Habeck: „Wir wollen das Leben wieder bezahlbar machen“

Habeck: „Wir wollen das Leben wieder bezahlbar machen“
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Michael Neißendorfer
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Im Interview mit der Zeit sprach Robert Habeck, aktuell Bundeswirtschaftsminister und Spitzenkandidat der Grünen für die kommende Bundestagswahl, über die von vielen nicht wahrgenommenen Erfolge der Ampel-Koalition, was Deutschlands wichtigste Baustellen sind, und warum Investitionen in den Klimaschutz Herausforderung und Chance zugleich sind

Dass die Ampel-Koalition gescheitert sei, will Habeck so nicht stehen lassen, die Regierung habe viel umgesetzt, viel umsetzen müssen, wie der Grünen-Politiker aufzählt: „Wir haben Putins Angriff auf das Energiesystem abgewehrt. Wir haben uns sicherheitspolitisch neu aufgestellt. Wir haben das Biest der Inflation gebändigt. Wir haben die Energiewende auf Kurs gebracht, Klimaschutz ebenso, zig Verfahren spürbar beschleunigt. Wir haben den Weg für mehr Fachkräfte durch Zuwanderung eröffnet, den Mindestlohn angehoben, Familien entlastet“, so Habeck im Interview. Vieles davon werde aber noch etwas Zeit brauchen, bis es wirken könne.

Im nun anstehenden Wahlkampf sieht es der Grünen-Politiker als eine wichtige Aufgabe an, „über die Wirklichkeit zu sprechen, anstatt so zu tun, als ob wir nur die Regierung auswechseln müssten“. Denn die Wirklichkeit habe sich „gerade für Deutschland fundamental verändert.“ Das „wirtschaftliche Erfolgsmodell“ der Regierung Merkel, das auf billigem Gas aus Russland und China als wichtigem Absatzmarkt beruhte – und das in Zeiten des Friedens ohne einen Krieg, wie er aktuell in der Ukraine stattfindet – funktioniere nicht mehr. „Wir müssen die Energieversorgung neu aufstellen, neue Handelsbeziehungen knüpfen und mehr in Europa und in Deutschland investieren“, sollte die neue Richtung sein, findet Habeck.

„Das Festhalten am Verbrennungsmotor gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“

Deutschland müsse viele „Rückstände“ aufholen, etwa Schulen und Kitas sanieren, seine Behörden und Ämter digitalisieren, die Infrastruktur erneuern. Für die Wirtschaft und Industrie gelte es, „die neueste, die beste, die innovativste Technik“ zu produzieren, da Deutschland aufgrund seines hohen Kosten- und Lohnniveaus „im reinen Preiskampf nicht bestehen“ könne. „Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit anders stärken“, sagt Habeck, etwa im weltweit entbrannten „Wettlauf um grüne Technologien“, den „auch Donald Trump nicht einfach so ändern“ könne. Wenn man sich etwa verinnerliche, „wie chinesische Elektroautos die deutschen Hersteller unter Druck setzen“, müsse man feststellen: „Das Festhalten am Verbrennungsmotor gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland“, so der Kanzlerkandidat der Grünen.

Die nächste Regierung müsse, so heißt es in der Fragestellung der Zeit, nicht nur eine Krise, sondern viele meistern: die Kriege in der Ukraine und in Nahost, Trump, der Aufstieg der Autoritären, der wirtschaftliche Niedergang in Deutschland. Habeck wolle diesen Herausforderungen mit „Ernsthaftigkeit und Konkretion“ begegnen. „Die Leute erwarten konkrete Antworten auf ihre alltäglichen Fragen – und gleichzeitig, dass man die großen Herausforderungen in voller Dimension angeht“, sagt er. Die Politik müsse „das Leben wieder bezahlbar machen“.

„Wir sollten den Strompreis senken“

Habeck nennt auch konkrete Vorschläge dafür: „Wir sollten erstens den Strompreis für Unternehmen und Haushalte senken“, so der Grünen-Politiker, also „die Stromsteuer faktisch abschaffen und die Netzentgelte durch Zuschüsse deutlich senken“. Allein das würde einer Familie „knapp 400 Euro im Jahr“ bringen. Habeck würde zudem „eine effiziente Mietpreisbremse einführen und das 49-Euro-Ticket bei 49 Euro lassen.“ Wichtig sei, nicht einfach nach dem Prinzip Gießkanne Förderungen zu verteilen, sondern „die soziale Gerechtigkeit“ zu stärken: „Wer weniger hat, sollte mehr Unterstützung bekommen“, sagt Habeck mit Blick auf einen seiner letzten Vorschläge, dass „Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen eine steuerliche Förderung fürs E-Auto erhalten.“

Habeck verweist darauf, dass die Klimakrise und der notwendige Klimaschutz weiterhin eine der größten Herausforderungen bleibe und Veränderungen, aber auch Chance mit sich bringe: „Wir haben dafür gesorgt, dass man mit erneuerbaren Energien Geld sparen oder sogar Geld verdienen kann, etwa mit Solaranlagen und dem Einspeisen der erneuerbaren Energien vom eigenen Dach“, so der Grünen-Politiker. „In Zukunft können variable Stromtarife dabei helfen, dass man mit dem E-Auto sogar sparen oder Geld verdienen kann“, erklärt er weiter. Deutschland habe schon „vieles umgesetzt, damit Menschen profitieren können von der ökologischen Transformation, und zwar in der Gegenwart, nicht erst in der Zukunft.“

Quelle: Zeit Online – Waren Sie mal versucht, alles hinzuwerfen? „Es gab einen Moment …“

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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