Die Elektromobilität steckt in einer Nachfragedelle. Da können die Politiker diesen Umstand mit noch so blumigen Worten beschönigen, die normative Kraft des Faktischen spricht eine andere Sprache. Konsens herrscht mittlerweile auch darüber, dass der Erfolg der Elektromobilität nicht von oben, sprich mit teuren Autos kommt, sondern von unten. Die Stromer müssen für jedermann erschwinglich sein. Nur so können breite Bevölkerungsschichten von den Vorteilen der neuen Mobilität profitieren.
Während VW schon seit einiger Zeit an einem Elektroauto für 25.000 Euro oder weniger herumdoktert, setzen Dacia mit dem Spring und Citroën mit dem e-C3 dieses Konzept bereits um. Nun kommt der chinesische Autobauer Leapmotor mit dem vollelektrischen T03 für 18.900 Euro um die Ecke und schafft damit den Sprung nach Europa.
Interessanterweise hat sich der 14-Marken-Konzern Stellantis mit 51 Prozent die Mehrheit an dem Joint Venture Leapmotor International gesichert. Der T03 soll ab November im polnischen Tychy als CKD (Complete Knock-Down), also aus fertig angelieferten Modulen produziert werden. Damit könnten auch mögliche Strafzölle minimiert werden.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der T03 im Revier des Citroën e-C3 wildert. Warum also den Feind in das eigene Bett holen? Ein Umstand, der auf den ersten Blick nicht in die Stellantis-Markenstrategie passt. Doch Carlos Tavares weiß genau, was er tut. Intern ließ der allgewaltige Konzernchef schon mehrmals verlauten, dass Leapmotor ohnehin geplant hatte, nach Europa zu kommen und dann sei es doch besser, sich mit ihnen zusammenzutun, als sie zu bekämpfen. Frei nach dem Motto: If you can’t beat them, join them (dt: Wenn du sie nicht schlagen kannst, schließe dich ihnen an).
Gesagt getan. Der Leapmotor T03 wird aktuell über 40 Händler in Deutschland verkauft. Die ersten Autos sind schon da, man nutzt das Stellantis-Händlernetz. Die Abdeckung in Deutschland liegt derzeit bei 80 Prozent. Das soll sich bald ändern. „Wir können die Anzahl der Händler schnell nach oben skalieren und werden zum Jahresende deutlich mehr haben“, erzählt Leapmotor-Deutschland-Chef Martin Resch. So weit der Plan, der aus Sicht des Vielmarken-Konzerns durchaus Sinn ergibt. Doch auch bei günstigen Einstiegsstromern liegt die Wahrheit auf dem Asphalt. Und da macht der Leapmotor T03 eine ziemlich gute Figur. Vor allem, wenn man ihn mit dem Dacia Spring vergleicht.
Auf den ersten Blick ist der 3,62 Meter lange und immerhin 1,65 Meter hohe Chinese keine Schönheit. Er sieht aus wie eine Mischung aus einem zu heiß gewaschenen London-Taxi und einem neuen Fiat 500, dessen Designer gerade von einer Cannabis-Party zurückgekommen ist. Geschmack ist das eine, Fakten das andere. Der Dacia Spring kostet in der Basisversion 16.900 Euro. Beim Preis des 2000 Euro teureren Spring Expression Electric 65 herrscht zwischen China-Rumänien und China-Frankreich dann finanzieller Gleichstand. Das Ausstattungs-Bingo entfällt beim Leapmotor T03. Es gibt eine Variante für 18.900 Euro. Punkt. Zur Auswahl stehen lediglich drei Farben: Hellblau, Silber und Weiß.
Zur Serienausstattung des Stellantis-Chinesen gehören eine Rückfahrkamera inklusive Parksensoren hinten, sechs Airbags, ebenfalls eine manuelle Klimaanlage, elektrisch verstellbare Außenspiegel und elektrische Fensterheber an allen vier Türen. Apropos: Im Fond ist für Erwachsene wenig Platz und die Türausschnitte sind ziemlich klein. Ab Schuhgröße 36 wird ziemlich eng.
Kuschelig wird es auch auf den Vordersitzen, wenn zwei ausgewachsene Personen sich den T03 teilen. Schließlich ist das Auto nur 1,58 Meter breit. Geräumiger geht es allerdings auch im Dacia nicht zu. Die Ausstattung ist beim Rumänen in Ordnung, erreicht aber nicht ganz das Niveau des T03. Der Spring hat unter anderem eine Einparkhilfe hinten, Lichtautomatik, Frontairbags für Fahrer und Beifahrer, Seitenairbags vorne und Fenster-Airbags für vorne und hinten, manuell einstellbare Außenspiegel und eine manuelle Klimaanlage mit Pollenfilter.
Auch bei den Assistenzsystemen punktet der Leapmotor T03. Hier spielen auch die EU-Vorschriften eine Rolle. Zehn Assistenten unterstützen den Fahrer. Darunter ein adaptiver Tempomat, ein Totwinkelwarner, der auch beim Öffnen der Tür aktiv ist und einen Frontkollisionswarner inklusive Notbremsassistent. Das die Verkehrszeichenerkennung offenbar beim Scannen der Schilder würfelt – auf der Autobahn blinkt beharrlich 50 km/h im Display) –, geschenkt. Das funktioniert auch bei teureren Autos nicht perfekt. Allerdings nervt das ständige Piepsen der Warntöne.
Das Interieur ist modern. Da sind die Autos aus China ohnehin gut dabei. Das Display für die digitalen Instrumente misst acht Zoll und der Touchscreen zehn. Die Bedienung ist eingängig, allerdings wären ein paar analoge Schalter und Knöpfe ganz hilfreich, zum Beispiel für die Klimaanlage. So muss man immer wieder auf den Bildschirm blicken, wenn man eine Einstellung vornehmen will. Insgesamt wirkt das Interieur angesichts des Preises nicht billig: Klavierlack und Hartplastik mit genarbten Oberflächen hübschen das Ambiente auf. Allerdings bietet der T03 vorne zwei USB A Anschlüsse, hier würden wir uns die USB-C-Variante wünschen.
Leistung und Verbrauch können überzeugen
Bei den Fahrleistungen schlägt das Pendel ebenfalls zugunsten des Leapmotor aus. Während der T03 70 kW / 95 PS und ein maximales Drehmoment von 158 Newtonmetern hat, sind es beim Spring nur 48 kW / 65 PS und 113 Nm. Damit erreicht der Dacia nach 13,2 Sekunden aus dem Stand die 100-km/h-Marke, der Leapmotor absolviert den Standardsprint eine halbe Sekunde schneller. Obwohl er mit 1175 Kilogramm 125 kg mehr wiegt. Auch bei der Höchstgeschwindigkeit hat der rumänische Stromer mit 125 km/h gegenüber 130 km/h das Nachsehen.
Wir waren in der Stadt, wo der Leapmotor 03 sich am wohlsten fühlt, auf Landstraßen sowie zügig auf Autobahnen unterwegs und kamen auf einen Durchschnittsverbrauch von 13,4 kWh / 100 km. Das sind sogar 2,9 kWh / 100 km weniger als angegeben. Die drei Fahrmodi Eco, Standard und Sport unterscheiden sich nicht großartig, wobei wir die meiste Zeit das Standard-Programm nutzten.
Das Fahrwerk ist komfortabel abgestimmt. Dadurch neigt sich der T03 bei schnellen Kurvenfahrten etwas. Auch die Lenkung könnte direkter sein, aber auch daran gewöhnt man sich. In der Stadt spielt es eh keine Rolle und auf die Rennstrecke dürfte man mit dem T03 eher selten gehen. Der Radstand von lediglich 2,40 Metern führt zu einem Wendekreis von unter zehn Metern, was in engen Gassen hilft.
Kommen wir zu den Akkus: Der T03 hat eine Batterie mit einer Kapazität von 37,3 Kilowattstunden, was für eine WLTP-Reichweite von 265 Kilometern reicht. Beim Dacia sind es 28,3 kWh-Akkus und 225 km. Die Ladeleistung ist beim Leapmotor nicht berühmt, aber immer noch besser als beim Spring. Derzeit saugt der T03 bei einem Wechselstromanschluss mit einphasigen 6,6 kW Energie. Ab November soll das AC-Stromtanken dann dreiphasig und schneller sein. An einer DC-Säule sind es 45 kW und 36 Minuten von 30 auf 80 Prozent. Zum Vergleich: Der Spring lädt mit 3,7 beziehungsweise 30 kW (DC).
Beim Kofferraumvolumen hat der Dacia die Nase mit 308 bis maximal 1004 Litern gegenüber 210 bis 508 Litern die Nase vorn. Zudem ist die Ladekante beim T03 sehr hoch, der Kofferraumboden sehr tief und die Luke des Gepäckabteils sehr klein. Das ändert aber nichts daran, dass der Leapmotor ein gutes Stadtauto für einen günstigen Preis ist, das den Dacia Spring aussticht.