Die Fahrzeugproduktion und -absätze befinden sich weltweit in einem Transformationsprozess, wie Dr. Philipp Kampshoff, Leiter des McKinsey Center for Future Mobility in den USA, in einem Gespräch erläutert hat. Insbesondere in Deutschland stehen die Automobilhersteller vor grundlegenden Herausforderungen, die sowohl die Marktnachfrage als auch die Kapazitätsauslastung betreffen. So Kampshoff im Rahmen eines Events im Umfeld der CES in Las Vegas gegenüber Elektroauto-News und anderen anwesenden Medien.
Überkapazitäten in Europa ein großes Problem
„Wir sehen in Europa eine erhebliche Überkapazität bei den Automobilherstellern“, erklärte Kampshoff. „Würde man alle Produktionsstätten in der Region maximal hochfahren, also von zwei- auf drei-Schicht-Betrieb umstellen, liegt die aktuelle Auslastung lediglich bei etwa 50 Prozent.“ Diese Diskrepanz führt zunehmend zu Diskussionen über Werksschließungen und eine mögliche Konsolidierung der Branche. Womit der Leiter des McKinsey Center for Future Mobility in den USA auf die aktuelle Situation bei Volkswagen sowie Honda und Nissan anspielt.
Dies betrifft nicht nur die Automobilhersteller, sondern zieht sich auch durch die gesamte Zulieferkette, wo ebenfalls erhebliche Überkapazitäten bestehen. Hersteller und Zulieferer stehen damit vor der Herausforderung, ihre Kostenstrukturen anzupassen und gleichzeitig in zukunftsweisende Technologien zu investieren.
Gleichzeitig erschweren günstige Importfahrzeuge aus China die Situation der deutschen Hersteller. Laut Kampshoff hat China im vergangenen Jahr erstmals die 50-Prozent-Marke bei der Neuwagenzulassung von elektrifizierten Fahrzeugen überschritten, im Monat Juli, während in Deutschland der Marktanteil von Plug-in-Hybriden und E-Autos deutlich niedriger liegt. Der Markteintritt chinesischer Hersteller mit preislich wettbewerbsfähigen Modellen setzt die etablierten Hersteller in Europa unter zusätzlichen Druck. Die politische Unterstützung in China, wie Subventionen und reduzierte Importzölle, verstärkt diesen Wettbewerbsvorteil weiter.
Veränderungen in der Fahrzeugnutzung sorgt für Unruhe
Neben der Marktveränderung sorgt auch die Verlagerung von Fahrzeugnutzung hin zu gemeinschaftlichen Mobilitätskonzepten für Unruhe. „Wenn die durchschnittliche Anzahl von Autos pro Haushalt von zwei auf 1,8 sinkt, wie wir es in unseren Prognosen sehen, wird dies massive Auswirkungen auf die Produktionszahlen haben“, so Kampshoff. Besonders in urbanen Gebieten, wo Parkkosten hoch sind und der Bedarf an individuellen Fahrzeugen abnimmt, könnte dieser Trend schneller voranschreiten. Robo-Taxis und Carsharing-Dienste werden hier zunehmend an Bedeutung gewinnen, wodurch sich die Kundengruppe der privaten Autobesitzer weiter verkleinert. Langfristig könnten sich diese Veränderungen auf die gesamte Wertschöpfungskette der Automobilindustrie auswirken, von der Produktion über den Vertrieb bis hin zum After-Sales-Geschäft.
Ein weiteres Thema, das die Automobilindustrie betrifft, ist die zunehmende Bedeutung von Software im Fahrzeugbau. Laut Kampshoff verschiebt sich die Wertschöpfung immer stärker in Richtung softwaredefinierter Fahrzeuge, was für traditionelle Hersteller eine enorme Umstellung bedeutet. „Die Neuen im Markt, die ohne Altlasten starten, sind hier deutlich produktiver. Sie schaffen es, Software dreimal schneller zu entwickeln und dabei weniger Fehler zu produzieren als die etablierten Anbieter“, erklärte er.
Dies betrifft auch die Fahrzeugarchitektur: Während etablierte Hersteller oft mit veralteten Systemen arbeiten, setzen neue Marktteilnehmer auf zentralisierte und effizientere Architekturen. Diese Umstellung erfordert hohe Investitionen und einen kulturellen Wandel innerhalb der Organisationen.
Herausforderungen durch neue Technologien
Auch die Integration neuer Technologien wie autonomes Fahren und erweiterte Konnektivität stellt die Branche vor Herausforderungen. Diese Entwicklungen eröffnen zwar neue Möglichkeiten, erfordern jedoch erhebliche Ressourcen und eine enge Zusammenarbeit mit Technologiepartnern. Kampshoff betonte, dass die deutschen Hersteller vor allem in der Softwareentwicklung und bei der Geschwindigkeit der Innovation aufholen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Diese Herausforderungen verdeutlichen, dass die deutsche Automobilindustrie vor einem tiefgreifenden Wandel steht, der nicht nur technologische Anpassungen, sondern auch strategische Neuausrichtungen erfordert. Die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, wie gut die Hersteller auf diese Transformation reagieren können.
Quelle: Die Hintergründe für diesen Artikel haben wir bei einer Veranstaltung im Rahmen der CES 2025 in Las Vegas im Gespräch mit Dr. Philipp Kampshoff erhalten, dem Leiter des McKinsey Center for Future Mobility in den USA.