Forschungsprojekt demonstriert industrielles zweites Leben von gebrauchten Batterien

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Klima- und Energiefonds / Grazer Energieagentur Ges.m.b.H

Iris Martinz
Iris Martinz
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Dass die Batterie das Herzstück eines E-Autos ist – und nicht etwa der Motor, ist wohl unbestritten. Sie macht einen großen Teil des Gesamtwertes aus und ist aus vielerlei Gründen in der Kritik, seien es die Herkunft der verwendeten Materialien, der Energiebedarf für die Herstellung, die Sicherheit oder die fehlende Recyclingfähigkeit.

Nun, viele Kritikpunkte haben oder hatten ihre Berechtigung. An der Substitution von kritischen Metallen wie Kobalt wird intensiv geforscht, Feststoffbatterien sollen mehr Sicherheit bringen, und gerade im Recycling sind deutsche Unternehmen weltweit führend. Eines wird aber bei der Frage des Recyclings oft übersehen: hat eine E-Auto-Batterie etwa 20 Prozent ihrer Gesamtkapazität eingebüßt, ist sie für die Nutzung im Auto nicht mehr brauchbar. Werden solche Batterien wie rechtlich vorgesehen dann einem Entsorger übergeben, werden sie geshreddert, ganz egal, ob die Batterie grundsätzlich noch in Ordnung gewesen wäre! Eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen!

Second Life

„Second Life“ lautet das Zauberwort. Batteriesysteme oder -module, die am Ende ihres ersten Lebens im E-Auto angelangt sind, eignen sich in der Regel noch jahrzehntelang als stationäres Speichermedium, vor allem zur Speicherung von Strom aus erneuerbaren, wenig planbaren Quellen. Eingesetzt werden können sie als Frequenzausgleicher im übergeordneten Stromnetz (hier gibt es in Deutschland schon einige Pilotprojekte), zum Spitzenlastausgleich in der Industrie, oder ganz simpel als Heimspeicher zur Erhöhung der Eigenverbrauchsquote einer Photovoltaik-Anlage. So können diese Batterien noch jahrelang einen wertvollen Beitrag zum nachhaltigen Energiemanagement leisten, bevor sie dann endgültig recycelt werden.

Warum gibt es dann noch so wenige? Das hat mehrere Gründe. Zum einen sanken bis vor kurzem die Preise der Neubatterien für Speicher jedes Jahr dramatisch, und das Engineering eines Second-Life-Speichers ist nicht trivial. Der Kostenvorteil ist also gering, da haben die meisten dann doch lieber zu Neubatterien gegriffen. Zweitens sollten alle Module vom selben Bautyp sein, einfach verschiedene zusammenstoppeln geht nicht. Man muss also Zugang zu größeren Mengen von Altbatterien haben. Und drittens: woher soll man wissen, ob das gebrauchte Modul nicht doch irgendeinen Fehler hat, wenn man nicht über sündteure Prüfstände verfügt?

SecondLife – Batteries4Storage

Allen diesen Fragen ist ein österreichisch/bayrisches Konsortium in einem dreieinhalbjährigen Forschungsprojekt nachgegangen. Das mit Mitteln des österreichischen Klima- und Energiefonds im Rahmen des Programms „Green Energy Lab“ geförderte Projekt untersuchte unter anderem, ob sich ein Speicher aus gebrauchten Mobilitätsbatterien zur Spitzenlastabdeckung in der Industrie eignet – ein Anwendungsfall, der bisher wenig forscherische Aufmerksamkeit erhalten hat. Dazu wurde von der bayrischen Firma Smart Power ein 96 kWh-Prototyp gebaut, der an einem Standort des steirischen Entsorgungsspezialisten Saubermacher genau das getan hat: Stromspitzen, die durch das Anfahren der Abfallaufbereitungsanlagen oder das gleichzeitige Anstecken vieler E-Autos entstehen, abzufedern und damit Geld zu sparen. Kürzlich wurde der Prototyp zum Headquarter des Unternehmens überführt, wo er zukünftig den produzierten Strom aus der hauseigenen PV-Anlage zwischenspeichern und die mittlerweile beinahe 40 E-Autos versorgen wird.

Die Frage, ob ein Batteriesystem oder -modul noch einen guten „Gesundheitszustand“ (State-of-Health) aufweist, kann Projektpartner AVL DiTest, ein österreichischer Automotive-Prüfgerätespezialist, beantworten, und zwar auch dann, wenn die Batterie bereits ausgebaut ist. Was bisher nur direkt im Auto oder in einem stationären Prüflabor möglich war, kann jetzt mit einem mobilen Analysegerät vor Ort – beispielsweise beim Entsorger – geprüft werden. Geht es um einen schnellen Check, dauert das sogar nur wenige Minuten!

Projektpartner AVL List – österreichischer Motorenoptimierer – hat sich mit dem Benchmarking und der Wertermittlung von gebrauchten Automotive Batterien beschäftigt. Konsortialführer Grazer Energieagentur hat wiederum ein Dimensionierungstool für einen Second Life-Speicher entwickelt, um die Speichergröße optimal an den jeweiligen Anwendungsfall anpassen zu können.

Second Life Markt

Nachdem das Projekt die wesentlichen Fragen beantwortet hat, wird es zur Entwicklung eines Second Life Marktes beitragen. Wesentlichen Schub wird dieser durch die neue Batterieverordnung erhalten, die nicht nur höhere Recyclingquoten vorschreibt, sondern auch Second Life Anwendungen forcieren will. Haftungsfragen müssen aber noch geklärt werden, liegt das Haftungsrisiko für Speicher aus gebrauchten Batteriesystemen derzeit doch noch beim Anlagenerrichter. Nachdem schon jetzt pro Jahr mehrere Tausend Tonnen gebrauchte Batteriesysteme im deutschsprachigen Raum anfallen – nicht nur aus den E-Autos, sondern auch aus der Produktion – wären jedenfalls genug Batteriemodule verfügbar, um Second Life Speichersysteme für die Industrie im Megawattbereich zu errichten.

Quelle: Grazer Energieagentur – Pressemitteilung vom 05.04.2022

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Iris Martinz

Iris Martinz

Iris Martinz ist Unternehmens- und E-Mobilitätsberaterin in Österreich, mit langjähriger Erfahrung im Recycling und Second Life von E-Mobilitätsbatterien. Fährt sowohl rein elektrisch, als auch V8, und möchte die beiden Welten etwas näher zusammenbringen. Nachzulesen unter www.mustangsontour.com.
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Alex S.:

Unbestritten ist die Wiederverwertung aller Dinge der einzige Weg für ein gesundes Leben auf diesem Planeten. Aber was nutzt das ganze Gerede über Ökologie wenn das Leben durch die Kapitalistische Ökonomie diktiert wird.
Während man sich in Deutschland Gedanken über die Wiederverwertung mit maximalen Gewinnen macht, wird die Umwelt in der wir leben, schon wieder durch mehrere Öltankerkatastrophen bedroht.
Dank Verbrenner-Industrie, die ihre durch ihren Rohstoffhunger nach Eisenerz und Erdöl längst diesen Planeten in vielen Teilen unbewohnbar gemacht hat, meckert man über die Rohstoffe der BEV´s.
Und das auch nur, weil die deutschen Autobauer, deren Einzelteile aus Asien mit Schiffen nach Europa transportiert werden, um sie dann zu 70% mit osteuropäischen Zeitarbeitern zusammen bauen zu lassen , BEV wegen der billigeren Verbrennervariante nicht wollen.
Entweder bauen sie BEVs, die vieles was inzwischen Standard ist, aus Kostengründen nicht implementierten können oder wollen (Gewinn-Sucht), oder sie Bauen BEVs, die sich nur Millionäre leisten können.
Second Life für Batterien sind doch längst auf großen Veranstaltungen zu sehen und haben sich bewährt. Aber hier ist das kapitalistische System rigoros:
Was nicht mindestens 15% Gewinn für Vorstandsbosse und Aktionäre ausspuckt, wird schlecht geredet.

Iris Martinz:

Hallo Egon,

die Frage, wie viele Batteriemodule anfallen, kann ich zwar nicht belegen, aber zumindest beanworten:
In Deutschland und Österreich zusammen sind es aktuell etwa 5.000 – 10.000 Tonnen jährlich. Bei einem durchschnittlichen Gewicht von 250 kg pro Batteriesystem sind das etwa 20.000 – 40.000 Stück, oder rund 100.000 – 200.000 Module.

Als „gebraucht“ gelten Batteriesysteme, die entweder bereits eine Erstnutzung im Auto erfahren haben und bei denen die Kapazität auf 70-80 % gesunken ist, oder Batteriesysteme, die aus Erstserien und Prototypen stammen, die nicht verkauft werden. Auch aus der langsam anlaufenden Batterieproduktion in Europa kommt Ausschussware.

Sowohl bei den tatsächlich „verbrauchten“ Batterien, als auch bei der Ausschussware ist in den nächsten Jahren mit einem exponentiellen Anstieg der Mengen zu rechnen.

Die Herausforderung ist also weniger, genügend Module zusammenzubringen, sondern eher rechtlicher Natur: gebrauchte Batteriesysteme gelten in Deutschland als gefährlicher Abfall, können daher nur mit enorm hohen Aufwand (Notifizierungserklärung) exportiert oder auch importiert werden. Selbst wenn man also europaweit genügend Mengen hätte, kann man sie nur im jeweiligen Land verwerten. Zudem ist die Frage noch nicht geklärt, wann die Abfalleigenschaft endet, wenn die Batterien einem Entsorger übergeben wurden (dann werden sie nämlich rechtlich zu Abfall), aber als SecondLife Speicher genutzt werden könnten. Das ist aber eine Voraussetzung dafür, wieder ein „Produkt“ zu machen, für das auch Gewährleistung gegeben werden muss.

An der Lösung arbeiten Entsorger und auch OEMs fieberhaft. Aber die Mühlen mahlen halt langsam in Deutschland und auch in Österreich….

beste Grüße
Iris

egon_meier:

Die These, dass schon jetzt genug gebrauchte Batteriemodule anfallen hätte ich gerne mal belegt.

Und was sind „genug“ und „gebrauchte“

Ich gehe davon aus, dass erst eine große Anzahl von Standard-Modulen relevanterer Hersteller auf dem Second-hand-Markt vorliegen müssen, damit sich eine systematische Entwicklung von stationären Speichern lohnt. Die Entwicklugnskosten müssen wieder reingeholt werden.

Beispiel: Bis eine große Zahl von MEB-Fahrzeugen ins Verwertungsalter kommt dauert es n och 10 – 15 Jahre.
Vorher gibt es nur Kleckerkram und die anfallenden Module (Unfallwagen) werden vorrangig in den Ersatzteilmarkt gehen.

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