Aufgrund stark gesunkener Preise für Elektroautos haben Leasingfirmen in letzter Zeit Verluste zu verzeichnen. Nun nehmen die Unternehmen die Autohersteller in die Verantwortung und fordern neben einer planbaren Preisgestaltung auch Ausgleichszahlungen.
Beim Fahrzeugleasing werden Autos von Kund:innen für einen festgelegten Betrag über einen bestimmten Zeitraum hinweg genutzt, ohne dass sie das Auto tatsächlich besitzen. In der Regel basieren die Konditionen der Leasingverträge auf dem geschätzten Gebrauchtwert eines Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Vertragsablaufs. Die Zahlungen sollen dabei den Wertverlust abdecken.
Wenn der Gebrauchtwert jedoch stärker als erwartet sinkt, verlieren die Leasingunternehmen Geld mit diesen Fahrzeugen. Dies war bei Elektroautos in letzter Zeit der Fall, denn die Preise für gebrauchte E-Autos sind im letzten Jahr stark gefallen. Dies liegt unter anderem daran, dass Tesla aufgrund der schwächelnden Nachfrage nach neuen elektrischen Fahrzeugen die Verkaufspreise mehrmals und teils sehr deutlich senkte. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, haben infolge dessen auch andere Unternehmen ihre Preise für neue Elektroautos gesenkt, was zu einem Einbruch der Gebrauchtwagenpreise geführt hat.
Einer Statistik der Fahrzeugplattform AutoTrader zufolge haben Elektroautos des Typs e-tron von Audi mit fast 30 Prozent Preisverfall innerhalb eines Jahres die größten Verluste verzeichnet, gefolgt von Teslas Model 3 und einem (leider nicht konkreter benannten) Ioniq von Hyundai. Während eine Reihe von Automobilherstellern eigene Leasinggesellschaften für ihre Marken betreiben, wie Volkswagen Financial Services, Stellantis oder Mercedes-Benz Mobility, gibt es auch unabhängige Leasingfirmen für verschiedene Marken.
Forderungen an die Autohersteller
Nach Angaben von Automotive News Europe haben Hersteller bereits damit begonnen, Leasingfirmen für den Wertverlust von gebrauchten Elektroautos zu entschädigen. Ayvens, eines der größten globalen Leasingunternehmen für verschiedene Automarken, habe laut CEO Tim Albertsen in den letzten Wochen bereits Schecks erhalten, um den Preisverfall auszugleichen. In der Flotte von Ayvens sind mehr als eine halbe Million Elektroautos.
Während der Bilanzkonferenz des Unternehmens im Februar habe Albertsen außerdem von den Herstellern eine Art Schutz gefordert in Bezug auf ihre zukünftige Preisgestaltung. Zudem sei das Unternehmen in Gesprächen mit den Autoherstellern, um beispielsweise gut gewartete Autos auch ein zweites oder drittes Mal zu leasen.
Zu den Zugeständnissen der Autohersteller an Leasingfirmen gehören auch Abkommen zum Rückkauf von Fahrzeugen. Bereits jetzt böten alle Elektroautohersteller Rückkaufgarantien für Leasingfirmen an, um den Verkauf neuer Elektroautos aufrechtzuerhalten, so Ursula Weigl, Partnerin bei der Unternehmensberatung McKinsey. Damit verlagert sich das Risiko auf die Autohersteller, die dann entweder Käufer:innen für Gebrauchtwägen finden müssen oder selbst Verluste einfahren. Weigl zufolge ist der Markt für Elektroautos durch Anreizsysteme auf der ganzen Welt extrem verzerrt. Die Nachfrage werde künstlich angeheizt und ende derzeit auf dem Gebrauchtwagenmarkt.
Auswirkungen auf den europäischen Leasingmarkt
Diese Entwicklung wirkt sich auch auf Leasingfirmen in Europa aus, von denen viele als Zwischenhändler auf dem Markt für Firmenwagen agieren. Dem Kraftfahrt-Bundesamt zufolge wurden in Deutschland 2023 rund zwei Drittel der neuen Fahrzeuge gewerblich zugelassen gegenüber rund einem Drittel an Privatwagen.
Dies liegt auch an Subventionen und Steuervergünstigungen, die Firmenwagen in Europa besonders beliebt machen. Mit fast 13 Millionen Auslieferungen im vergangenen Jahr führen Volkswagen, Stellantis und BMW den Markt an, von denen vollelektrische Autos fast 16 Prozent der Verkäufe ausmachten.
Emissionsgrenzwerte erhöhen den Druck
Der Druck von Autoherstellern, weiterhin möglichst viele Elektroautos zu verkaufen, liegt auch an den strengeren Emissionsgrenzwerten für Flotten in Europa. Wenn sich ein Unternehmen nicht daran hält, stehen Geldstrafen an.
In der Europäischen Union wird das zulässige Niveau der Kohlendioxidemissionen im nächsten Jahr sinken, um das Ziel zu erreichen, den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor bis 2035 einzustellen. In Großbritannien wiederum muss der Anteil der emissionsfreien Fahrzeuge an den Verkäufen in diesem Jahr 22 Prozent betragen und im darauf folgenden Jahr auf 28 Prozent ansteigen. Ohne stabile Preise auf dem Gebrauchtwagenmarkt werden diese Ziele für Autohersteller jedoch zunehmend schwieriger umzusetzen.
“Ohne strukturierte und liquide Märkte, auf denen E-Fahrzeuge ihren Wert aus zweiter und dritter Hand halten, wird es keinen Übergang zu E-Fahrzeugen geben. Letztendlich ist es die Differenz zwischen Neu- und Gebrauchtwagenpreis, die die wahren Kosten eines Autos ausmacht.” – Philippe Houchois, Analyst bei Jefferies
Rückzug großer Abnehmer für elektrische Firmenwagen
Einer Studie des Center of Automotive Research (CAR) zufolge sind Leasingraten für Elektroautos inzwischen höher als die für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Trotzdem haben nun große Firmen aufgrund der schwankenden Preise und des erschwerten Risikomanagements begonnen, sich von elektrischen Fahrzeugen oder bestimmten Marken zu distanzieren.
Nachdem der Autovermieter Hertz im Januar beschlossen hatte, 20.000 Elektroautos aus seiner Flotte zu entfernen, kündigte das deutsche Softwareunternehmen SAP im Februar an, keine Teslas mehr an Mitarbeitende zu vergeben. Auch Sixt, Europas größter Autovermieter, kündigte im Dezember an, Teslas nicht mehr anzubieten.
Quelle: Automotive News Europe – Slumping used EV prices force automakers to repay leasing firms // Kraftfahrt-Bundesamt – Pressemitteilung Nr. 01/2024