War man Mitte Dezember noch der vollen Überzeugung, dass im VW Konzern alle Zeichen auf E-Mobilität stehen, lassen die Ergebnisse einer Greenpeace-Recherche anderes vermuten. So gibt der Recherchebericht zu verstehen, dass der bislang schleppende Verkauf des VW ID.3 mindestens in Teilen selbstverschuldet sei. Ausschlaggebend sei hierbei die Tatsache, dass die Konditionen für den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor deutlich lukrativer seien, so die Aussage einer Vielzahl von VW-Händler.
Sprich, wird ein E-Auto statt eines Verbrenners verkauft, beschert dies dem Handel und seinem Verkaufspersonal bislang wirtschaftliche Nachteile. “Zudem fehlt es offenbar an umfassenden Verkaufsschulungen und fundiertem Wissen über VWs Elektromodelle. Dies belegen Testgespräche, die Greenpeace bundesweit bei 50 VW-Händlern durchgeführt hat”, so Greenpeace in seinem Bericht. Dies führt in den Testberatungen dazu, dass trotz eines einheitlichen Nutzungsprofils, das voll zum ID.3 passt, den potenziellen Käufern in 27 Fällen ein Auto mit Verbrennungsmotor empfohlen wurde. Lediglich in acht Gesprächen wurde zum Kauf eines VW ID.3 geraten – ernüchternd! Grundlage für diese Zahlen war ein “Mystery Shopping”: 56 Ehrenamtliche aus lokalen Greenpeace-Gruppen haben in insgesamt 50 VW-Autohäusern Beratungsgespräche zum Kauf eines Neuwagens geführt. Das Ergebnis war dabei nicht nur in Bezug auf die Anzahl der Empfehlungen erschreckend.
“Die Verkäufer*innen nur oberflächlich zum Thema Elektromobilität geschult sind und im Durchschnitt auf jede zweite Frage (48 Prozent) der Interessent*innen keine Antworten geben konnten oder falsche Informationen verbreiteten.” – Greenpeace Bericht
Die fehlende oder nicht vollständige Schulung macht es natürlich nicht einfacher, dass sich ein Verkäufer beim Vertrieb eines E-Autos wohlfühlt. Allerdings dürfte vor allem die Tatsache, dass der eigene Geldbeutel durch den Verkauf eines E-Autos benachteiligt wird das größere Argument sein. Für den VW ID.3 hat das Unternehmen ein neues Vertriebssystem eingeführt: Volkswagen ist direkter Vertragspartner der Kunden, die Händler fungieren nur noch als Agenten. Sie beraten, führen Probefahrten durch und wickeln die Auslieferung ab. Dies bedeutet, dass die selbstständigen Händler die Fahrzeuge nicht mehr vorfinanzieren müssen. Das finanzielle Risiko gegenüber dem klassischen Vertrieb ist somit geringer. An sich ein Pluspunkt. Welchen sich VW allerdings bezahlen lässt, in Form von geringeren Händler-Margen.
Denn während die Grundmarge bei Verbrenner-Modellen nach Informationen aus Händlerkreisen bei 16 bis 18 Prozent liegt, beträgt sie bei den ID-Modellen nur 6 Prozent. VW wollte diese konkrete Zahl weder bestätigen noch dementieren, so die WirtschaftsWoche. Dieser gegenüber gab VW lediglich zu verstehen: “Das (Agenturmodell) bietet uns die Möglichkeit, eine besonders hohe Preisstabilität (…) beim ID.3 sicherzustellen. Das ist wiederum die Grundlage für eine gesicherte und angemessene Provision für unsere Handelspartner.” Diese Vertriebsstruktur führt dazu, dass Händler – anders als bei einem Auto mit Diesel-, Benzinmotor oder Plugin-Hybrid – kaum eigene Rabatte gewähren können. Hierdurch tendieren die Kunden eher in Richtung dem “Schnäppchen-Verbrenner”.
Gleichzeitig sei aber der Beratungsaufwand bei einem reinen E-Auto höher als bei einem Verbrenner, so Händler und Verkäufer gegenüber der WirtschaftsWoche. Die meisten beziffern den Aufwand auf rund das Doppelte, was den Anreiz für viele Verkäufer weiter schmälert. “Wir wären bei der Elektromobilität schon viel weiter, wenn es ein System gäbe, das Händler und Verkäufer belohnt, die E-Autos verkaufen. Stattdessen ist es umgekehrt: doppelt so viel reden, halb so viel verdienen”, sagt Wolf Warncke, Geschäftsführer des Autohauses Warncke in der Nähe von Bremen.
Das Urteil von Greenpeace fällt klar aus:
“VW muss die stark abweichenden Konditionen für den Verkauf von Elektroautos und den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor angleichen. Händler*innen und Verkäufer*innen dürfen nicht länger dafür bestraft werden, E-Autos zu verkaufen. Es reicht nicht, sich zum Vorreiter der Elektromobilität auszurufen. Diesem Anspruch muss man auch im direkten Kontakt mit den Kund*innen gerecht werden. VW muss seine Vertriebspartner*innen daher auf Kundenfragen zum Thema Elektromobilität besser vorbereiten und umfassend schulen.”
Quelle: Greenpeace – Greenpeace-Recherche: VW bremst Verkauf von E-Autos durch bessere Bedingungen für Verbrenner