x-beliebigen Platz aufgestellt werden können.
Jolt Energy: Schnellladesäulen von der Powerbank inspiriert
Erreicht wird dies dadurch, dass die Ladesäulen auf viele zusammengeschaltete Elektrobatterien setzen, wie sie auch in E-Autos verwendet werden. Jolt Energy versteht die eigene Schnellladesäule Merlin als eine Art Powerbank für das Auto: Ein Stromspeicher wird aufgeladen und kann dann – zeitversetzt – diese Energie an einen angeschlossenen Verbraucher wieder abgeben.
Geladen werden die Merlins an eigenen Ladestationen “Energy Center”, die irgendwo abseits im Gewerbegebiet steht und Zugang zu einer 20 kVA-Leitung hat. Ein solcher Hub kann viele Merlins gleichzeitig in kurzer Zeit „aufpowern“. Dabei geht er intelligent vor und nimmt nur dann Strom aus dem Netz, wenn dies problemlos möglich ist. Ein solches Energy Center kann aber auch Stromspitzen im Netz abfangen und ggf Strom ans Netz zurückgeben.
Dies könnte künftig insbesondere in den frühen Abendstunden vorkommen, wenn verstärkt E-Autos an die heimischen Ladegeräte angeschlossen werden. Mit dem Laden und Entladen der Merlins entsteht somit ein Kreislauf – “Milkrun-Konzept” – der in der Grafik zu Beginn des Artikels dargestellt wird.
Aktueller Entwicklungsstand und Testphase
Nach umfangreichen Vorarbeiten soll der „Merlin One“ in Q1 2019 fertig sein. Hierbei wird mit namhaften internationalen Industriepartnern zusammengearbeitet. Das internationale JOLT-Gründer-Team besteht aus 12 Mitarbeitern, die alle über langjährige Industrieerfahrung in den Bereichen Automotive, Energietechnik („power engineering“) und IT verfügen und Führungspositionen z. B. bei Siemens oder im VW-Konzern innehatten. Das Projekt umfasst nicht nur die Entwicklung der eigentlichen Ladesäule, sondern vor allem auch eine ausgeklügelte IT und Logistik, also den Transport der Merlins zwischen dem Energy Center und ihrem Standort, der bei voller Auslastung einmal täglich erforderlich sein wird.
Nach der Erprobung des Merlin One soll bereit im Sommer 2019 weitere Projekte in ausgewählten Großstädten folgen. Die Rede ist von 120 Merlins, welche dort zum Einsatz kommen. Man ist sich allerdings bereits heute sicher, dass die Unterstützung und Koordination durch kommunale Stellen eine große Rolle spielen wird. Über die besten Stellplätze werden bereits fortgeschrittene Verhandlungen mit Restaurantketten, Einkaufszentren, Tankstellenbetreibern und Autovermietern geführt.
“Wir stellen immer wieder fest, dass die potentiellen Standortpartner dies auch als gute Möglichkeit sehen, sich von der Konkurrenz abzuheben und Kunden anzulocken“ – Maurice Neligan, CEO von JOLT Energy
Hinsichtlich des Roll-Outs in Serie äußert sich das Start-Up noch nicht. Gibt nur zu verstehen, dass man sich der Nachfrage des Marktes flexibel anpassen kann. Denkbar ist auch, renommierten Industrieunternehmen die Produktion und den Betrieb von Merlins in Lizenz zu ermöglichen, z. B. in China, das sich bereits heute zum Vorreiter der E-Mobilität entwickelt hat.
Aus unserer Sicht ein interessanter Ansatz für den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Nicht gänzlich können wir uns mit dem “Milkrun-Konzept” anfreunden, da dies gerade bei skalierendem System einen immensen Logistikaufwand verursacht. Des Weiteren müssten die Schnellladesäulen zumindest mit E-LKW oder E-Sprinter von A nach B transportiert werden, um nicht die Vorteile eines emissionsfreien Alltags zunichtezumachen.
Quelle: Per Mail